Abschnitt 5
Übrigens hat sich Altstrelitz gehoben; das Technikum, das dort jetzt seinen Sitz hat, zieht Leute in die Stadt. Neue Häuser sind erbaut, die Juden meist verschwunden; ehedem durften sie im Strelitzer Lande nirgends sonst wohnen.
Damals lief auch die große Verkehrsstraße, die Chaussee, von Berlin kommend, hierdurch, nun ist es nur noch ein Berührtwerden durch die Bahn, da haben sich die spekulativen Geister hauptsächlich nach Neubrandenburg verzogen.
Ich suchte nun die Stätte des alten Schlosses auf. Die Gebäude auf der Insel, die heute nur noch Halbinsel ist, brannten 1712 total ab. Noch muss man auf einer Brücke einen breiten Wasserarm überschreiten, um das massiv plumpe Eingangstor zu erreichen, das neu ist, aber die alte Schlossanlage kann man noch verfolgen. Wenn man über die Brücke kam, stand auf einer Seite der Haupt- turm, und an der anderen war der Garten, dann kam das Pf?rtner- und Pfeiferlosament mit dem Hühnerboden, andere Wirtschaftsräumlichkeiten und schließlich ein großer, länglicher, jetzt dreistöckiger Bau, das eigentliche Schloss. Heute ist das Gebäude, das offenbar auf alten, gewölbten Unterbauten, die das Feuer verschont haben mag, errichtet ist, Gefängnis, Landarbeits- und Zuchthaus für Verbrecher weniger schwerer Art. Schwerlich war das ehemalige Schloss viel größer; von den oberen Fenstern hatte und hat man gewiss einen weiten Umblick über grünes Wald- und Wiesenland. Ob die alte Landstraße, wie heute die Chaussee, dicht an der Insel vorbeiging, ist fraglich.
Im Garten des Drostenhauses, das mit seinen schönen Stuckdecken auch noch aus den Zeiten stammt, da der Hof hier residierte und das damals Kavalierhaus gewesen sein mag, saßen wir und freuten uns des Frühlingstages; bunte Tulpen, Narzissen und kleine blasslila Lilien blühten, und eine junge Blutbuche breitete ihre zart belaubten Zweige aus. Gefangene in hellen Sträflingsanzügen arbeiteten im Gemüsegarten oder säuberten den lichtgrünen Rasenteppich von Unkraut. Das alte graue Wohnhaus mit seiner Steinbalustrade um die erhöhte Terrasse zwischen seinen unregelmäßig vorspringenden Flügeln sah malerisch hervor hinter dem Schleier jungen Grüns, das die großen Bäume davor spannen, und fröhliche Kinder tummelten sich in den Büschen.
Vielleicht hatte Herzogin Eleonore Marie sich auch einst solcher Frühlingstage dort drüben in ihrem kleinen Obstgarten erfreut. –
Aus der Zeit, da Altstrelitz Residenz war, um die Wende des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, als Mecklenburg durch den Hamburger Vergleich nach langem Erbchaftsstreit in die Herzogtümer Schwerin und Strelitz geteilt wurde, verdient der Begründer der Strelitzer Linie, Herzog Adolph Friedrich II., der in erster Ehe eine Enkelin der Herzogin Marie Eleonore zur Gemahlin hatte, der Erwähnung. In seinen Erwartungen getäuscht, denn er hatte als Schwiegersohn des letzten Güstrower Herzogs, und von diesem testamentarisch als Erbe eingesetzt, auf die ganzen Güstrower Lande gerechnet und musste sich nach jahrelangem Streite, durch Verrat seines eigenen Sachverwalters betrogen, mit einem bedeutend verkleinerten Landesteile begnügen. Aber er setzte allen verbitterten Missmut beiseite, und es ist rührend zu sehen, mit welcher Sorgfalt er sich um die Hebung des durch den Krieg daniederliegenden Landes bemühte und unablässig neue Nahrungsquellen zu öffnen trachtet. Er führte den Tabakbau ein, wobei er sich um die Anpflanzungen bis ins einzelne kümmerte. Er sorgte dafür, dass Korbweiden gezogen wurden, um Körbe zum Verpacken der Blätter zu flechten, suchte den durch den Krieg zerstörten Hopfenbau wieder zu heben und interessierte sich lebhaft für die Gartenkultur und die Obstzucht. Man zog bereits Spargel und Kopfsalat in Frühbeeten; die Erträge wanderten zur Verwertung nach Berlin. Mit der Schafzucht beschäftigte er sich eingehend, so dass er die Register