Russland. I. Teil. Geistesleben, Kunst, Philosophie, Literatur
Autor: Herausgegeben von Dr. Vera Erismann-Stepanowa und Dr. Th. Erismann und J. Matthieu, Erscheinungsjahr: 1919
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Russen, Osteuropäer, Westeuropäer, Europa, Westeuropa, Osteuropa, asiatische Bevölkerung, Geistesleben, Hörensagen, Zeitungsnotiz, Volksseele, Künstler, Kulturgüter, Nationen, Geschichte, Religion, Dichter, Volk, Heimat, Literatur,
Unter Mitwirkung von: Bjelokonski, Fedorow, S. Glagol, Kononow, Lossew, Melgunow, Oettli-Kripitschnikowa, Rosanow, Rumjamzew, Ssiwkow, J. Ssokolow, B. Ssokolow, Stepanow, P. Stepanowa u.a.
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung.
Das Sammelwerk „Russland“ ist ein Resultat der gemeinsamen Arbeit einer Reihe russischer Schriftsteller. Die Herausgeber des Werkes haben sich bemüht, in demselben Aufsätze zu vereinigen, die mit wissenschaftlicher Objektivität die verschiedenen Seiten des geistigen Lebens und Schaffens des russischen Volkes, den politischen Bau, die sozialen Bewegungen und das gesellschaftliche Leben Russlands in ein möglichst klares Licht rücken.
Im ersten Teile des Werkes, der dem geistigen Leben Russlands gewidmet ist, sind folgende Aufsätze enthalten:
01. Die russische Kunst (V. Erismann).
02. Die russische Musik (I. Stepanow).
03. Die russische Philosophie (A. Lossew).
04. Die Ideologie der orthodox-russischen Religion (A. Lossew).
05. Alexander Puschkin und der Anfang der modernen russischen Literatur (V. Erismann).
06. Die Bedeutung der russischen Literatur (J. Matthieu).
07. Die Geschichte der russischen Literatur (I. Rosanow).
08. Die russische Volkspoesie. Das Märchen (J. Ssokolow).
09. Das Volksepos (B. Ssokolow).
10. Die moderne russische Literatur (I. Rosanow).
11. Das Theater in Russland (S. Glagol).
Der zweite Teil des Buches behandelt den politischen Bau, die sozialen Bewegungen und das gesellschaftliche Leben Russlands und umfasst folgende Aufsätze:
1. Die vier Perioden der russischen Geschichte (L. Stepanow).
2. Staat und Kirche in Russland und religiöse Bewegungen auf russischem Boden (S. Melgunow).
3. Der russische Bauer (I. Bjelokonski).
4. Das Semstwo (I. Bjelokonski).
Vorwort
Russland ist dasjenige Land Europas, dessen Verständnis für den Westeuropäer die größten Schwierigkeiten bietet. Und in der Tat ist Russland für Westeuropa immer noch der „große Unbekannte“ von dem man in der letzten Zeit die größten Überraschungen erfahren hat, dessen innerem Verständnis man dadurch aber nicht näher gekommen ist. Es bleibt das Land der großen Möglichkeiten, mit noch vor kurzer Zeit beinahe orientalisch-dynastischen, bald darauf schon sozialistisch-demokratischen Formen seiner äußeren Gestaltung, mit einem in geheimnisvolles Dunkel gehüllten, dem nichtrussischen Auge meistens unerfassbaren inneren Leben. Und mancher Westeuropäer mag sich zweifelnd die Frage vorgelegt haben: ja, gibt es denn in diesem immensen Reich mit seinen endlosen Flächen, seiner zum Teil asiatischen Bevölkerung, seinen noch vor kurzem ans Orientalische grenzenden Sitten und Gebräuchen, gibt es da, in der Tiefe, etwas, was der Westeuropäer als inneres Kulturleben zu bezeichnen gewohnt ist?
