Zweite Fortsetzung

In dem Winter 1869–1870 durchforschten Palmer und Tyrwhitt Drake die Wüste Et Tih und den Dschebel Magrah, das Südland der Bibel, im Auftrage des Palestine Exploration Fund und fanden dort die volle Wüste, selten Vegetation, sehr selten Bäume, aber häufige Spuren ehemaligen Anbaues: in völlig wasserloser, aber Reste ehemaliger Brunnen enthaltender Gegend fanden sich Terrassen mit Spuren ehemaliger Rebenkultur und Ruinen von Städten aus christlicher Zeit, Seboita, die größte, deren Plan sich noch zeichnen lässt, Zephoth der Bibel, El Aujeh, Abdeh, das Eboda der Peutinger'schen Tafel und andere. Noch heute lebt unter den Arabern dieser Gegend die Erinnerung an die einstige Kultur, noch heute bezeichnen sie das wüste wasserlose Wady Hanein als das Tal der Gärten und eine andere Gegend als teleilat-el-ánab, als Rebenhügel*). Petra, wie Palmyra im Norden, in römischer Zeit ein großes Handelsemporium von wenigstens 40.000 Einwohnern, lag an einem stets fließenden Fluss, von dem Strabo und Plinius sprechen und über den zahlreiche Brücken führten, deren drei noch heute in ihren Ruinen erkennbar sind.

*) E. H. Palmer, The desert of the Exodus, I, p. 290 und II, p. 366.


Nicht einmal ein Araberdorf findet sich jetzt an der Stätte und die noch vorhandene Mosesquelle würde der anzunehmenden Bevölkerung nicht genügen, noch weniger ihren Herden. Die Quelle am Berge der Gesetzgebung, im Sinai, die so lange die Israeliten tränkte, würde jetzt nach Oscar Fraas kaum 2.000 Menschen täglich genügen. Fraas nimmt auch für Ägypten eine in historischer Zeit vor sich gegangene Klimaänderung an und unabhängig von ihm ist neuerdings Klunzinger, ein mit der Natur dieses Landes aus langjährigem Aufenthalte mehr wie ein anderer vertrauter Naturforscher zu derselben Anschauung gelangt. Klunzinger stützte sich dabei namentlich auf die Art und Weise der Entstehung der Scherm, der Lücken in den die Küste des Rothen Meeres umsäumenden Korallenriffen. Diese Lücken können hier wie anderwärts nur durch einströmende Süßwasser, welche die Korallen töteten oder am Bau hinderten, entstanden sein, dazu genügen aber die jetzt so selten einströmenden Süßwasserbäche nicht, sie sind kaum im Stande diese Lücken zu erhalten. Zu solcher Wirkung bedurfte es dauernd fließenden Wassers, wie solches auch die Anschwemmungen, Geröllanhäufungen und Auswaschungen der Felsen anzunehmen zwingen, während jetzt etwa ein Mal im Jahre wenige Tage lang ein Bach das Rote Meer erreicht. Er schließt aus zahlreichen Spuren, dass die ägyptische Wüste einst viel belebter war. Dass auch Barka, einst mit blühenden griechischen Kolonien bedeckt, wenn auch heute noch fruchtbar und an der Abdachung zum Mittelmeere wohl noch ziemlich reichlich von den Winterregen benetzt, nicht im Stande sein würde, eine so dichte Bevölkerung zu ernähren wie im Altertume, das müssen wir aus einem Vergleich der jetzigen klimatischen Zustände mit denen des Altertums schließen. Quellen, die einst ihres Wasserreichtums wegen gepriesen wurden, fließen jetzt weit weniger wasserreich, so namentlich die Apolloquelle von Kyrene. Der größte Wasserlauf des Landes, der Wadi Temmimeh, der Aziris oder Palinurus der Alten, war einst ein lebendig dahinrauschender Fluss, jetzt hat er nach Barths Schilderung selbst in der Regenzeit nur unzusammenhängende grüne Lachen in seinem Bette und Pacho fand ihn Anfangs Dezember ganz trocken. Wie Barth empfing auch Rohlfs häufig den Eindruck, dass hier die Gegend weit trockener geworden sein müsse, als sie im Altertume war. Von den Oasen der Libyschen Wüste, wenigstens Beharieh, meint Ascherson schließen zu müssen, dass sie einst wasserreicher war.