über Bestand und Zuwachs oft mit eigener Hand führte. Die Textilindustrie, die ganz danieder lag, beförderte er durch die Anlage von Walk- mühlen und Tuchfärbereien. Er führte die ganze Korrespondenz mit seinen Beamten eigenhändig, und Tausende von Briefen des fleißigen Mannes sind erhalten. In Hamburg besorgte sein tüchtiger Faktor Paul Krey den Absatz der Erzeugnisse, die meist auf dem Wasserwege, bisweilen auch durch Fuhrwerk, dorthin befördert wurden. Dieser Mann verschaffte auch die ,,China Appels“ (Apfelsinen), Austern und andere Delikatessen für die herzogliche Tafel. Denn der Herzog hielt auf fürstliche Küche und Haushalt, obwohl er kein Verschwender war. Die Schwächen seiner Zeit hafteten ihm freilich an, wenn er auch in seinem Strelitzer stillen Leben, im Kreise der seinen, kaum in die Generation Ludwig XIV. zu passen scheint. Fast an allen Höfen trieben damals Goldmacher ihren Schwindel, was Wunder, dass der oft in harter Geldnot steckende Herzog sich auch mit diesen Betrügern einließ. Aber es ist charakteristisch für ihn, dass er im Verkehre mit ihnen nicht nur sehr vorsichtig war, sondern, wenn auch kein Geld, so doch anderen Nutzen gewann. So lernte er die Bereitung der kalzinierten Pottasche und das Glasmachen von ihnen. Erstere vertrieb er gut bezahlt nach Hamburg, auch legte er eine Glashütte an. Seinen Untertanen ein milder und gütiger Fürst, Suchte er in pflichttreuem Fleiß die schrecklichen Wunden mit Erfolg zu heilen, die der entsetzlichste aller Kriege geschlagen hatte. - - - - - - - - - -
Einer seiner Urenkel ist ihm in mancher Beziehung ähnlich gewesen; auch er überkam sein kleines Land, von Kriegsstürmen verheert, und hat in treuer Fürsorge zu bessern und zu heben versucht. Das ist der schon erwähnte Großherzog Georg, den ich noch persönlich gekannt habe. Seinem Sommeraufenthalte galt ein anderer Besuch.
Damals lief auch die große Verkehrsstraße, die Chaussee, von Berlin kommend, hierdurch, nun ist es nur noch ein Berührtwerden durch die Bahn, da haben sich die spekulativen Geister hauptsächlich nach Neubrandenburg verzogen.
Ich suchte nun die Stätte des alten Schlosses auf. Die Gebäude auf der Insel, die heute nur noch Halbinsel ist, brannten 1712 total ab. Noch muss man auf einer Brücke einen breiten Wasserarm überschreiten, um das massiv plumpe Eingangstor zu erreichen, das neu ist, aber die alte Schlossanlage kann man noch verfolgen. Wenn man über die Brücke kam, stand auf einer Seite der Haupt- turm, und an der anderen war der Garten, dann kam das Pf?rtner- und Pfeiferlosament mit dem Hühnerboden, andere Wirtschaftsräumlichkeiten und schließlich ein großer, länglicher, jetzt dreistöckiger Bau, das eigentliche Schloss. Heute ist das Gebäude, das offenbar auf alten, gewölbten Unterbauten, die das Feuer verschont haben mag, errichtet ist, Gefängnis, Landarbeits- und Zuchthaus für Verbrecher weniger schwerer Art. Schwerlich war das ehemalige Schloss viel größer; von den oberen Fenstern hatte und hat man gewiss einen weiten Umblick über grünes Wald- und Wiesenland. Ob die alte Landstraße, wie heute die Chaussee, dicht an der Insel vorbeiging, ist fraglich.
Im Garten des Drostenhauses, das mit seinen schönen Stuckdecken auch noch aus den Zeiten stammt, da der Hof hier residierte und das damals Kavalierhaus gewesen sein mag, saßen wir und freuten uns des Frühlingstages; bunte Tulpen, Narzissen und kleine blasslila Lilien blühten, und eine junge Blutbuche breitete ihre zart belaubten Zweige aus. Gefangene in hellen Sträflingsanzügen arbeiteten im Gemüsegarten oder säuberten den lichtgrünen Rasenteppich von Unkraut. Das alte graue Wohnhaus mit seiner Steinbalustrade um die erhöhte Terrasse zwischen seinen unregelmäßig vorspringenden Flügeln sah malerisch hervor hinter dem Schleier jungen Grüns, das die großen Bäume davor spannen, und fröhliche Kinder tummelten sich in den Büschen.
