Abschnitt 3

Dass damit der Friede nicht hergestellt war, liegt auf der Hand. Vielmehr entspann sich nun ein Kampf, der sich durch sieben Jahre hinzog und von beiden Seiten mit der größten Hartnäckigkeit geführt wurde.

An die Schwägerin schreibt die Herzogin mit bitterer Klage, dass man sie nur zu ihrem Sohne lasse, wenn dieser krank sei. Sie ist in solchen Fällen wiederholt in Bützow bei ihm gewesen, doch musste Sie ohne Begleituug kommen, da der Herzog eine gewaltsame oder listige Entführung des Kindes befürchtete. Sie klagt: "Da sich mein Sohn, Gott sei Lob wieder gebessert, werde ich mich mit Ehestem wieder nach Güstrow begeben müssen. E. L. können leicht ermessen, mit was Schmerzen ich abermals von meinem Kinde scheiden muss, denn ich nit weiß, wann oder in was vor einen Zustand ich ihn wieder finde und sehe. Der Allerhöchste, der mir dies schwere und fast unerträgliche Kreuz auferlegt, wolle mir helfen es tragen und ferner geduldt verleihen."


Es würde zu weit führen, hier auf alle Einzelheiten dieses Streites, in dem bald die eine, bald die andere Partei den Sieg errang, einzugehen. Er spann sich fort, trotz des entsetzlichen Elends, das der Dreißigjährige Krieg über das blühende, wohlhabende Land heraufbeschwor, das von Schweden und Kaiserlichen gleich zertreten und in eine Einöde verwandelt wurde. Aber es ist interessant zu beobachten, wie die Art, in der er geführt wurde, den beiden Persönlichkeiten des Herzogs und seiner Schwägerin entspricht, die beide mit gleicher Zähigkeit an ihrem Rechte festhielten. Der Herzog, ein kluger, sehr energischer und dabei leidenschaftlicher Mann, betrachtete die ganze Angelegenheit als eine Sache, die er zum Schutze des ihm anvertrauten Landes und des lutherischen Glaubens seines Volkes, im Bewusstsein seines guten Rechtes als Familienhaupt und regierender Herr hinausführen müsse. Er scheute, wie wir sahen, vor keinen Gewaltmaßregeln zurück und ließ sich in dieser Sache, unterstützt von seinen Ständen, weder durch Zureden noch Einreden, weder durch Erfolg noch Misserfolg, ja nicht einmal durch kaiserliche Mandate von seinem einmal für richtig erkannten Wege abbringen. Dem entsprach seine Kampfesweise, die nie das Wohl des Ganzen aus den Augen verlor, und mit den gegebenen Mitteln, durch Gesandtschaften, Proteste, Denkschriften usw. dem Kaiser und den anderen Fürsten gegenüber seinen Standpunkt verfocht.

Nicht so Eleonore Marie. Sie führte den Kampf lediglich als die Mutter ihres unmündigen Kindes, und während man dem Herzog unrecht tun würde, wenn man ihm persönliche Motive unterschöbe, handelte sie nur aus persönlichen Ursachen, und bei allem Mitgefühle, das man ihr zuwendet, kann man doch nicht leugnen, dass die Rücksicht auf das Wohl des Landes sie in der Wahl ihrer Mittel nicht immer beeinflusst hat. Aus dem Empfinden ihres geängstigten Mutterherzens heraus setzte sie alles in Bewegung, um das Recht, das ihr das Testament des Gatten zusprach, durchzufechten. Dabei war ihr kein Weg zu mühsam, keine Angriffspforte zu eng. Sie schrieb ungezählte Briefe, wandte sich an Fürstinnen, Kurfürstinnen, ja an die Kaiserin selbst und suchte die Herzen der fürstlichen Frauen und damit die Stimmen ihrer Männer zu gewinnen. Gesandtschaften und vertraute Boten schickte sie an alte zuständigen Höfe und Personen, selbst ins Ausland, mit Klugheit und Gewandtheit jede Möglichkeit benutzend und ihrem Gegner oft zuvorkommend. Es nimmt wunder, woher sie die großen Geldmittel nahm, die damals zum Führen jeder Rechtssache nötig waren, selbst die Reichshofräte verlangten für ihre Unterstützung goldenen Händedruck und Traktamente. Schwerlich konnten die verödeten Ämter des Mecklenburger Landes ihr die Summen zuführen, und Unterstützungen von außerhalb müssen ihr geholfen haben. Sie war klug, fast verschlagen im Betrieb ihrer Angelegenheit, so dass es ihr wirklich gelang, eine Zeit hindurch nicht nur Kaiser Ferdinand III., sondern auch dessen erbitterten Feind, den schwedischen Heerführer General Baner, auf ihre Seite zu ziehen. Ja, sie erreichte wirklich, dass ihr der Kaiser 1639 am 10. Oktober, das kaiserliche Tutorium, die Bestätigung ihrer Vormundschaft, zugehen ließ, aber das half ihr einem Gegner wie Adolf Friedrich gegenüber ebensowenig, wie ihre kluge Nachgiebigkeit, mit der sie seinem Vorgehen den Boden zu entziehen suchte, indem sie sich darein zu fügen versprach, dass nicht sie selbst, sondern ihr Stiefschwiegersohn, der Herzog August von Braunschweig, der lutherisch war, die Erziehung des kleinen Gustav Adolph übernähme. Der Schweriner wich weder dem kaiserlichen Mandate, dem er stillschweigend den Gehorsam versagte, noch lieferte er seinen Neffen den Braunschweigern aus, die unverrichteter Sache wieder abziehen mussten. Seine Räte sollen geäußert haben: „Wenn zwanzig Fürsten dahin kämen und hundert kaiserliche Mandate mit sich brächten, so würde ihr Herr nicht parieren, noch sich von seinem Rechte abbringen lassen." –