Die kulturell-wirtschaftliche Rückständigkeit Russlands, seine räumliche Entfernung und vor allem die schwer zu erlernende, an sich überaus reiche und ausdrucksvolle russische Sprache bilden ein für den Ausländer beim Eindringen ins innere Leben des russischen Volkes schwer zu überwindendes Hindernis. Keines der anderen großen Länder Europas ist bis in unsere Zeit hinein vom geistigen und materiellen Verkehr mit den übrigen Staaten so weitgehend abgeschlossen geblieben wie gerade Russland. Einmal erschlossen, nach innen und außen zur freien Entwicklung gelangt, kann jedoch vielleicht kein anderes Volk so stark befruchtend auf die westeuropäische Kultur einwirken wie gerade das Volk der Russen, dessen Geistesleben in mancher Hinsicht andere Wege, als die in Westeuropa üblichen, eingeschlagen hat, dessen Entwicklung zwar in mancher Beziehung weit hinter dem übrigen Europa zurückgeblieben ist, dessen geistige Kräfte aber in der zukünftigen Entwicklung Europas zweifelsohne eine bedeutsame Rolle zu spielen berufen sind. Dass Russland solche zum Teil schon zur Tat gewordene, zum Teil noch latente Kräfte in sich birgt, erkennt jeder klarblickende Ausländer, der in langjähriger inniger Beziehung zum russischen Volk gestanden hat. Ihre Kenntnis weiteren Kreisen des gebildeten Publikums zugänglich zu machen, die Eigenart des russischen Volkes, seine Vorzüge und nicht weniger seine Schattenseiten demjenigen zu enthüllen, der sich nicht damit begnügen will, das große Volk vom Hörensagen, aus Zeitungsnotizen und Dritterhand-Berichten kennen zu lernen, die tieferen Grundlagen der russischen Volksseele dem wohlwollenden Blick des Nichtrussen zu erschließen, — dies ist die allgemeine Aufgabe, die sich das vorliegende Buch stellt.
Die Redaktion sucht dieses Ziel auf einem sonst nicht gerade üblichen Weg zu erreichen, — es seien hierüber noch einige Bemerkungen gestattet. Auf verschiedene Weise können wir zur Berührung mit der Seele eines uns zunächst fremden Volkes gelangen. Der sicherste, jedoch nur wenigen Menschen offenstehende Weg ist natürlich derjenige der unmittelbaren Berührung mit den fremden Völkern, in deren Mitte man Gelegenheit hat, sich längere Zeit hindurch aufzuhalten, mit deren Vertretern man in einen innigen psychischen Kontakt tritt. Während der Kriegszeit und vielleicht noch für geraume Zeit nach Abschluss dieses gewaltigen Krieges ist jedoch dieser Weg des unmittelbaren Kennenlernens fremder Völker ungangbar geworden. Diese Tatsache lässt sich beklagen, sie lässt sich jedoch nicht leugnen. Ein anderes Band blieb aber auch während der äußeren Trennung zwischen den Völkern bestehen, das vielleicht am ehesten dazu geeignet sein wird, die tiefe Kluft des gegenseitigen Missverstehens zu überbrücken: jene stolze Brücke, welche die größten Geister der Nationen von Volk zu Volk geschlagen haben und die sich auch dann noch unverändert erhält, wenn die materiellen Bande zwischen den Völkern zu reißen drohen. Die durch das Volk und dessen führende Geister geschaffenen Kulturgüter bleiben in der Regel nicht beschränkt auf das Land und die Zeit, da sie entstanden sind: nicht nur der alles teilende Raum, selbst die das individuelle Sein auseinanderzerrende und vernichtende Zeit wird durch den weitgespannten Bogen des Kulturzusammenhanges der Menschheit überbrückt und ihres trennenden und löschenden Einflusses weitgehend beraubt. Unter diesen von Geistessehern, Denkern und Künstlern geschaffenen Kulturgütern gibt es kaum eines, welches die Vermittlung von Volk zu Volk so umfassend und innig zu gestalten vermöchte, wie es das vom Dichter geprägte Wort vermag. Homer, Sophokles, Tacitus, Dante, Shakespeare, Molière, Goethe, Dostojewskij und Tolstoj, sie alle, so allgemeinmenschlich und über der Zeit stehend ihr Schaffen auch sein mag, schaffen aus ihrer Zeit, aus dem tiefsten Innern ihres eigenen Volkes heraus. Und ihre Werke tragen die Spuren der Volksseele, aus der sie geboren wurden, an sich und verkünden ihre Tiefe und Eigenart von Volk zu Volk, von Zeit zu Zeit.
