Erstens. - Preußische Stimmen. - Die Denkschrift eines ungenannten preußischen Diplomaten über die Politik Preußens ...

I. Preußische Stimmen

Die Denkschrift eines ungenannten preußischen Diplomaten über die Politik Preußens in bezug auf Deutschland enthält unter andern folgendes:


Preußen muß suchen: „Einmal gemeinschaftlich mit Österreich dahinzuarbeiten, daß die nächste europäische Krise Deutschland soviel als möglich einig und bewaffnet finde.

Ferner dabei, doch allmählich und unter der Hand, den unmittelbaren Einfluß Preußens in Deutschland wiederherzustellen, zu begründen, zu erweitern.

Das System Preußens am Bundestage während der Dauer der österreichischen Allianz dürfte folgende Zwecke vorzüglich zu befolgen haben.“

A. (Bundes-Militärverfassung.)

B. „Gemeinschaftlich mit Österreich über die Erhaltung der Ruhe in Deutschland zu wachen, zugleich das repräsentativ-demokratische System zu bekämpfen.“

C. (Abwehrung des Einflusses fremder europäischer Mächte.)

D. „Dabei aber doch möglichst alles so vorzubereiten, daß wenn einst eine Trennung Preußens von Österreich erfolgen und demzufolge eine Spaltung Deutschlands stattfinden sollte, der überwiegende Teil der Bundesstaaten sich für ersteres erklärte –, und daß alsdann die vorhandenen Bundesformen nicht zu sehr zum Nachteile der preußischen Partei benutzt werden könnten.“

„Wenn die Erreichung der Zwecke ad A, B und C ein kräftiges und gleichförmiges Wirken mit Österreich erheischte, so schiene die Rücksicht ad D durch nichts mehr befördert zu werden, als wenn man Österreich bei jenem Wirken die von demselben systematisch gesuchte Ausübung der Initiative in seinem eigenen Namen und die damit verbundene formelle Geschäftsführung bereitwillig überließe, und nur hinsichtlich der wesentlichen Punkte eine frühere geheime Einverständigung zwischen Berlin und Wien in Anspruch nehme. Nach der unveränderlichen Politik der mittleren und kleineren deutschen Staaten wird stets ihre Souveränitätseifersucht gegen die die Suprematie in Anspruch nehmende Macht gerichtet werden, und bei den eben auseinandergesetzten Verhältnissen dürfte es vielleicht das einzige Mittel, den preußischen Einfluß wieder in Deutschland herzustellen, sein, jener Souveränitätseifersucht einen anderen Gegenstand als Preußen zu geben.

Mag Preußen dabei eine passive Rolle spielen und in manchen Punkten nur der österreichischen Politik zu folgen scheinen; je mehr es jenen Schein zu gewinnen glückt, desto sicherer wird ihm einst die Mehrheit der Bundesstaaten zufallen, wenn das Aufhören der preußisch-österreichischen Allianz auch den Druck, den ihr vereintes und umfassendes Gewicht ausübte, aufhören läßt.“

– Aus allem Obigen schiene, als Rekapitulation, folgende ... Stellung Preußens am Bundestag hervorzugehen. – In den allgemeinen politischen Bundesbeziehungen, Ausgleichung der etwaigen Differenzen, direkt zwischen Berlin und Wien, aber zu Frankfurt, enges, in der Regel milderndes Anschließen an Österreich, wobei zuweilen, aber nicht zu oft, in populären Gegenständen ein berechneter offensibler und eklatanter Akt von Selbständigkeit zu zeigen... Ein anscheinend reger Eifer für die Befestigung der Reformen, die unter der Hand aber, mit Ausnahme derjenigen, welche auf die Militärverfassung und die Stellung des Bundes gegen das Ausland Bezug haben, so lose als möglich zu erhalten wären. –“

„Die Natur der einzigen Regierungsform, die allein Preußens Größe und Einfluß sichern kann, schließt schon, ohne andere Verhältnisse zu berühren, unwiderruflich die Begünstigung der demokratisch-repräsentativen Ideen aus, welche jetzt noch so vielen Einfluß in Deutschland ausüben. –

