V. Zur Geschichte des Klimas der Mittelmeerländer.

Aus: Studien über das Klima der Mittelmeerländer.
Autor: Fischer, Theobald (1846-1910) Professor, deutscher Geograph, der sich mit den Ländern im Mittelmeerraum befasste, Erscheinungsjahr: 1879

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Klima, Klimaänderung, Mittelmeerregion, Mittelmeer, Nordafrika, Kultur, Natur, Wald, Sahara, Wüste, Ruinen, Flüsse, Brunnen, Trockenheit, Sümpfe, Niederschlag, Temperatur, Tierwelt, Pflanzenwelt, Kulturlandschaft, Altertum, Ägypten, Sizilien, Bodenkultur,
Die Frage, ob sich das Klima einzelner Länder in historischer Zeit geändert habe, hat sich in den letzten Jahrzehnten mannigfach aufgedrängt und ist viel erörtert worden, ohne aber bisher eine befriedigende Beantwortung gefunden zu haben. Namentlich dürfte es noch nirgends gelungen sein, mit Hilfe direkter Messungen eine Ab- oder Zunahme der Wärme für irgend eine Gegend nachzuweisen, sei es auch nur um einen ganzen oder einem halben Grad, was immerhin, wenn es sich um Grenzwerte handelt, genügen würde, um eine wichtige Kultur unmöglich zu machen. Die Zeit, wo solche Messungen vorgenommen worden sind, ist eine zu kurze, auch Abweichungen bei ungenügender oder geänderter Aufstellung der Instrumente zu leicht möglich. Es ist daher besonders die Pflanzenwelt, welche die nötigen Anhaltspunkte zu liefern im Stande wäre, daneben direkte historische Zeugnisse jeder Art, die uns gerade aus einem so eminent historischen Gebiete wie das Mittelmeerbecken in größerer Fülle vorliegen müssen wie anderwärts.

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Dass die Mittelmeerländer mit ihrer dreitausendjährigen Kultur eine Modifikation ihres Klimas erfahren haben müssen, darüber kann kein Zweifel sein, da sich diese Erscheinung sogar für Länder nicht leugnen lässt, deren Kultur kaum nach einem Jahrtausend zählt. Es bedarf z. B. keiner weiteren Ausführung, dass das Klima Deutschlands unmöglich das gleiche mehr ist als in römischer Zeit, wo ungeheure Wälder den Boden kühl und feucht erhielten und Sümpfe sich da ausdehnten, wo jetzt die Sonne den immer und immer wieder aufgelockerten Boden bescheint, der jetzt künstlich entwässert und geebnet von Ährenfeldern wogt. Auch das Mittelmeergebiet war ehemals ein Waldland, mehr wie anderwärts hat aber hier die Kultur den Wald verschlungen, offene, sonnige Landschaften sind an seine Stelle getreten, aber für fast alle Gegenden dieses Gebietes hat das letzte Jahrtausend einen Rückgang der Kultur herbeigeführt, dem indessen nicht wie im tropischen Amerika und anderwärts eine Wiederherstellung der ursprünglichen Zustände, eine erneute Besitzergreifung der Natur von dem ihm durch den Menschen entrissenen Lande gefolgt ist. Niederes Gestrüpp, trockene dornige Sträucher oder Adlerfarn ist auf dem ehemaligen Kulturboden emporgewachsen, kaum im Stande, Herden zu nähren, einst fruchtbare Ebenen sind jetzt mit Fieberdünste aushauchenden Sümpfen bedeckt, aus denen sich die Ruinen ehemaliger Städte erheben, oder völlige Steppe und Wüste, nur wandernde, wenig zahlreiche Stämme zu nähren fähig, dehnt sich aus an der Stelle ehemaliger Kulturlandschaften. Ist daher für die Kulturländer Mittel-Europas eine Zunahme der Wärme und eine Abnahme der Niederschläge oder wenigstens eine andere, ungleichmäßigere Verteilung beider wahrscheinlich, so muss dies in noch höherem Maße für das Mittelmeergebiet gelten, so dass man nicht ohne Grund die Frage hat aufwerfen können, ob diese Länder, namentlich die östlicheren, eines neuen Aufschwunges der Bodenkultur und damit überhaupt einer Regeneration fähig seien. Für den größten Teil derselben dürfte diese Frage unbedingt zu bejahen sein, denn wenn sich auch fast allenthalben eine größere Wasserarmut als im Altertum nachweisen lässt, wohl weniger auf einer Abnahme der Niederschläge überhaupt, als auf einer ungleichmäßigeren Verteilung derselben räumlich wie zeitlich, auf der Verwüstung der Wälder und Hinwegschwemmen der fruchtbaren Ackererde beruhend, so würden diese Übelstände mit den Hilfsmitteln der modernen Technik zu überwinden sein. jetzt in einzelnen Gegenden, sobald nur einigermaßen geordnete Zustände, Möglichkeit des Erwerbes und Sicherheit des Besitzes zurückgekehrt sind, die Bodenkultur sich ausdehnen. So zunächst in Griechenland, das lange Zeit als völlig abgewirtschaftet galt, nachdem der künstlich geschaffenen philhellenischen Begeisterung eine um so heftigere Ernüchterung gefolgt war. Eine sorgfältige naturwissenschaftliche Prüfung der klassischen Quellen hat ergeben, dass das Klima Griechenlands im Altertume die wesentlichen Züge der Jetztzeit trug, namentlich schon damals allenthalben Wassermangel vorhanden war. So ist denn auch nach Beseitigung der türkischen Gewaltherrschaft, trotz der furchtbaren Verwüstung des Landes, in welchem von Türken und Ägyptern systematisch auf Jahre hinaus jede Ernte durch Umhauen der Ölbäume und Weinreben unmöglich gemacht war, trotz der trostlosen politischen, zum Teil auch sozialen Zustände, an denen aber wesentlich diejenigen Schuld tragen, welche eine im Kriege verwilderte Nation, der durch langen Despotismus Auflehnung gegen Obrigkeit und Gesetz als patriotische Pflicht erschien, mit einer Konstitution beschenkten, langsam aber sicher ein sich jetzt immer rascher entwickelnder wirtschaftlicher Aufschwung eingetreten, welcher Jahr für Jahr dem Anbau weite Landstriche gewinnt und mit immer ertragreicheren Kulturgewächsen bebaut, die Jahrtausende hindurch nur Viehweide gewesen waren. Dem entsprechend hat sich die Bevölkerung in vierzig Jahren mehr als verdoppelt, trotz der großen Auswanderung.

