Fritz Reuter und seine Dichtungen - Fritz Reuter
Autor: Glagau, Otto (1834-1892) deutscher Journalist und Schriftsteller. Vertreter des modernen, politischen Antisemitismus im deutschen Kaiserreich., Erscheinungsjahr: 1866
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Mecklenburg-Schwerin, Stavenhagen, Neubrandenburg, Fritz Reuter, Dichter, Schriftsteller, Plattdeutsch, plattdeutsche Sprache, Volksdichter, Demagogen, Studentenbewegung, Burschenschaften, Festungshaft,
Das Schicksal des Menschen
hängt von seinem Charakter ab.
Cornel. Aepos, Atticus, XI, 6.
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hängt von seinem Charakter ab.
Cornel. Aepos, Atticus, XI, 6.
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Inhaltsverzeichnis
Dieses Buch ist nicht nur für Plattdeutsche, sondern auch für Hochdeutsche und Solche geschrieben, die Fritz Reuter nur teilweise oder noch gar nicht kennen. Darum ist die Besprechung der einzelnen Dichtungen jedesmal mit einer Inhaltsangabe eingeleitet und von größeren Zitaten begleitet.
Es gibt sich nicht als ein wissenschaftliches Buch, vielmehr wendet es sich an das große Publikum. Welches Unding auch, über Fritz Reuter, der im besten und wahren Sinne des Worts ein Volksdichter ist, ein gelehrtes Buch schreiben zu wollen! Wohl aber wird man finden, dass der Verfasser die Prinzipien unserer bedeutendsten Kritiker und Ästhetiker und die von ihnen ausgestellten Gesetze nicht unbeachtet gelassen hat.
Berlin, Ende Oktober 1865.
Otto Glagau.
Fritz Reuter.
Geboren am 7. November 1810 zu Stavenhagen, einem Landstädtchen im östlichen Mecklenburg-Schwerin, woselbst der Vater Bürgermeister und Stadtrichter war. Ein verständiger, überaus tätiger und pflichttreuer Mann, der die Geschicke der guten Stadt „Stemhagen" durch fast 40 Jahre lenkte; ohne jede Beihilfe — er hatte nicht einmal einen Schreiber — nur die Exekutivgewalt befand sich in den rüstigen Händen des Stadtdiener Luth. Daneben betrieb er eine ausgedehnte Vieh- und Ackerwirtschaft, die zuweilen bis 120 Menschen Arbeit und Lebensunterhalt gab; und zwar tat er's in rationeller Weise, indem er nach- und nebeneinander die verschiedensten Gewürz-, Färbepflanzen und Futtergewächse anzubauen begann, mit dem besten Erfolge, worüber er in populären Schriften zu berichten pflegte. Seinen eigentlichen Ruhm aber begründete er, indem er im Lande Mecklenburg das erste bayrische Bier braute, das als „Steinhäger Burmeister-Bier" bald allgemeinen Ruf erlangte, zahlreiche Nachahmer hervorrief, und dessen Güte der Sohn in kindlicher Pietät später sattsam erprobt hat.
Sah der Knabe mit ehrfurchtsvoller Scheu zu dem ernsten strengen Vater hinauf, der auf seinem Pfeifentische stets ein schlankes Rohrstöckchen für ihn in Bereitschaft hielt, so hing er dagegen mit inniger Zärtlichkeit an der sanften sinnigen Mutter, welche ihn spielend in die Mysterien des ABC einführte, ihn auch zuerst mit den Heroen unserer Literatur bekannt machte, die sie selber eifrig las und mit edler Begeisterung umfasste. Leider kränkelte die Dame beständig: Fritz hat sie nur im Bette oder gelähmt im Stuhle sitzen gesehen, bis sie 1825 starb.