Zahlreich sind die Zeugnisse dafür, dass im Westen die Austrocknung und die Wüstenbildung der Sahara eine in historischer Zeit stetig fortschreitende gewesen ist, so dass sich uns die Anschauung aufdrängen muss, dass die Verödung der im Altertume und noch im Mittelalter so blühenden Landschaften am Nordrande Afrikas nicht lediglich historischen Vorgängen, der Herrschaft der Türken und zum Teil des Islam, zuzuschreiben ist, sondern meteorologischen Vorgängen, deren Wirkungen der Mensch nur ausnahmsweise und nur an begünstigteren Örtlichkeiten unschädlich zu machen vermag. Henri Duveyrier berichtet uns, dass in der algerischen Sahara die Bevölkerung die Erinnerung an die Zeit bewahrt habe, wo der Chott es Selâm mit Wasser bedeckt war, nämlich zur Zeit der Eroberung durch die Araber. Seitdem ist er ausgetrocknet und dieselben Araber versichern, dass er wenigstens seit 100 Jahren nicht mehr gefüllt war . In der Oase Hodna, die jetzt durch die zahlreich und tief gebohrten, artesischen Brunnen wieder zu erblühen anfängt, finden sich in bisher fast völlig wasserloser Gegend Ruinen von Ortschaften, Landgütern, Reste von Wasserbauten, Dämmen und Reservoiren aus römischer Zeit, die eben so wohl für eine höhere Kultur als größeren Wasserreichtum sprechen. Der jetzigen Wasserarmut der Flüsse des Atlasgebietes gedachten wir schon früher, sogar die Flüsse von Marokko, die im Altertume als groß und schiffbar geschildert werden, versiegen jetzt nach Beaumier im Sommer fast sämtlich. Dass die Waldverwüstung auch dazu viel beigetragen hat, ist unzweifelhaft. Namentlich die Araber als ein Hirtenvolk brannten die Wälder in Algerien nieder, um Weidegründe zu haben, wie sie noch heute in Algerien, bald in die Berge, bald in die tiefer gelegenen Gegenden und an die Meeresküste mit ihren Herden wandern, je nach der Jahreszeit und so das Wiederaufkommen von Wald hindern. Auch die mit der französischen Besitznahme eingetretene größere Sicherheit hat die Wälder, welche früher die Dörfer feindlicher Stämme trennten, zu Gunsten des Ackerbaus verschwinden lassen. Die kahlen am Tage sich stark erhitzenden Höhen der Berge sind weit weniger im Stande, die vom Mittelmeere heranziehenden Wasserdämpfe zu verdichten. Die französischen Kolonisten trieben es zum Teil noch ärger als die Eingeborenen, indem sie auch ihrerseits, um rasche Ernten zu haben, die Wälder niederbrannten. Selbst in den höchsten Gebirgen sind die Wälder nur noch teilweise erhalten, im Dschebel Dscherdschera sind sie bis auf den Wald von Akfadu am östlichen Abfalle völlig verschwunden, während noch Ibn Khaldun in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts angibt, dass die Gebirge Kabyliens so bewaldet waren, dass der Reisende darin den Weg verlor. Die in Algerien noch vorhandenen Wälder lassen in ihrer Verbreitung deutlich ihre Abhängigkeit von der Menge der Niederschläge erkennen, denn sie finden sich nur an der mediterranen Abdachung der beiden Parallelketten des Atlassystems, während die innere Abdachung nur Steppenvegetation hervorbringt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches V. Zur Geschichte des Klimas der Mittelmeerländer.