Indessen gelang es ihm nicht, Eleonore Marie aus Güstrow zu vertreiben; die Gegner waren einander gewachsen. Jedenfalls hat sie die Residenz nur vorüber- gehend verlassen. Ihre beiden Stiefschwiegersöhne, Herzog August von Braunschweig und Franz Albrecht von Lauenburg, waren ebenso treue Verfechter ihrer Sache wie ihr Bruder Christian. Sie war also wohl eine gute Stiefmutter. Einmal schreibt sie, sie sei ,,ganz ausgemergelt vor Sorge und Angst". Als sie hört, dass man den Prinzen außer Landes bringen wolle, schreibt sie: ,,Ob man mit gutem Gewissen ein solch klein Kind, das in seiner zarten Kindheit und Unschuld lebt, so ganz in fremde Länder schicken könne, lasse ich andere urteilen. ... Ew. L. urteilen, was ich vor Sorge und Angst um des Kindes willen aus- stehen muss und ob ich nicht lieber wünschen sollte, dass er bei dem lieben Gott wäre. - -"

Endlich brachte das Jahr 1642 mit der Entscheidung des Kurfürstenkollegiums den vollständigen Sieg für Herzog Adolf Friedrich, dem Vormundschaft und Regentschaft endgültig zugesprochen wurden, doch zog sich das Hin und Her der Aussöhnungsversuche bis 1644 hin. Der Erbprinz war inzwischen elf Jahre alt geworden, und seine Mutter, die sich nun auf ihren Witwensitz Strelitz zurückzog, nahm vielleicht die Beruhigung mit, dass seine Erziehung nicht vernachlässigt, vielmehr sorgfältig geleitet wurde; dennoch mag sie schweren Herzens die durch viel Leid und Freud geweihte Heimat und das stattliche Schloss, mit der durch den Krieg teilweise ruinierten Inselburg, bei dem verödeten Städtchen, vertauscht haben. Zwar hatte sie zwei noch vorhandene, mit großen Siegelabdrücken versehene kaiserliche Schutzpatente für ihre Besitzungen erworben, aber Akten von 1644 bis 1647 und 1648 reden von der Wiederherstellung der „ruinierten" Wittumsämter. Das Schloss war eine weitläufige Gebäudeanlage mit zwei Türmen, am Tor „ein Losament für den Pförtner und eines für den Pfeifer, darüber ein Hühnerboden". Das Geländer um den Garten mit Obstbäumen hatten die Soldaten abgebrochen. Ein breiter Graben mit drei Brücken umgab die Insel. Freud und Leid folgten der Herzogin auch hierher. Sie verlor ihre jüngste, zwölfjährige Tochter dort und ihre älteste vermählte sich mit dem Herzog Ludwig von Brieg. Eine lebhafte Korrespondenz mit dem herangewachsenen Sohn unterhielt die vereinsamte Frau fort und fort. Als er seine große Kavalierreise durch Europa antrat, ermahnte sie ihn, den Versuchungen der Sünde und allen üppigen Wollüsten zu widerstehen und „männlich wider seine eigenen Affecta" zu streiten und hofft, dass er begierig sein werde, Land und Leute, die ihm Gott anvertraut habe, zu regieren. Sie wird herzlich froh sein, wenn er aus Frankreich ist, und noch froher, ihn erst wieder in „Teutschland" zu wissen. –

Sie benutzte seine Abwesenheit zu einem langen Besuchein Brieg bei der Tochter, ließ sich ein Porträt, das ihr der Sohn schenkte, nachkommen, meinte aber, so viel Freude sie daran habe, das Original wäre ihr doch lieber.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Erde - Wanderungen durch Mecklenburg