Abschnitt 4

Zur Zeit seines Regierungsantritts sorgt und rät sie, bis alles in die Wege geleitet ist, und gibt endlich ihrer Freude am 13. Oktober 1653 in einem Briefe Ausdruck; sie schreibt. unter anderem:

„Es ist mir itzo recht begegnet, wie der Psalmist sagt, den Abend das Trauern, den Morgen die Freude, denn wie ich den vorigen Tag wegen Deines übelen Aufseins betrübet und recht sorgfältig bekümmert war, hat Dein Gestriges nicht allein dieser Sorge mich befreit, sondern auch dazu die fröhliche Post bracht, dass das lange erwünschte Diploma ( Wohl die kaiserliche Zustimmung zum Regierungsantritt ) einmal ankommen. Wie kann ich dem Höchsten vergelten alle seine Woltat, die er mir tut. Ihm sei Lob, Ehre, Preis und Dank gesagt, von nun an bis in Ewigkeit. So wünsche ich auf Grund meines mütterlichen Herzens zu diesem Regierungsstand Dir meinem einigen herzallerliebsten Sohn Gottes Segen, dass Du Deinen Eintritt in der Kraft des Herren tun mögest. Den Anfang weislich, fürsichtig, ordentlich und reichlich mit Gottes Rat und Beistand fürnehmen und den Fortgang durch des Höchsten Regierung glückselig und gesegnet führen zu Gottes Lob und Deiner Unterthanen Bestes, wie desfalls Dein eigener Wunsch von Gott wird erhört werden, daran ich nicht zweifle. Seine Allmacht wolle Dir sonderlich zu Anfang und alle Zeiten nur redliche Leute geben, die Dein Bestes von ganzem, aufrichtigem Herzen meinen. Gott sei ewig Lob, der mich den Tag hat erleben lassen."


Sie schließt: „Nun der Höchste Segne Dich je mehr und mehr und lasse Dich ein höchst glückseliger und geliebter Regent sein, das wünscht und bittet von Gott D. L.

Strelitz, 13 Oktob. Von Herzen getreue

1659. Mutter

Eleonore Marie.“

Die Beziehungen zu dem Sohne bilden fortab die Höhepunkte ihres Lebens; nach allen überstandenen Kämpfen freut sie sich doppelt, ihn am Ziele zu sehen. So, wenn er seine Sachen, die sie ihm verwahrt hatte, abholen läßt. Sie hat ,,fast 18 Jahre viel Mühe und Beschwerlichkeit damit gehabt, es von einem Ort zum anderen geführt und versteckt“ Oder wenn er in Güstrow die Zimmer bezieht, in denen sie ,,viel harte und schwere Verfolgung erlitten" hat, und wo sie ihm nun „freudiges Gemüt und Ruhe des Herzens" wünscht.

Seit seinem Regierungsantritte vertauscht sie das „du" mit der dem Haupte des Hauses gebührenden Anrede: „Ew. Liebden". Als er verreist ist, schreibt sie: ,,Die Zeit E. L. Abwesenheit ist mir gar einsam vorkommen, wenn E. L. wieder im Land, ist mir schon besser, so ich dann stets in Hoffnung Euer Gegenwart zu geniessen.“

Mit welcher Teilnahme sie seine Verlobung und Vermählung mit der Prinzessin Magdalene Sybille von Holstein-Gottorp begleitete, lässt sich aus ihrem Briefe zu seiner Hochzeit ersehen: „Meine mütterlichen Seufzer und Glückwünsche begleiten E. L. augenblicklich, Gott erfülle sie tausendfältig. . . . Und weil Ew. L. in Ankunft dieses bei dero werthesten Liebsten sein werden, (meine) herztreue mütterliche Begrüßung."

Ein freundlicher Verkehr mit Güstrow erfreute die einsame Frau. Im Winter ist die Reise für sie zwar zu kalt, aber im Juni 1656 ist sie dort gewesen und meldet ihre glückliche Heimkehr und dass sie „den marschierenden Völkern“ zuvorgekommen sei.

