Dritte Fortsetzung

Weitere Beweise für zunehmende Trockenheit liefert uns das Verschwinden großer Säugetiere in Nord-Afrika und die Einführung des Kameles, das wir auf den ältesten ägyptischen Denkmälern vergebens suchen, wie es auch auf den marokkanischen Skulpturen fehlt. Letzteres, anscheinend für eine ungeheure Wüste wie die Sahara eigens geschaffen, um dieselbe dem Verkehr nicht völlig zu verschließen, ist erst in dem Jahrhundert um Beginn unserer Zeitrechnung in Nord-Afrika, westlich von Ägypten, eingeführt worden, hat sich zwar sehr rasch dort verbreitet und vermehrt, aber zur größten Blüte der Mittelmeerlandschaften Afrikas hat das Kamel nicht beigetragen. Noch Polybius kennt wohl die Elefanten der Karthager, erwähnt aber nicht der Kamele, erst Cäsar nahm Juba 22 Kamele ab, was als auffallend besonders angeführt wird; aber schon im vierten Jahrhundert gab es ihrer in Tripolitanien Tausende und im Vandalenkriege waren die Mauren im Besitz von Kamelen. Während jetzt Handelsverkehr durch die Sahara ohne dieses Tier undenkbar wäre, wissen wir, dass die im Süden von Barka wohnenden Asbyten durch ihre Rossezucht bekannt waren und die Garamanten, die Bewohner der Oase Fezzan, ihre Raubzüge mit Viergespannen unternahmen und mit Wagen und Pferden wohl auch die Verbindung mit dem Sudan unterhielten *). Auf Zugkarren transportierten die Nomaden Nord-Afrikas im Altertume ihre Habe **). Auch die merkwürdige Expedition des Julius Maternus, im neunten Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung nach dem Lande Agesymba, mögen wir darin transsaharische Gegenden oder die Oase Asben sehen, wurde wahrscheinlich ohne das Kamel unternommen. Damals also waren Reisen durch die Wüste ohne dieses Tier möglich und man kann aus seiner späteren Einführung von Ägypten her schließen, dass es nicht so unentbehrlich war wie heute. Namentlich die Phöniker, welche Arabien, wohl dem Mutterlande dieses nützlichen Tieres, so nahe wohnten und deren Nachbaren, die Hebräer, schon in den ältesten Zeiten große Kamelherden hatten, bedienten sich des Kameles für ihren Karawanenhandel nach Assyrien und dem Rothen Meere und würden es schon früh in ihre karthagische Kolonie eingeführt haben, wenn es dort von wesentlichem Nutzen hätte sein können, wie ja auch die Bewohner der Nil-Oase das Kamel, das sie sehr früh durch den Verkehr mit Hebräern und Arabern kennen lernten, erst sehr spät, wohl aus denselben Gründen und in Ober-Ägypten für den Verkehr zwischen dem Niltale und den Häfen des Rothen Meeres eher eingeführt haben als im Delta. Dagegen sehen wir, dass sich die Karthager mit dem Fang und der Abrichtung der Elefanten zu Kriegszwecken beschäftigten, was die Phöniker jedenfalls zuerst in Indien kennen gelernt hatten. Das Kamel war also damals, so müssen wir schließen, dem Atlasgebiet durchaus entbehrlich, das Atlasgebiet war ein Land der Elefanten, nicht des Kameles, wie ja noch heute die Verbreitung des Elefanten in Asien wie in Afrika, wesentlich aus klimatischen Gründen, die des Kameles ausschließt; wo im oberen Nilgebiet der Elefant auftritt, geht das Kamel bei aller Pflege zu Grunde oder wird leistungsunfähig.

Nur den Karthagern unter allen Bewohnern Afrikas ist die Zähmung des afrikanischen Elefanten gelungen. Dass die Karthager ihre Kriegselefanten in ihrem Hinterlande einfingen, wissen wir aus zahlreichen Berichten, namentlich in Marokko scheinen dieselben nach dem Zeugnisse des Herodot und Plinius ***) zahlreich gewesen zu sein. Auch Rhinoceronten gab es dort wahrscheinlich, während es jetzt so wohl an Nahrung wie an den andauernden, tiefen Süßwassern für letztere Dickhäuter fehlen würde. Krokodile waren in den Flüssen Nord-Afrikas im Altertume nicht selten, ein afrikanischer Naturforscher des Altertums, König Juba von Numidien, hatte eines im Fluss Niger oder Nigris, der aus einem See des nördlichen Mauretaniens kam, fangen lassen und bewahrte es zu Caesarea (Cherchel) im Ibistempel auf. Das Vorkommen des Krokodils in diesem See und Fluss trug dazu bei, ihn mit dem Nil zu identifizieren. Es ist der Wed-el-Djedi, in welchem neuerdings von Aucapitaine ihr Vorkommen noch jetzt nachgewiesen ist, wie ganz kürzlich Edwin von Bary dasselbe für die Gewässer des Plateau von Tassili sehr wahrscheinlich gemacht hat. Auch Vitruv erwähnt Krokodile in Mauretanien.


*) Vergl. namentl. Herodot IV, c. 170 u. 183.
**) Vergl. Plinius V., c. 2.
***) Herodot IV, 191, und Plinius V, 1, VIII, 11.