Es schiene wünschenswert und selbst beim Festhalten an der österreichischen Allianz nicht unerreichbar, daß, wie es vor dem Beginnen der Französischen Revolution der Fall war, Preußen als der deutsche Musterstaat angesehen und seine Schriftsteller wieder die tonangebenden in Deutschland würden, und dies Resultat dürfte unvermeidlich sein, sobald, wie schon erwähnt, das demokratisch-revolutionäre Treiben und die süddeutsche Scheinkonstitutionalität depopularisiert worden wäre. Es verdiente dabei eine reifliche Prüfung, ob, da jene Partei nun doch einmal an der Entwicklung und Geltendmachung ihrer Theorie vor dem Publikum nicht gehindert werden mag, es nicht ratsam wäre, sie gleichfalls nach dem Beispiel der englischen und französischen Regierungen in ihren Grundsätzen, in ihren Leitern und ihren Organen einer indirekten, aber kräftigen öffentlichen Diskussion zu unterwerfen, als es nicht allzu schwer sein dürfte, gegen jene Grundsätze und Einrichtungen bei den besonnenen und richtig urteilenden Deutschen die Nationaleitelkeit und Ehre ins Spiel zu bringen, indem man dieselbe, von einer nebenbuhlerischen Nation ausgehend, durch Bildung von Parteien im Sinne des Auslandes wirkend darstellte.“

– Graf von der Goltz, ehemaliger preußischer Bundestagsgesandter, macht in einer Denkschrift an das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten folgende Äußerung:

„Die Elemente, die ihr (der Bundesverfassung) zugrunde gelegt wurden, mußten von gemeinnützigen und liberalen Ideen ausgehen, weil die Völker, die nur durch den höchsten Grad patriotischer Exaltation zu den Opfern vermocht worden waren, durch welche die allgemeine Anstrengung zur beabsichtigten Befreiung Deutschlands und Europas möglich wurde, zu großen Erwartungen im Sinne des ihnen vorschwebenden übertriebenen Begriffs von Freiheit berechtigt waren; man genügte diesem Erfordernis des Augenblicks, weil es unerläßlich war.“

– Einer Denkschrift des preußischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen Bernstorffs, über die Mittel, die Ruhe im Innern Deutschlands im Falle eines Krieges mit dem Auslande aufrechtzuerhalten, entworfen auf Befehl des Königs im Jahre 1831, sind nachfolgende Äußerungen entnommen.

„Wie gegründet indessen auch jene Besorgnis sein mögen, so rechtfertigen sie doch keinen Zweifel an dem Vorhandensein und der Wirksamkeit von Mitteln, dem drohenden Übel vorzubeugen oder seine ferneren Ausbrüche mit Erfolg zu bekämpfen, selbst im Falle eines unvermeidlichen Krieges, unter den Deutschen eine zustimmende Begeisterung zu entzünden, welche zur Erleichterung der ihnen anzusinnenden Opfer mitwirke. – Je leichter der natürliche Verstand einsieht, wie sehr das Gemeinwohl dabei interessiert ist, daß die Grenze des Staates gegen Angriffe eines auswärtigen Feindes verteidigt ... werde; um so wichtiger für ganz Deutschland scheint mir zunächst die Annahme oder Behauptung einer Politik, welche für den Fall, wenn ein Krieg unvermeidlich sein sollte, sicher dahin führt, daß der Übergang aus dem jetzigen Zustande in den Kriegszustand unter Umständen geschehe, die eine unbedingte Notwendigkeit des letztern als evidente Tatsache den Untertanen aller deutschen Staaten unabweislich vor die Augen rücken; was nach dem herrschenden Geiste unserer Zeiten nicht etwa bei einem Kriege um Prinzipien, worüber im Innern von Deutschland selbst Parteien sich streiten, sondern nur alsdann stattfinden wird, und sicher erwartet werden darf, wenn ein Angriff von seiten des Feindes alle Zweifel über jene Notwendigkeit des Krieges zerstreut und alle weitern desfallsigen Rechtsdeduktionen als überflüssig erscheinen läßt, deren Unentbehrlichkeit zur Ausführung der Motive des Kriegs überhaupt nichts Wünschenswertes wäre. –

