Erste Fortsetzung

Anders gestalten sich aber die Verhältnisse weiter im Süden, südwärts vom 34. Parallel, wo die Niederschläge sich auf wenig mehr als 4 Monate konzentrieren, die Niederschlagsmenge bereits eine sehr geringe ist. Dort lässt sich in vielen Gegenden ganz direkt und mit zwingender Kraft nachweisen, dass seit dem Altertum eine bedeutende Abnahme der Niederschläge Statt gefunden hat und anscheinend in neuester Zeit so rasch Statt findet, dass ausgedehnte Landstriche für eine sesshafte Bevölkerung unbewohnbar geworden sind. Und diese Erscheinung einer völligen Klimaänderung in Folge zunehmender Trockenheit gewinnt ein um so größeres Interesse, als dieselbe überall dort Statt zu finden scheint, wo die entsprechenden klimatischen Verhältnisse wiederkehren, die subtropische Zone an ihrer Äquatorialgrenze in ein regenloses oder regenarmes Wüsten- oder Steppengebiet übergeht, so dass wir also darin nicht einen lokalen, sondern einen allgemein tellurischen Vorgang zu sehen haben*).

Zunächst für Klein-Asien gilt eine Klimaänderung in diesem Sinne wohl weniger, obwohl dort auf dem zentralen Hochlande sich weite Steppengegenden ausbreiten, die heute nur Nomaden zu nähren im Stande sind, während sie im Altertume wenigstens zum Teil von einer dichten in Städten angesiedelten Bevölkerung bewohnt waren. Auch weist Tchihatcheff, der gründlichste Kenner dieses Landes, nach, dass große Strecken selbst des zentralen Hochlandes einst bewaldet waren **) und dass namentlich seit dem zwölften Jahrhundert hier die Hirtenvölker gewütet haben. Tchihatcheff schließt, dass das Klima Klein-Asiens seit dem Altertume wärmer, extremer und trockener geworden sei. Gewichtigere Zeugnisse für eine Klimaänderung stoßen uns aber schon in Syrien auf. So zunächst machen die neueren Schilderungen der jetzigen Bewässerungsverhältnisse der Oase von Palmyra eine solche ganz unzweifelhaft. Palmyra war vor der Zerstörung durch Aurelian eine Stadt von mehreren hunderttausend Einwohnern, deren fruchtbaren Boden und angenehme Gewässer Plinius rühmt, während Ptolemaios eines daran vorbeifließenden Flusses, ähnlich dem Chrysorrhoas von Damaskus gedenkt. Auch Prokop und arabische Schriftsteller des zehnten und zwölften Jahrhunderts sprechen von der Wasserfülle und den fließenden Gewässern, den Obstpflanzungen und Ackerfeldern der Oase. Nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts jedoch fand der englische Reisende Wood nur noch zwei sehr kleine aber andauernde Wasserfäden, die aber heißes Schwefelwasser enthielten und spätere Reisende sprechen nur von der Wasserarmut der Gegend.


*) Ich habe diese Tatsache zuerst einer näheren Untersuchung unterzogen in einer ohne Namensunterzeichnung im Auslande, Jahrgang 1877, S. 891–94, erschienenen Abhandlung: Über Klimaänderungen an der Äquatorialgrenze der subtropischen Regenzone. Ich muss meine Urheberschaft jener Abhandlung hier hervorheben, da die dort niedergelegten Ideen zum Teil durchaus neue sind und ich eine ganze Seite jener Abhandlung in einer im Juli 1878 in derselben Zeitschrift, S. 595 u. 596, erschienenen Abhandlung über die Sahara und das Saharameer wörtlich abgedruckt gefunden habe, ohne dass es dem ungenannten Verfasser jener Abhandlung beliebt hätte, jene Idee als nicht eigene zu kennzeichnen. Ich muss dies um so mehr betonen, als Fachgenossen, denen ich jene Ideen mitgeteilt hatte, sonst glauben könnten, ich sei der Autor auch dieser Abhandlung, wogegen ich mich streng verwahren möchte. Eben so finde ich den wichtigsten Teil jener Abhandlung, eine halbe Druckseite groß Octav, ohne Andeutung, dass hier fremdes Eigentum wörtlich zitiert wird, wieder abgedruckt in dem Werke von Joseph Chavanne, die Sahara, S. 627.
**) Asie Mineure II, p. 536.