An Stelle der kranken Mutter beaufsichtigte deren unverheiratete Schwester den beweglichen Knaben, dessen gesellschaftliche Ausbildung sie auch übernahm, indem sie ihn zur Tanzstunde, auf den Maskenball und — in das Theater führte. Freilich nicht ohne zähes Widerstreben des Vaters, der in diesen Dingen nur unschickliche Narrenspossen sah; gegen den aber Tante Christiane in Verbindung mit dem alten launigen Hausfreunde, Amtshauptmann Weber, so lange konspirierte, bis er notgedrungen seine Einwilligung gab. Jedoch ward diese an etliche Bedingungen geknüpft, deren gewissenhafte Einhaltung der Herr Bürgermeister verlangte, was Tante Christiane zu ihrem Schaden erfahren sollte.
Der Tanzunterricht, woran außer Fritzen auch sein Schwesterchen Lisette und zwei verwaiste Vettern, die mit ihm zusammen erzogen wurden, teilnahmen, schloss mit einem pompösen Kinderballe, auf dem nach Bestimmung des dicken plattfüßigen Tanzmeisters, Herrn Stengel, die kleinen Damen in weißen Kleidern mit grünen Achselbändern und ditto Schärpen, die Herren Jungen dagegen in Leibröcken erscheinen sollten. Fritz und seine Vettern erhielten jedoch statt der ballfähigen Leibröcke nur kurze Jacken, und außerdem musste Tante Christiane dem Herrn Bürgermeister feierlich geloben, Punkt 10 Uhr mit den ihr anvertrauten Kindern wieder im elterlichen Rathause einzutreffen. Die gute Tante vergaß zwar nicht ihres Versprechens, konnte es aber beim besten Willen nicht erfüllen, indem die gewitzten Knaben bei jedem Versuche, sie zu arretieren, wie die Flöhe auseinanderhüpften, und selbst eingefangen der Eine immer wieder zu Gunsten der Andern ausriss. Genug, die verhängnisvolle Stunde hatte noch nicht lange geschlagen, als plötzlich in der Tür des Ballsaales die beiden Nachtwächter der Stadt erschienen und ohne sich an die entrüsteten Blicke der Anwesenden zu kehren, laut erklärten: sie seien beauftragt, „den Herrn Burmeister sin Gören" in Empfang zu nehmen. Zugleich durchbrachen sie die aufgestellte Kegelquadrille und bemächtigten sich, trotz aller Protestationen des Tanzmeisters, der jugendlichen Delinquenten, die sie unter allgemeinem Aufsehen abführten. Hinterdrein schritt Tante Christiane, vor Scham und Zorn bittere Tränen weinend und ihre Pflegebefohlenen abwechselnd mit Püffen und Maulschellen regalierend.
Es gibt sich nicht als ein wissenschaftliches Buch, vielmehr wendet es sich an das große Publikum. Welches Unding auch, über Fritz Reuter, der im besten und wahren Sinne des Worts ein Volksdichter ist, ein gelehrtes Buch schreiben zu wollen! Wohl aber wird man finden, dass der Verfasser die Prinzipien unserer bedeutendsten Kritiker und Ästhetiker und die von ihnen ausgestellten Gesetze nicht unbeachtet gelassen hat.
Berlin, Ende Oktober 1865.
Otto Glagau.
Fritz Reuter.
Geboren am 7. November 1810 zu Stavenhagen, einem Landstädtchen im östlichen Mecklenburg-Schwerin, woselbst der Vater Bürgermeister und Stadtrichter war. Ein verständiger, überaus tätiger und pflichttreuer Mann, der die Geschicke der guten Stadt „Stemhagen" durch fast 40 Jahre lenkte; ohne jede Beihilfe — er hatte nicht einmal einen Schreiber — nur die Exekutivgewalt befand sich in den rüstigen Händen des Stadtdiener Luth. Daneben betrieb er eine ausgedehnte Vieh- und Ackerwirtschaft, die zuweilen bis 120 Menschen Arbeit und Lebensunterhalt gab; und zwar tat er's in rationeller Weise, indem er nach- und nebeneinander die verschiedensten Gewürz-, Färbepflanzen und Futtergewächse anzubauen begann, mit dem besten Erfolge, worüber er in populären Schriften zu berichten pflegte. Seinen eigentlichen Ruhm aber begründete er, indem er im Lande Mecklenburg das erste bayrische Bier braute, das als „Steinhäger Burmeister-Bier" bald allgemeinen Ruf erlangte, zahlreiche Nachahmer hervorrief, und dessen Güte der Sohn in kindlicher Pietät später sattsam erprobt hat.