Zweifellos ist neben der Geschichte, der Religion und der Philosophie eines Volkes seine Kunst dasjenige Medium, in welchem sich die Seele des Volkes am abgeklärtesten und zugleich auch am tiefsten spiegelt. Ihr kommt es zu, aus den innersten Regungen der Volksseele zu fließen und dieselben durch die äußerlich fassbare Gestaltung des Kunstwerkes der Menschheit, — ihrem volksverwandten so gut wie ihrem volksfremden Teil, — zu offenbaren. Auch in dieser Beziehung befindet sich das russische Volk in einer von allen großen europäischen Völkern abweichenden Lage: seine Kunst ist in Westeuropa kaum besser bekannt als seine Religion und seine Philosophie es sind, und es sind zum größten Teil die gleichen Ursachen dafür verantwortlich, die wir schon früher für die allgemeine Abgeschiedenheit Russlands genannt haben. Nur eine Art der Schöpfungen russischer Künstler ist Westeuropa, dank der großen technischen Leichtigkeit ihrer Verbreitung, allgemeiner bekannt geworden: das geschriebene Wort, die Werke großer russischer Schriftsteller. Zwar steht auch hier die Verschiedenheit der Sprachen als ein häufig schwer, manchmal gar nicht zu überwindendes Hindernis dem Verkehr des westeuropäischen Lesers mit dem russischen Dichter im Wege, — so gibt es z. B. noch keine Übersetzung der beiden großen russischen Dichter Puschkin und Lermontow, die dem Original auch nur annähernd adäquat wäre. Immerhin bleibt auch nach der Übersetzung wenn sie nur berechtigten Ansprüchen halbwegs genügt so Vieles und Großes in den Werken hervorragender russischer Schriftsteller bestehen, dass ihr Wirken dem gebildeten Westeuropäer nicht unbekannt bleiben konnte. Gewiss sind es nur einige Namen aus der glorreichen Reihe russischer Dichter, die dem Westeuropäer vertraut geworden sind, während viele andere noch auf ihre Entdeckung für Westeuropa warten müssen. Doch sind es trotzdem zweifellos gerade die russischen Dichter, die das eigentliche Verständnis Russlands dem Westeuropäer erschließen werden, denn in der russischen Literatur hat sich die Seele des russischen Volkes so tief wiedergespiegelt, wie dies nur in den Perioden der höchsten künstlerischen Entwicklung eines Volkes der Fall sein kann. Kein anderer Weg wird einen Westeuropäer, der mit Russland inniger bekannt zu werden wünscht, so sicher und so tief seinem Ziele entgegenführen können, als der über das eingehende Studium der großen russischen Literatur führende Weg, wenn auch der innere Gehalt der russischen Literatur weit über die Bedeutung eines Verständigungsmittels zwischen den Völkern reicht und sich durchaus im Allgemeinmenschlichen und Ewigen verliert. (Fortsetzung folgt)
Das Sammelwerk „Russland“ ist ein Resultat der gemeinsamen Arbeit einer Reihe russischer Schriftsteller. Die Herausgeber des Werkes haben sich bemüht, in demselben Aufsätze zu vereinigen, die mit wissenschaftlicher Objektivität die verschiedenen Seiten des geistigen Lebens und Schaffens des russischen Volkes, den politischen Bau, die sozialen Bewegungen und das gesellschaftliche Leben Russlands in ein möglichst klares Licht rücken.
Im ersten Teile des Werkes, der dem geistigen Leben Russlands gewidmet ist, sind folgende Aufsätze enthalten:
01. Die russische Kunst (V. Erismann).
02. Die russische Musik (I. Stepanow).
03. Die russische Philosophie (A. Lossew).
04. Die Ideologie der orthodox-russischen Religion (A. Lossew).
05. Alexander Puschkin und der Anfang der modernen russischen Literatur (V. Erismann).
06. Die Bedeutung der russischen Literatur (J. Matthieu).
07. Die Geschichte der russischen Literatur (I. Rosanow).
08. Die russische Volkspoesie. Das Märchen (J. Ssokolow).
09. Das Volksepos (B. Ssokolow).
10. Die moderne russische Literatur (I. Rosanow).
11. Das Theater in Russland (S. Glagol).
Der zweite Teil des Buches behandelt den politischen Bau, die sozialen Bewegungen und das gesellschaftliche Leben Russlands und umfasst folgende Aufsätze:
1. Die vier Perioden der russischen Geschichte (L. Stepanow).
2. Staat und Kirche in Russland und religiöse Bewegungen auf russischem Boden (S. Melgunow).
3. Der russische Bauer (I. Bjelokonski).
4. Das Semstwo (I. Bjelokonski).
Vorwort
Russland ist dasjenige Land Europas, dessen Verständnis für den Westeuropäer die größten Schwierigkeiten bietet. Und in der Tat ist Russland für Westeuropa immer noch der „große Unbekannte“ von dem man in der letzten Zeit die größten Überraschungen erfahren hat, dessen innerem Verständnis man dadurch aber nicht näher gekommen ist. Es bleibt das Land der großen Möglichkeiten, mit noch vor kurzer Zeit beinahe orientalisch-dynastischen, bald darauf schon sozialistisch-demokratischen Formen seiner äußeren Gestaltung, mit einem in geheimnisvolles Dunkel gehüllten, dem nichtrussischen Auge meistens unerfassbaren inneren Leben. Und mancher Westeuropäer mag sich zweifelnd die Frage vorgelegt haben: ja, gibt es denn in diesem immensen Reich mit seinen endlosen Flächen, seiner zum Teil asiatischen Bevölkerung, seinen noch vor kurzem ans Orientalische grenzenden Sitten und Gebräuchen, gibt es da, in der Tiefe, etwas, was der Westeuropäer als inneres Kulturleben zu bezeichnen gewohnt ist?
Die kulturell-wirtschaftliche Rückständigkeit Russlands, seine räumliche Entfernung und vor allem die schwer zu erlernende, an sich überaus reiche und ausdrucksvolle russische Sprache bilden ein für den Ausländer beim Eindringen ins innere Leben des russischen Volkes schwer zu überwindendes Hindernis. Keines der anderen großen Länder Europas ist bis in unsere Zeit hinein vom geistigen und materiellen Verkehr mit den übrigen Staaten so weitgehend abgeschlossen geblieben wie gerade Russland. Einmal erschlossen, nach innen und außen zur freien Entwicklung gelangt, kann jedoch vielleicht kein anderes Volk so stark befruchtend auf die westeuropäische Kultur einwirken wie gerade das Volk der Russen, dessen Geistesleben in mancher Hinsicht andere Wege, als die in Westeuropa üblichen, eingeschlagen hat, dessen Entwicklung zwar in mancher Beziehung weit hinter dem übrigen Europa zurückgeblieben ist, dessen geistige Kräfte aber in der zukünftigen Entwicklung Europas zweifelsohne eine bedeutsame Rolle zu spielen berufen sind. Dass Russland solche zum Teil schon zur Tat gewordene, zum Teil noch latente Kräfte in sich birgt, erkennt jeder klarblickende Ausländer, der in langjähriger inniger Beziehung zum russischen Volk gestanden hat. Ihre Kenntnis weiteren Kreisen des gebildeten Publikums zugänglich zu machen, die Eigenart des russischen Volkes, seine Vorzüge und nicht weniger seine Schattenseiten demjenigen zu enthüllen, der sich nicht damit begnügen will, das große Volk vom Hörensagen, aus Zeitungsnotizen und Dritterhand-Berichten kennen zu lernen, die tieferen Grundlagen der russischen Volksseele dem wohlwollenden Blick des Nichtrussen zu erschließen, — dies ist die allgemeine Aufgabe, die sich das vorliegende Buch stellt.
