Abschnitt. 3

Ich habe in einige grössere Parthien das zusammengefasst, was ich für eine Niedersächsische Geschichte den Resultaten zusetzen möchte, welche man seit dem unvergesslichen Möser bis auf Jacob Grimm’s Rechtsalterthümer als gewonnen ansieht. — In wieweit eine Rückanwendung davon auf deutsche Geschichte überhaupt zu machen sey, hat meiner Untersuchung, die nur Niedersachsen im Auge hatte, stets fern gelegen. — Die Form der Verarbeitung meines Stoffs übernimmt schon von selbst die Entschuldigung deswegen, dass nicht vor jedem Abschnitt eine Literatur angeführt sey; es würde solche nur fragmentarisch zu Tage gekommen seyn, da mancher Gegenstand, um ein Abschreiben aus Andern und ein nochmaliges Drucken zu ersparen, wenig oder gar nicht besprochen ist. — Doch wird man hoffentlich auch bei der Art meiner Bearbeitung, die mich oft zwang abzuspringen, darum einen grössern sorgfältig bewahrten Zusammenhang der Ideen nicht vermissen, indem es immer mein Streben war, kein Institut des alt-sächsischen Volkslebens als alleinstehend, sondern immer nur als natürliche Folge anderer Grund Verhältnisse zu betrachten. — Ich verweise beispielsweise auf das, was über Stände im ersten Zeitraum vorkommt, namentlich über das Ungetheilte des Standes der Freien. — Dieser Punkt ist in einigen seiner nächsten Folgen auf’s genaueste zusammenhängend mit dem, was bei: Gerichtswesen §. 26. (pag. 172 sq.), so wie ferner beim Städtewesen, im § über die Biergilden u.s.w. vorkommt. — Ich musste aber die einzelnen Erscheinungen im gesellschaftlichen Leben mehr in einem historischen, als allein in einem systematischen Zusammenhange darstellen,. und setze den letztern im Grossen als bekannt voraus, so dass es genügt, dann und wann einmal oberflächlich daran erinnert zu haben.

Quellen bei vorliegender Bearbeitung sind mir hauptsächlich Urkunden gewesen, und zwar um definitive Behauptungen darauf zu gründen, nur gleichzeitige, einheimische — Das letzte Requisit hat man bei deutscher Special-Geschichte bislang so streng nicht immer genommen, vorzüglich da, wo von allgemeinem Instituten die Rede ist, welche erweislich bei mehreren Stämmen vorgekommen sind; und doch wird man finden, dass zu allgemeinen Resultaten die einzelnen Beiträge im höchsten Grade besonders ausfallen. — Und dies recht scharf darzulegen, ist ja grade der Zweck der Special-Geschichte. — Darum sind auch nicht Behauptungen für die älteste Sächsische Geschichte auf Stellen begründet, welche von andern Stämmen reden, eben so wenig wie ich ein zusammenhängendes System der altsächsischen Religion auf die Edden allein stützen zu dürfen glaubte. — Denn: gleiche Abstammung, — gleiche Einrichtungen, ist ein Schluss, der nicht immer zu den richtigsten Resultaten führen wird. — Aus eben dem Grunde ist auch nicht, wie man sonst fast allenthalben findet, meine älteste sächsische Geschichte für bürgerliche und öffentliche Einrichtungen eine nur wenig ausgeführte Übersetzung der betreffenden Capitel der Germania des Tacitus. — Da dieser, und die Römer zu seiner Zeit überhaupt, meiner Meinung nach, noch gar keine Kenntniss von den Sachsen hatten, so darf man die Angaben Jenes für die Sachsen mit Gewissheit auch nur in soweit herüberziehen, als auf deren spätern Gebiete die Verhältnisse Solcher in Frage kommen, welche daselbst unter nun fremder Herrschaft als die Reste alter schon den Römern bekannter Stämme zurückblieben. — Die Verfassung, die Religion u.s.w. der neuen Eroberer aber mag ich den Angaben des Tacitus mitunter auch noch so nahe anschliessen, — Quelle dafür kann er nie seyn. — Man kann wohl nachher vergleichen, aber Unbekanntes gradezu aus Tacitus zu entnehmen, glaubte ich mir nicht erlauben zu dürfen. Leider nun konnte der gleiche Grundsatz, was die gleichzeitigen Dokumente für die älteste vorkarolingische niedersächsische Geschichte anlangt, nicht in eben der Strenge ausgeübt werden, — denn die Lex Saxonum (trotz ihrer spätern Abfassung halte ich sie doch für jene Zeit ihrem grossem Inhalt nach, für ein gleichzeitiges Dokument) steht hier so ziemlich allein. So weit ihr Inhalt geht, habe ich mich streng daran gehalten; wie manches Andere gewesen seyn mag, darüber lässt sich nur aus spätem Zuständen etwas folgern; desto ängstlicher muss man aber dabei in der Hinsicht seyn, dass man nur einheimische zu solchen Rückschlüssen benutzt. — Ich glaube nicht, dass ich in dieser Hinsicht etwas verfehlt habe. — Wer das niedersächsische Volk (— natürlich vorzüglich die niedern Stände daraus) seinen Charakter, seine Neigungen, seine Lebensart vom Aufstehn bis zum Schlafengehn genau kennt, dem kann dies nicht schwer werden; denn es giebt schwerlich einen andern deutschen Volksstamm, bei dem sich, sogar bis auf den heutigen Tag, noch so Manches erhalten hat, was vor 1.000 Jahren unmöglich anders gewesen seyn kann. — Ob ich daher wohl befugt war, Späteres zur Erklärung von Früherem herüberzuziehn, darüber mag auch nur der vollkommen urtheilen, der eine lebendige Kenntniss des Volks hat, — die der darüber geschriebenen Bücher reicht dazu nicht aus; mich tadele bei dem Einzelnen nur der, der diese praktische, Kenntniss noch besser hat wie ich selbst.