mein-mv.jpg

Es ist ganz neu gebaut vor dem Tore auf der Straße nach Doberan, in schönem mittelalterlichen Style, mit einem Garten und gehörigem Hofraum. Die Lage ist ganz gut, nur ist das Haus als Spital viel zu nahe der geräuschvollen Straße. Es kostet zwischen 50- und 60.000 Thlr. zu erbauen, welche Mittel aus der alten Stiftung, von der Stadt und dem Großherzog beschafft wurden.

Außerdem zahlt das Domänium noch eine jährliche Summe für Reservierung einer Anzahl Betten für seine Kranken. Dieses Krankenhaus dient nun zugleich als medizinische und chirurgische Klinik, die in die verschiedenen Stockwerke verteilt sind,so dass jede Klinik einen Stock bewohnt. Im dritten Stock ist die Krätzeabteilung, und die Badeanstalt. Herrliche Treppen, prächtige Gänge, schöne Zimmer (die vielleicht etwas zu tief sind) geben dem Hause eher den Anschein eines Herrenhauses, als eines Spitals. Doch es ist schön, es ist human, dem Armen sein Elend auf jede Weise erträglicher zu machen, und ein gewisser Luxus bei solchen Anstalten ist ganz gut, wenn nur darüber die Zweckmäßigkeit nicht versäumt ist. Und dies ist hier nicht. Dass es zweckmäßig ist, beweist schon der Umstand, dass im ersten Halbjahr seiner Eröffnung schon eine Deputation der Stadt Stralsund dort war, um sich den Bau als Muster für ein neues städtisches Krankenhaus einzusehen. Als Erbauer des Krankenhauses muss man den Ober- Med. -Rat Strempel bezeichnen, der mit der größten Mühe und Unverdrossenheit den einmal gefassten Plan durchsetzte, und sich keine Arbeit, keine Reise verdrießen ließ, um seine Lieblingsidee zur Tat werden zu lassen. Das Krankenhaus war im Sommer 1855 eröffnet, und im Anfang noch schärfer belegt. Es ist im Ganzen für 50—60 Kranke Raum. Außerdem ist Wohnung vorhanden für einen medizinischen und einen chirurgischen Assistenten, ein Zimmer für Instrumente, ein Bibliothek- und Präparatenzimmer etc. In der Bibliothek finden sich auch eine Menge von Abbildungen, Zeichnungen, und eine Menge Foliobände mit Krankengeschichten, schön geordnet, und gebunden. — In den unteren Räumen ist die Totenkammer, Sektionszimmer etc. auf der einen, die Küche auf der andern Seite. Um nun das Tragen der Speisen aus der tiefen Küche zu vermeiden, sind Vorrichtungen getroffen, dass die Speisen mittelst eines Seiles können aufgezogen werden. — Besondere Sorgfalt ist auf die Abtritte verwendet, und sie sind auch wirklich bequem für die Kranken und geruchlos ausgefallen. — Beide Etagen sind ganz gleich gebaut; die chirurgische Abteilung ist eine Treppe hoch; es ist dies dasselbe Verhältnis, wie im neuen Krankenhause zu Göttingen. Wenn auch die Treppen in Rostock palastähnlich, die Gänge breit und hell sind, so ist es doch immerhin mit dem Transport chirurgischer Kranken misslich, und es möchte doch das umgekehrte Verhältnis vorzuziehen sein, dass nämlich die chirurgische Abteilung unten und die medizinische obenhin gehört. Auf der chirurgischen Abteilung waren damals eine Menge Knochenkranker, die sonst selten vorkommen. —

 

Strempel ist ein äußerst strebsamer Mann, beharrlich und eifrig; bei seiner Masse von Geschäften ist er noch nicht dazu gekommen, viel als Schriftsteller aufgetreten zu sein; sein Hauptverdienst bleibt auch die eigentliche Gründung der Kliniken in Rostock. Beim Beginn seiner Laufbahn hat er in einem Keller, den er gemietet hatte, seine Klinik gehalten, und zwar zu gleicher Zeit medizinische, chirurgische und geburtshilfliche Klinik, und noch nebenbei das Irrenhaus besorgt. Zu gleicher Zeit war er auch damals Vorstand der naturwissenschaftlichen Museen, und der Mann hat Zeit gefunden, neue zu bauen und sie wesentlich zu bereichern.

 

Der inneren Klinik steht Tierfelder vor; er ist bekannt durch seine fleißige Arbeit über den Typhus; seine Lieblingsbeschäftigung ist Mikroskopie. Seinen unermüdlichen Fleiß und seine Liebenswürdigkeit weiß man nicht genug zu loben. Es ist eine Freude, die Einigkeit mit dem Vorstand der chirurgischen Abteilung zu sehen; man kann in Wahrheit sagen, beide Professoren haben das Krankenhaus in Gemeinschaft, einer beratet den andern, einer unterstützt den andern in wissenschaftlicher und praktischer Beziehung. Was auch in diesem Krankenhause auffallend ist, ist, dass Scrofeln und Tuberkeln, wenn auch nicht selten, doch jedenfalls nicht in der Ausdehnung vorkommende Krankheiten sind, wie in Frag und Wien. — Die Krätze wird mit Schmierseife und Kali caustic. geheilt. Syphilis, von der nach Kaltwasserbehandlung einige schwere Fälle gerade vorlagen, wird in derRegel mit gelbem Jodquecksilber behandelt. Dergleichen sieht man namentlich auf der Abteilung für zahlende Kranke, die übrigens hier ebenfalls billig ist.

 

Aus: Das medizinische Mecklenburg: Notizen, gesammelt auf einer Reise im Winter 1855-56. Von Hofrat Dr. L. Spengler. 1858

 

 

Die beliebte Kinderbuch-Figur Hein Hannemann macht Rostock und Umgebung unsicher. Lernen Sie Hein und seinen treuen Begleiter kennen. zur Website Hein Hannemann >>