Die Redaktion sucht dieses Ziel auf einem sonst nicht gerade üblichen Weg zu erreichen, — es seien hierüber noch einige Bemerkungen gestattet. Auf verschiedene Weise können wir zur Berührung mit der Seele eines uns zunächst fremden Volkes gelangen. Der sicherste, jedoch nur wenigen Menschen offenstehende Weg ist natürlich derjenige der unmittelbaren Berührung mit den fremden Völkern, in deren Mitte man Gelegenheit hat, sich längere Zeit hindurch aufzuhalten, mit deren Vertretern man in einen innigen psychischen Kontakt tritt. Während der Kriegszeit und vielleicht noch für geraume Zeit nach Abschluss dieses gewaltigen Krieges ist jedoch dieser Weg des unmittelbaren Kennenlernens fremder Völker ungangbar geworden. Diese Tatsache lässt sich beklagen, sie lässt sich jedoch nicht leugnen. Ein anderes Band blieb aber auch während der äußeren Trennung zwischen den Völkern bestehen, das vielleicht am ehesten dazu geeignet sein wird, die tiefe Kluft des gegenseitigen Missverstehens zu überbrücken: jene stolze Brücke, welche die größten Geister der Nationen von Volk zu Volk geschlagen haben und die sich auch dann noch unverändert erhält, wenn die materiellen Bande zwischen den Völkern zu reißen drohen. Die durch das Volk und dessen führende Geister geschaffenen Kulturgüter bleiben in der Regel nicht beschränkt auf das Land und die Zeit, da sie entstanden sind: nicht nur der alles teilende Raum, selbst die das individuelle Sein auseinanderzerrende und vernichtende Zeit wird durch den weitgespannten Bogen des Kulturzusammenhanges der Menschheit überbrückt und ihres trennenden und löschenden Einflusses weitgehend beraubt. Unter diesen von Geistessehern, Denkern und Künstlern geschaffenen Kulturgütern gibt es kaum eines, welches die Vermittlung von Volk zu Volk so umfassend und innig zu gestalten vermöchte, wie es das vom Dichter geprägte Wort vermag. Homer, Sophokles, Tacitus, Dante, Shakespeare, Molière, Goethe, Dostojewskij und Tolstoj, sie alle, so allgemeinmenschlich und über der Zeit stehend ihr Schaffen auch sein mag, schaffen aus ihrer Zeit, aus dem tiefsten Innern ihres eigenen Volkes heraus. Und ihre Werke tragen die Spuren der Volksseele, aus der sie geboren wurden, an sich und verkünden ihre Tiefe und Eigenart von Volk zu Volk, von Zeit zu Zeit.
Zweifellos ist neben der Geschichte, der Religion und der Philosophie eines Volkes seine Kunst dasjenige Medium, in welchem sich die Seele des Volkes am abgeklärtesten und zugleich auch am tiefsten spiegelt. Ihr kommt es zu, aus den innersten Regungen der Volksseele zu fließen und dieselben durch die äußerlich fassbare Gestaltung des Kunstwerkes der Menschheit, — ihrem volksverwandten so gut wie ihrem volksfremden Teil, — zu offenbaren. Auch in dieser Beziehung befindet sich das russische Volk in einer von allen großen europäischen Völkern abweichenden Lage: seine Kunst ist in Westeuropa kaum besser bekannt als seine Religion und seine Philosophie es sind, und es sind zum größten Teil die gleichen Ursachen dafür verantwortlich, die wir schon früher für die allgemeine Abgeschiedenheit Russlands genannt haben. Nur eine Art der Schöpfungen russischer Künstler ist Westeuropa, dank der großen technischen Leichtigkeit ihrer Verbreitung, allgemeiner bekannt geworden: das geschriebene Wort, die Werke großer russischer Schriftsteller. Zwar steht auch hier die Verschiedenheit der Sprachen als ein häufig schwer, manchmal gar nicht zu überwindendes Hindernis dem Verkehr des westeuropäischen Lesers mit dem russischen Dichter im Wege, — so gibt es z. B. noch keine Übersetzung der beiden großen russischen Dichter Puschkin und Lermontow, die dem Original auch nur annähernd adäquat wäre. Immerhin bleibt auch nach der Übersetzung wenn sie nur berechtigten Ansprüchen halbwegs genügt so Vieles und Großes in den Werken hervorragender russischer Schriftsteller bestehen, dass ihr Wirken dem gebildeten Westeuropäer nicht unbekannt bleiben konnte. Gewiss sind es nur einige Namen aus der glorreichen Reihe russischer Dichter, die dem Westeuropäer vertraut geworden sind, während viele andere noch auf ihre Entdeckung für Westeuropa warten müssen. Doch sind es trotzdem zweifellos gerade die russischen Dichter, die das eigentliche Verständnis Russlands dem Westeuropäer erschließen werden, denn in der russischen Literatur hat sich die Seele des russischen Volkes so tief wiedergespiegelt, wie dies nur in den Perioden der höchsten künstlerischen Entwicklung eines Volkes der Fall sein kann. Kein anderer Weg wird einen Westeuropäer, der mit Russland inniger bekannt zu werden wünscht, so sicher und so tief seinem Ziele entgegenführen können, als der über das eingehende Studium der großen russischen Literatur führende Weg, wenn auch der innere Gehalt der russischen Literatur weit über die Bedeutung eines Verständigungsmittels zwischen den Völkern reicht und sich durchaus im Allgemeinmenschlichen und Ewigen verliert. (Fortsetzung folgt)
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