Weit günstiger noch liegen die Verhältnisse in Sizilien, das ja auch in erster Linie unter den angeblich abgewirtschafteten Landschaften genannt zu werden pflegt und wo nur 1/10 des Bodens angebaut sein soll. Wie diese ca. 50 Quadrat-Meilen angebauten Landes, bei völligem Mangel an Industrie und verhältnismäßig geringem Handel, aber im Stande wären, eine Bevölkerung von jetzt mehr als 2.700.000 zu ernähren, darüber klären uns die Anhänger dieser Theorie nicht auf. Ich habe an einer anderen Stelle nachgewiesen*), dass heute die Bevölkerung beinahe wieder die Zahl der besten Zeit des Altertums erreicht hat und die Fruchtbarkeit, was den Ertrag der Weizenfelder anlangt, noch heute mindestens der des Altertums gleich kommt, ja der Ertrag der Bodenkultur jetzt, wo man weit kostbarere Gewächse in immer größerer Ausdehnung baut, ein sehr viel größerer ist als jemals, dass aber auch schon im Altertum die eigentümliche Vegetationsform der Maquis, die aber jetzt gerade in Sizilien außerordentlich eingeschränkt ist, vorhanden war. Allerdings ist eine Wasserabnahme seit dem Altertume, noch mehr aber seit dem Mittelalter unleugbar, von zahlreichen Flüssen, die heute ganz unbedeutend sind und zum Teil im Sommer versiegen, konnte ich namentlich an der Hand arabischer Quellen nachweisen, dass sie noch im Mittelalter wasserreicher, ja schiffbar waren. Dennoch ist diese Wasserabnahme nicht bedeutend genug, um den seit 1860 sich allenthalben geltend machenden Aufschwung nachhaltig zu hindern. Namentlich in Sizilien drängt sich unabweisbar die Überzeugung auf, dass auf den drei südlichen Halbinseln Europas und mit ihnen auch in Klein-Asien der Gang der Weltgeschichte das entscheidende Moment bei der jetzt bestehenden, im Orient noch immer wachsenden Verwahrlosung ist, dass sich nicht die Natur geändert hat und ändert, sondern die Menschen.

*) Beiträge zur phys. Geogr. der Mittelmeerländer, S. 154 ff., und Geographical Magazine, March 1878.

Fischer, Theobald (1846-1810) deutscher Geograph

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