Genauere Aufschlüsse hat uns die Cernik'sche Expedition vom Winter 1872–1873 gebracht. Dieselbe fand zwischen dem Tale des El Asy bei Homs und dem des Euphrat bei Deir nur wenige, meist ungenießbare Quellen, obwohl es in der Regenzeit war, stieß aber auf größere Ruinenkomplexe, Es Sebil genannt, die einer bedeutenderen Niederlassung anzugehören schienen. Spuren ehemaliger Kultur, Ruinenhügel, gemauerte Terrassen, zeigten sich allenthalben, und in völliger Wüste stieß Cernik auf mehr als zwanzig mächtige Ölpressen aus schweren Basaltplatten, einem Gestein, das in jener Gegend nicht vorkommt. Nirgends aber war weit und breit ein Ölbaum anzutreffen, ein so zähes Leben dieser Baum auch hat und ein so hohes Alter er auch zu erreichen pflegt. Von Ef Ferklus, einer Stätte ehemaliger Kultur, wo aber jetzt selbst im Winter nur eine widerliche Pfütze zu finden war, war bis Têdmur eine Strecke von 24 Wegestunden zurückzulegen, „ohne dass man nur auf einen Tropfen Wasser stieße, und dennoch begegnete man auch auf dieser Strecke allenthalben Ruinen, Terrassen und baulichen Fragmenten*). In Têdmur selbst bewässert heute nur noch ein kleines Quellbächlein, das unter einem antiken Gewölbe hervorkommt und vielleicht von einem tiefen Brunnen 1/2 Meile nordwestlich hergeleitet ist, einen Palmengarten und die Durrahpflanzungen der jetzt 800 Bewohner. „Sollte einst diese letzte Wasserader versiegen, schließt Cernik, so werden auch diese spärlichen Spuren des Lebens verschwinden, die Bewohner auswandern, und neue Ruinen in den alten entstehen". Ähnlich ist Palästina wasserärmer geworden, Bäche, die einst beständig flossen, sind jetzt trockene Wasserbetten, Wälder standen in Gegenden, wo jetzt zu geringer Wasservorrat keinen Baumwuchs mehr erlaubt und es ist bekannt, wie oft jetzt die Ernten durch Dürreperioden verloren gehen, deren allerdings auch im Altertume hier und da Erwähnung geschieht. Zu ähnlichen Schlüssen kommt auch ein gründlicher Kenner freilich nur des West-Jordanlandes, Lieutenant Conder, mit dem wir ganz darin übereinstimmen, dass im West-Jordanlande bei Beseitigung der Misswirtschaft fast noch überall hohe Bodenkultur möglich sei**). Aus den Gegenden des südlichen Palästina, in der Landschaft zwischen Palästina und dem Sinai, mehren sich die historischen Zeugnisse. Dort lebten die Israeliten in der jetzigen Wüste Et Tih mit ihren Herden Jahrzehnte lang, in einer Gegend, wo jetzt an einem Tage alles Wasser ausgetrunken, alles Gras abgeweidet werden würde und wo nur etwa 4.000 Araber mit ihren Herden, um die Quellen und Weideplätze in beständigem Hader, ihren Unterhalt finden.

*) Petermanns Mitteilungen, Ergänzungsheft Nr. 44, S. 9 u. 11.
**) Palestine Exploration Fund, Quarterly Statement 1876, p. 120 ff., bes. p. 132.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches V. Zur Geschichte des Klimas der Mittelmeerländer.