Auf den kürzlich von Rabbi Mardochai im südwestlichen Marokko entdeckten alten, höchst interessanten Skulpturen sind neben dem noch heute dort vorkommenden Strauß und dem Pferd, Elefanten, Rhinoceronten und Giraffen dargestellt, in höchst primitiver Weise, aber doch so, dass der Künstler die Tiere offenbar vor Augen gehabt haben muss. Dass diese Tiere also im Altertume im Atlasgebiete verbreitet waren, scheint festzustehen, unwahrscheinlich aber ist, dass sie nur durch den Menschen, bei sonst unveränderten Lebensbedingungen, ausgerottet worden seien, denn in Indien ist dies in dicht bevölkerten Gegenden nicht gelungen. Es waren also einstmals diese großen Dickhäuter und mit ihnen wohl viele andere Tiere über einen weit größeren Teil von Afrika verbreitet wie jetzt und die Sahara bildete nicht wie jetzt eine unübersteigliche Scheidewand, Nord-Afrika war nicht in dem Maße wie jetzt tiergeographisch als ein Zubehör von Europa zu betrachten. Wir hätten also hier ein Beispiel vor uns, wie eine ganze Reihe hochentwickelter Tiere in einem Teile ihres natürlichen Verbreitungsgebietes ausgestorben ist, und als Haupt-, wenn auch nicht einzige Ursache dieser Erscheinung, haben wir eine Änderung des Klimas in historischer Zeit anzusehen; eine Abnahme der Niederschläge nicht nur im ganzen Bereiche der Sahara, sondern auch Nord-Afrikas, ein Schluss, zu welchem auch Henri Duveyrier gelangt. Sollen sich diese Tiere einst aus ihrem jetzigen Verbreitungsgebiete im zentralen Afrika so weit nach Norden verbreitet haben, so durfte die Sahara nicht in ihrer jetzigen Ausdehnung und Intensität vorhanden sein, es musste durch Landschaften reicherer Bewässerung und reichlichen Graswuchses eine Brücke zwischen dem Nigergebiete und den Atlasländern geschlagen sein; sobald diese Brücke abgebrochen war, waren die im Norden verbreiteten Tierarten, von der Masse ihrer Artgenossen abgeschnitten, auf den Aussterbe-Etat gestellt!). Bedeutungslos ist es dabei, ob all' diese großen Tiere, die anscheinend für Afrika so charakteristisch sind, in dem damals noch nicht mit dem übrigen Afrika landfest verbundenen Nord-Afrika früher verbreitet waren wie dort, wie es Wallace wahrscheinlich macht, und erst verhältnismäßig spät dorthin eingewandert seien, da dies in eine frühere Periode, etwa in die Mitte der Miocänzeit fallen würde, wir es aber hier nur mit der Jetztzeit, ja mit der historischen Zeit zu tun haben. Dass auch geologische Gründe, namentlich die Bildung der zahlreichen tiefen Flusstäler und Flussbetten zur Annahme größerer Niederschlagsmengen nötigen, will ich nur erwähnen. An Bezeichnungen jetzt trockener Flussbetten als fließender Gewässer fehlt es ja nirgends in der Sahara. Wir sind also zu der Annahme gezwungen, dass in den südlichen Mittelmeergebieten, südlich vom 34. Parallel, gegen die Sahara hin und in dieser selbst die Wüstenbildung in historischer Zeit beständig im Fortschreiten begriffen ist.

*) Interessant ist die Schilderung der Wüste bei Herodot, II, 32, der hinter dem bewohnten Nordrande einen breiten besonders tierreichen Gürtel und dahinter erst die wasserlose Wüste unterscheidet.

Dieselbe Erscheinung wiederholt sich nun, wie ich schon früher mit freilich noch ziemlich mangelhaften Belegstücken zu beweisen suchte, überall an der Äquatorialgrenze der subtropischen Zone; in Kalifornien wäre neuerdings noch das bedeutende und anscheinend kontinuierliche Zurückweichen der Gletscher an den mächtigen Vulkanen der Cascade Range anzuführen. In Australien fehlen alle historischen Zeugnisse, es ist aber auch dort die an der Äquatorialgrenze der subtropischen Gebiete überall wiederkehrende Erscheinung außerordentlicher Unregelmäßigkeit der Niederschläge, gelegentliches Eintreten langer Dürreperioden vorhanden. Ich habe als allgemeine Ursache dieser Klimaänderung hinzustellen gesucht eine allgemeine Verschiebung der Zone, in welcher der rückläufige Passat sich zur Oberfläche der Erde herabsenkt gegen die Pole hin, eine Veränderung im Regime der Winde. Ich benutzte dabei den von Rohlfs berichteten merkwürdigen Vorgang des anscheinend siegreichen Vorrückens der tropischen Regen des Sudan und mit ihnen die sich abstufende Wald- und Steppenvegetation gegen die Sahara hin. Ich möchte hier noch weiter auf die auffallende Erscheinung hinweisen, dass an der Polargrenze der subtropischen Zone der Alten Welt, wie Nord-Amerikas, zwei große Seen, der Große Salzsee und der Wansee kontinuierlich im raschen Wachsen begriffen sind, ohne dass sich eine andere Ursache als eine Zunahme der Niederschläge in ihren Becken dafür finden ließe. Namentlich letzterer ist nach O. Blau so rasch im Wachsen, dass ehemalige Dörfer unter dem Spiegel des Sees begraben sind und die Stadt Erdjisch nahe an den See herangerückt und bereits halb überschwemmt ist.

Die ganze Frage ist indessen eine so große und schwierige, noch so fern von jeder Lösung, dass ich mich begnüge auf dieselbe hingewiesen zu haben. Weitere Forschungen werden meine Hypothese bestätigen oder umstoßen, sie wird aber wissenschaftlich förderlich gewesen sein, wenn sie zu weiteren Forschungen angeregt hat.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches V. Zur Geschichte des Klimas der Mittelmeerländer.