Die Geburt des ersten Enkels, des Erbprinzen, erfüllt sie mit hoher Freude. Die Nachricht begegnete ihr in Waren, wo sie auf ihrer Reise zur Entbindung der Schwiegertochter übernachtete. Man sieht den auf ein kleines Papier hingeworfenen Zeilen, ohne Jahreszahl, die freudige Aufregung der Großmutter an:

„Wahren, d. 3. Dezember. Hochgeborener Fürst, freundlicher mir ganz aus- erwählter Sohn, mit herzlicher Freude erfahre ich aus E. L. liebsten Schreiben, als auch von Mrs. Grabau mündlichem Ueberbringen, dass der allerhöchste Gott uns allerseits so hoch erfreut u. E. L. hertzliebe Gemahlin mit einem lieben Sohn entbunden. Gott sei dafür innig Lob und Dank gesagt, der Euer beiderseits zu gesegneten Eltern machte und mich zur fröhlichen Großmutter gemacht, der lasse ferner seine Gnadenhand über uns allerseits walten, wie denn morgen, geliebt es Gott, ich meine Congratulation selbsten abzuhalten verhoffe. Verbleibe hiermit so lange ich lebe E. L.

Von ganzem Herzen

getreue Mutter

E.L. herzliebe Eleonore Marie

Gemahlin meine treuen Dienste und mütterliche Begrüßung. Gott stärke J . L. und segne dieselbe mit dem Sohn."

Es hat etwas Wohltuendes, den Lebensabend der schwer geprüften Frau so freundlich erhellt zu sehen. Zu dem „lieben schönen Prinzgen" gesellte sich bald noch ein Prinzesschen, aber schon war der fröhlichen Großmutter das Lebensziel gesetzt. Sie starb am 6. Juli 1657, erst 57 Jahre alt. Über ihr letztes Stündlein ist nichts erhalten. Ihre Ruhestätte fand sie im Dom zu Güstrow bei ihrem Gemahl und ihren vorangegangenen Kindern. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Was beim Durchsehen ihrer Briefe auffällt, ist, dass sich nirgends eine Andeutung über ihr reformiertes Bekenntnis darin findet. Vermied die kluge Frau die Berührung dieses Hauptgrundes der Trennung von ihrem Sohne den lutherischen Verwandten gegenüber und in den Briefen an den Sohn, auch vielleicht absichtlich solange er noch unter der Vormundschaft des Oheims stand, weil sie fürchten musste, dass der schriftliche Verkehr mit dem Prinzen ihr untersagt werden könne, so hätte sie doch später, als er ihr als freier Mann gegenüberstand, diesen Punkt ungehindert erörtern dürfen, aber nichts erinnert ihn daran. Vielmehr bewegt sie sich, obgleich keines ihrer Schreiben ihren frommen Sinn und festen Glauben verleugnet, stets im Rahmen einer von jedem Christen ohne Unterschied der Konfession annehmbaren Ausdrucksweise, und niemand kann sie nach ihren Briefen für eine fanatische Calvinistin halten, da sie doch dem Sohne völlig frei gegenübersteht. Ebensowenig äußert sie giftigen Hass oder nachhaltige Bitterkeit. Ihr warmes Mutterherz und ihr Gott ergebener Sinn, der auch in den schwersten Tagen unverzagt, den Blick nach oben gerichtet, seinen Weg sucht und findet, machen uns die schwer geprüfte Frau besonders sympathisch.

Mit dem Wunsche, noch eine Spur ihres Lebens und Sterbens zu finden, fuhr ich eines Tages nach Altstrelitz und suchte den Pastor auf, um in den Kirchenbüchern nach einer Notiz zu suchen. Leider ohne jeden Erfolg. Das alte schmale Lederbändchen, von der Größe eines ansehnlichen Notizbuches, so verheißungsvoll es auch aussah, enthielt nichts von ihr. Es war erst 1699 begonnen, und ich fand aus früheren Zeiten nur unvollkommene Nachträge. Wahrscheinlich machte man damals über fürstliche Personen überhaupt keine Eintragungen, und hier handelte es sich überdies um eine Calvinistin. Auf dem Bücherregal des Pfarrers entdeckte ich noch ein merkwürdiges Buch in fein geprägtem alten Ledereinband, eine erste Lebensbeschreibung Luthers aus dem sechzehnten Jahrhundert. Der Verfasser hatte Predigten über Luthers Leben gehalten. Ich besuchte dann die Kirche, einen Fachwerkbau aus dem achtzehnten Jahrhundert. Das frühere Gebäude war ein Raub der Flammen geworden, und das 1623 errichtete musste schon 1720 erneuert werden, wozu, wie aus erhaltenen Papieren hervorgeht, in ganz Deutschland gesammelt wurde. Die Kirche liegt auf einem ziemlich eng von Häusern umstandenen Platze; Gras sprosst zwischen den Steinen des Pflasters, das sie umgibt, und man erzählt, dass der Bürgermeister bisweilen seine Kuh schicke, um es abweiden zu lassen. –

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Erde - Wanderungen durch Mecklenburg