Vielleicht hatte Herzogin Eleonore Marie sich auch einst solcher Frühlingstage dort drüben in ihrem kleinen Obstgarten erfreut. –
Aus der Zeit, da Altstrelitz Residenz war, um die Wende des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, als Mecklenburg durch den Hamburger Vergleich nach langem Erbchaftsstreit in die Herzogtümer Schwerin und Strelitz geteilt wurde, verdient der Begründer der Strelitzer Linie, Herzog Adolph Friedrich II., der in erster Ehe eine Enkelin der Herzogin Marie Eleonore zur Gemahlin hatte, der Erwähnung. In seinen Erwartungen getäuscht, denn er hatte als Schwiegersohn des letzten Güstrower Herzogs, und von diesem testamentarisch als Erbe eingesetzt, auf die ganzen Güstrower Lande gerechnet und musste sich nach jahrelangem Streite, durch Verrat seines eigenen Sachverwalters betrogen, mit einem bedeutend verkleinerten Landesteile begnügen. Aber er setzte allen verbitterten Missmut beiseite, und es ist rührend zu sehen, mit welcher Sorgfalt er sich um die Hebung des durch den Krieg daniederliegenden Landes bemühte und unablässig neue Nahrungsquellen zu öffnen trachtet. Er führte den Tabakbau ein, wobei er sich um die Anpflanzungen bis ins einzelne kümmerte. Er sorgte dafür, dass Korbweiden gezogen wurden, um Körbe zum Verpacken der Blätter zu flechten, suchte den durch den Krieg zerstörten Hopfenbau wieder zu heben und interessierte sich lebhaft für die Gartenkultur und die Obstzucht. Man zog bereits Spargel und Kopfsalat in Frühbeeten; die Erträge wanderten zur Verwertung nach Berlin. Mit der Schafzucht beschäftigte er sich eingehend, so dass er die Register über Bestand und Zuwachs oft mit eigener Hand führte. Die Textilindustrie, die ganz danieder lag, beförderte er durch die Anlage von Walk- mühlen und Tuchfärbereien. Er führte die ganze Korrespondenz mit seinen Beamten eigenhändig, und Tausende von Briefen des fleißigen Mannes sind erhalten. In Hamburg besorgte sein tüchtiger Faktor Paul Krey den Absatz der Erzeugnisse, die meist auf dem Wasserwege, bisweilen auch durch Fuhrwerk, dorthin befördert wurden. Dieser Mann verschaffte auch die ,,China Appels“ (Apfelsinen), Austern und andere Delikatessen für die herzogliche Tafel. Denn der Herzog hielt auf fürstliche Küche und Haushalt, obwohl er kein Verschwender war. Die Schwächen seiner Zeit hafteten ihm freilich an, wenn er auch in seinem Strelitzer stillen Leben, im Kreise der seinen, kaum in die Generation Ludwig XIV. zu passen scheint. Fast an allen Höfen trieben damals Goldmacher ihren Schwindel, was Wunder, dass der oft in harter Geldnot steckende Herzog sich auch mit diesen Betrügern einließ. Aber es ist charakteristisch für ihn, dass er im Verkehre mit ihnen nicht nur sehr vorsichtig war, sondern, wenn auch kein Geld, so doch anderen Nutzen gewann. So lernte er die Bereitung der kalzinierten Pottasche und das Glasmachen von ihnen. Erstere vertrieb er gut bezahlt nach Hamburg, auch legte er eine Glashütte an. Seinen Untertanen ein milder und gütiger Fürst, Suchte er in pflichttreuem Fleiß die schrecklichen Wunden mit Erfolg zu heilen, die der entsetzlichste aller Kriege geschlagen hatte. - - - - - - - - - -
Einer seiner Urenkel ist ihm in mancher Beziehung ähnlich gewesen; auch er überkam sein kleines Land, von Kriegsstürmen verheert, und hat in treuer Fürsorge zu bessern und zu heben versucht. Das ist der schon erwähnte Großherzog Georg, den ich noch persönlich gekannt habe. Seinem Sommeraufenthalte galt ein anderer Besuch.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Erde - Wanderungen durch Mecklenburg