Zur Aufrechterhaltung tieferer Begründung des Sinnes für Recht und Ordnung kann ohne Zweifel auch die Presse wesentlich beitragen. Es ist desfalls gewiß sehr zu bedauern, daß sich jetzt zu wenige tüchtige Männer erheben, um jene gute Sache des Rechts und der Ordnung gegen die Angriffe, denen sie besonders in ausländischen Blättern ausgesetzt ist, mit Ernst und Einsicht zu vertreten. Damit die Herausgabe von Zeitungen oder periodischen Blättern, welche sich diesem Zwecke widmen, nach Möglichkeit gefördert werde, möchte es schon jetzt an der Zeit sein, hierzu Schriftsteller von Talent und guter Gesinnung zu gewinnen, bei denen die letztere sich in der Neigung offenbaren, durch die Feder die Lösung der schwierigen den Regierungen obliegenden Aufgabe zu erleichtern. Immerhin könnte man ihnen dabei – sofern ihre Persönlichkeit hinreichende Garantie gewährt – freieren Spielraum gestatten, ohne jedoch im allgemeinen eine wesentliche Veränderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Zensur eintreten zu lassen; denn diese wird auch im Falle eines Krieges nicht entbehrt werden können, sowenig man übrigens der Begeisterung, welche mit Wort und Schrift die Sache des Vaterlandes gegen den auswärtigen Feind verteidigen will, Einhalt zu tun haben dürfte. –

Aufgestellt in den bezeichneten Gegenden, und nach Umständen zu mobilen Kolonnen organisiert, würde diese Reserve (die des Bundesheeres) dem Deutschen Bunde, während seine Heere dem auswärtigen Feinde gegenüberstehen, für die Erhaltung der Ruhe in seinem Innern die wirksamsten Dienste zu leisten geeignet sein. –

Unter ehrfurchtsvoller Bezugnahme auf jene Vorschläge glaube ich namentlich in tiefster Unterwürfigkeit empfehlen zu müssen:

Daß E.K.M. allerhöchste Regierung bei einer Politik beharre, welche den Frieden auf alle mit Preußens Ehre und andern wesentlichen Interessen vereinbare Weise zu erhalten sucht und zugleich – wenn ein Krieg demnach unvermeidlich werden sollte – den auswärtigen Feind in den Fall setzt, ihn durch einen Angriff von seiner Seite zu eröffnen. Unternimmt alsdann der Feind einen Angriff, so wird E.K.M. landesväterliche Ansprache an das Volk, wie sie im Jahr 1813 stattfand, gewiß ähnliche Wirkungen hervorbringen und mächtig dazu beitragen, daß der treue Wille allerhöchst Ihrer Untertanen, sich ihres Königs würdig zu bezeigen, allenthalben in Tat übergehe –“

Auf vorstehenden ausgezogenen Bericht des preußischen Ministers antwortet der König:

„Was die anderweitigen, Ihrer Darstellung hinzugefügten Vorschläge betrifft, so ist zwar ratsam, für die Sache des Rechts und der Ordnung einsichtsvolle Schriftsteller zu gewinnen; bei der anerkannten Schwierigkeit aber, solche Schriftsteller zu ermitteln, die mit den erforderlichen Kenntnissen und Talenten auch erprobte treue Gesinnungen und den erforderlichen Takt für das Angemessene verbinden, wird die Benutzung der Presse für den Fall des Krieges vorzubehalten sein. – –“

Der preußische General von Borstell, in einem Briefe an den Generaladjutanten des Königs, ge schrieben 1832, worin er Vorschläge macht, wie mit den deutschen Ständekammern und den deutschen Revolutionärs zu verfahren sei, äußerte:

„Staatssicherheit, nach moralischen Grundsätzen festgestellt, ist die wichtigste der Regierungspflichten, sie wird durch repräsentative Formen oder Volksvertretungen nirgends gesichert, vielmehr durchwegs, wo wir hinblicken, gemißbraucht und gefährdet.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Menzel der Franzosenfresser.