Sah der Knabe mit ehrfurchtsvoller Scheu zu dem ernsten strengen Vater hinauf, der auf seinem Pfeifentische stets ein schlankes Rohrstöckchen für ihn in Bereitschaft hielt, so hing er dagegen mit inniger Zärtlichkeit an der sanften sinnigen Mutter, welche ihn spielend in die Mysterien des ABC einführte, ihn auch zuerst mit den Heroen unserer Literatur bekannt machte, die sie selber eifrig las und mit edler Begeisterung umfasste. Leider kränkelte die Dame beständig: Fritz hat sie nur im Bette oder gelähmt im Stuhle sitzen gesehen, bis sie 1825 starb.
An Stelle der kranken Mutter beaufsichtigte deren unverheiratete Schwester den beweglichen Knaben, dessen gesellschaftliche Ausbildung sie auch übernahm, indem sie ihn zur Tanzstunde, auf den Maskenball und — in das Theater führte. Freilich nicht ohne zähes Widerstreben des Vaters, der in diesen Dingen nur unschickliche Narrenspossen sah; gegen den aber Tante Christiane in Verbindung mit dem alten launigen Hausfreunde, Amtshauptmann Weber, so lange konspirierte, bis er notgedrungen seine Einwilligung gab. Jedoch ward diese an etliche Bedingungen geknüpft, deren gewissenhafte Einhaltung der Herr Bürgermeister verlangte, was Tante Christiane zu ihrem Schaden erfahren sollte.
Der Tanzunterricht, woran außer Fritzen auch sein Schwesterchen Lisette und zwei verwaiste Vettern, die mit ihm zusammen erzogen wurden, teilnahmen, schloss mit einem pompösen Kinderballe, auf dem nach Bestimmung des dicken plattfüßigen Tanzmeisters, Herrn Stengel, die kleinen Damen in weißen Kleidern mit grünen Achselbändern und ditto Schärpen, die Herren Jungen dagegen in Leibröcken erscheinen sollten. Fritz und seine Vettern erhielten jedoch statt der ballfähigen Leibröcke nur kurze Jacken, und außerdem musste Tante Christiane dem Herrn Bürgermeister feierlich geloben, Punkt 10 Uhr mit den ihr anvertrauten Kindern wieder im elterlichen Rathause einzutreffen. Die gute Tante vergaß zwar nicht ihres Versprechens, konnte es aber beim besten Willen nicht erfüllen, indem die gewitzten Knaben bei jedem Versuche, sie zu arretieren, wie die Flöhe auseinanderhüpften, und selbst eingefangen der Eine immer wieder zu Gunsten der Andern ausriss. Genug, die verhängnisvolle Stunde hatte noch nicht lange geschlagen, als plötzlich in der Tür des Ballsaales die beiden Nachtwächter der Stadt erschienen und ohne sich an die entrüsteten Blicke der Anwesenden zu kehren, laut erklärten: sie seien beauftragt, „den Herrn Burmeister sin Gören" in Empfang zu nehmen. Zugleich durchbrachen sie die aufgestellte Kegelquadrille und bemächtigten sich, trotz aller Protestationen des Tanzmeisters, der jugendlichen Delinquenten, die sie unter allgemeinem Aufsehen abführten. Hinterdrein schritt Tante Christiane, vor Scham und Zorn bittere Tränen weinend und ihre Pflegebefohlenen abwechselnd mit Püffen und Maulschellen regalierend.
Reuter, Fritz (1810-1874) einer der bedeutendsten mecklenburger Dichter und Schriftsteller (2)
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Reuter, Fritz - Selbstporträt, ausgeführt während seiner Haft in der Hausvoigtei in Berlin
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