Abschnitt. 2

Ich habe es grade hiebei mein Hauptaugenmerk seyn lassen, namentlich solche Fragen einer genauem Untersuchung zu unterziehn, die man so ziemlich als abgethan behandelte, und wofür sich eine constante Meinung gebildet hatte. — Allein diese beruhete zum Schaden der Sache häufiger nur auf einer fortgesetzten Würdigung und Erweiterung der Punkte, welche für jene einmal angenommene Meinung sprechen, als auf einer ausführlichen und allgemein überzeugenden Widerlegung dessen, was dagegen spricht.— Indem ich auf dem letztem Wege grade jene als gewiss angenommenen Resultate noch fester zu begründen suchte, ward es mir erst so recht klar, auf wie schwachen Füssen diese selbst stehen, und meine innige Überzeugung zwang mich häufig, entgegengesetzten Gründen das Übergewicht zuzuerkennen.— Grade deshalb habe ich alle die Punkte, wo ähnliche Zweifel obwalten können, recht scharf hervorgehoben und möglichst auf die Spitze gestellt, — vielleicht zu meinem eignen Schaden, indem durch das festere Halten an dem Angenommenen, oder durch eine etwas künstliche Verhüllung der Zweifelspunkte in allgemeinere Redensarten ich mancher Ausstellung entgangen seyn würde. — Denn es kann wohl Niemand entfernter von der Einbildung seyn, allenthalben das Rechte getroffen zu haben, als ich. — Vielleicht geschieht aber, selbst wenn ich geirrt haben sollte, der Sache durch Besprechung neuer Gründe, welche bei einzelnen Lehren vorkommen, doch immer noch kein geringer Vortheil; nur müssten Ansichten gegen Ansichten gehörig gehalten, und kritisch abgewogen werden, denn dass Einzelnes sich gegen manche meiner Propositionen anführen lässt, weiss ich recht wohl. — Dies kommt ja allenthalben bei jedem Institute des deutschen Rechts und der deutschen Geschichte vor, wo sich beide im fernsten Dunkel verlieren. — Nicht ein entgegenstehendes Faktum allein hebt aber eben deswegen eine begründete Ansicht auf, — ersteres kann sehr wohl eine Ausnahme gewesen seyn; was gelten soll, muss bei allen verschiedenen Behandlungsarten das Überwiegende für sich haben.

Aber die Kritik muss auch gleichförmig seyn. — Wenn z. B. in den bekannten Stellen der Lex Saxonum nur von solidis die Rede seyn soll, weil in allen schriftlichen Aufzeichnungen derselben nur diese vorkommen, - wie darf denn, wenn einmal der Grundsatz: sich streng an die Worte und den vorliegenden Inhalt eines solch’ wichtigen Gesetzes zu halten, angenommen ist; in die altsächsische Geschichte, ganz jener Lex entgegen, ein ganz neuer Stand eingeführt werden, für den doch nur Schriftsteller sprechen, die ihn als entstanden, erst in der karolingischen Zeit sahen, und gegen den wieder ausser jenem Gesetz, noch eben so viel spricht? Mich dünkt, ein Irrthum bei einem einmal geschriebenem Worte könnte bei Vervielfältigung der Abschrift sehr leicht entstehn; wie aber die Kritik ganz neue Einrichtungen gegen klare Gesetze in die Geschichte einführen dürfe, kann ich mir so recht nicht erklären. Klare Gesetze müssen denn doch stets über dem schwankenden Inhalte mönchischer Chroniken stehn.


Nur darf ich hoffentlich ein Recht haben, zu verlangen, dass man mich von der Sucht frei spreche, absichtlich, um die Darstellung bemerklich zu machen, von dem Gewöhnlichen abzuweichen. — Ich weiss sehr wohl, dass Ähnliches öfter vorkomme; allein ich darf nich wieder darauf berufen, dass hoffentlich nirgends Gründe einer von mir aufgestellten Einsicht mangeln; und ich darf auch mit Zuversicht hinzusetzen, dass es mir ein Leichtes seyn sollte, alle diese Gründe um das doppelte oder dreifache zu vermehren. — Denn in dem kleinen Raume dieses Buchs mussten wohl hundert Gegenstände berührt werden, wovon, wenn sie gehörig besprochen werden sollten, jeder einzelne ein gleiches Volumen füllte. — Die Beurtheiler werden daher auch billig seyn, und nicht bei allen Gegenständen das verlangen, was sie noch darüber zu sagen wissen. — Auch ich habe an manchen Orten ungern ausgelassen, aber der Raum bestimmt ja hauptsächlich, wie mit der Masse des Vorhandenen öconomisirt werden muss.

Da, wie ich schon oben erwähnte, die vorliegende Geschichte mit dem Jahre 1180 schliesst, so sind auch alle Institute welche für Sachsen besprochen sind, nur bis zu diesem Jahre fortgeführt. — Veränderungen bei ihnen im fernern Lauf der Jahre, sind daher weder ausgeführt, noch ist allenthalben bemerkt, dass überhaupt solche Veränderungen später Statt finden würden. - Ich habe nur noch hinzuzufügen, dass mir jenes Jahr 1180 eine Hauptperiode, wie keine andere scheint, einen Abschnitt der Niedersächsischen Geschichte damit zu begränzen. — Denn um dieses Jahr ward das alte Sachsen zersplittert, und die Keime der neuen bis unlängst bestandenen Ordnung wurden gelegt. — Dem Jahre 1235, der Stiftung des Herzogthums Braunschweig Lüneburg, kann ich aus mehreren Gründen eine solche Wichtigkeit nicht beilegen. — Einmal ist aufgefordert zur Bearbeitung einer Niedersächsischen, und nicht zu einer Braunschweig-Lüneburgischen Landesgeschichte; allein selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, so würde ich als Hauptperiode doch noch immer das Jahr 1180 vorziehen; denn hier entstand doch eben aus dem bei der guelphischen Familie bleibenden Allodium der Sache nach schon das, wofür nur das Jahr 1235 später in die Geschichte den fortan bleibenden Namen einführte.