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001 Portrait: Schiller. - G. Schlick / Sichling.Schillerjahr 2009 – Am 10. November jährt sich der Geburtstag von Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759-1805) deutscher Dichter, Philosoph und Historiker, zum 250. Mal.
Friedrich Schiller auf den Pfaden russischer Legenden. Einige Bemerkungen zu seinem „Dimetrius-Fragment“ vom 1804.

Illustriert mit Portraits von Zeitgenossen.

Friedrich Schiller ist in Russland besonders beliebt. Er interessierte sich auch sehr für die russische Geschichte. Schon 1802 notierte Schiller in seiner Dramenliste ein Schauspiel, das später den Titel „Bluthochzeit in Moskau“ tragen sollte, und nach seinem Tod als das „Demetrius - Fragment“ angekündigt wurde. Den Beginn der Arbeit vermerkte Schiller am 10 März 1804.

Zar Ivan der IV. von Russland gen. der Schreckliche 1530-1584Dieses Thema beschäftigte ihn mit Unterbrechungen bis wenige Tage vor seinem Tod (9. Mai 1805). Am 25. März 1805 schrieb Schiller an C. G. Körner „der Stoff ist historisch, und so wie ich ihn nehme, hat er volle tragische Größe und könnte in gewissem sinne das Gegenstück zu der Jungfrau von Orleans heißen, ob er gleich in allen Teilen davon verschieden ist“. Die Ausarbeitung gelang ihm nur bis zur zweiten Szene des zweiten Aufzugs. Das Dramenfragment erschien in Tübingen 1815 im Morgenblatt bei G. G. Körner (Nr.258/259), später in Weimar 1894. Dieses Fragment von Schiller hat eine Fülle von Deutungen berühmter Germanisten auf sich gezogen. Es sind folgende Beiträge, wie A. Mielke Schillers „Demetrius“ nach seinem szenischen Aufbau und seinem tragischen Gehalt“ (Dortmund,1906), Die Entstehung des Schiller’schen „Dimetrius“. Ein Versuch zur kritischen Sichtung des Fragments. Dissertation von A. Horndorff in Leipzig 1909, „Der falsche Dimetrius“ in der Auffassung Schillers und Hebbels“ von E. Castle (in FHD 1930), Schillers „Dimetrius“ als Schicksalsdrama. Mit einer Bibliographie: Dimetrius in der deutschen Dichtung (von H. Kraft für F. Beissner, Hrsg. U. Gaier und W. Volke, Bebenhausen 1974, S.226-236), „Dimetrius“- in Schillers Dramen. Neue Interpretationen, von F. Martini (Hrsg. W. Hinderer. Stg.1983) und s.w.) zu erwähnen.

Der erste Pseudodemetrius 1581-1606Mit diesem Werk wollte Schiller seine Gegenwart kommentieren, die Französische Revolution und die daraus resultierende Herrschaft Napoleons, der sich 1804 zum Kaiser krönen ließ. Wie Martini behauptete, der Dramenentwurf sucht offensichtlich vor dem Hintergrund des Terrors der Revolution und auf Kosten der Utopie der Aufklärung „im Prinzip der Legalität Ordnungsbewahrender Art“, ohne dass es gelänge den Widerspruch zwischen dem humanistischen, inhaltlichen Anspruch der Schillernchen Konzeption und dem formalen Legalitätsprinzip zu vermitteln.

Das „Dimetrius-Fragment“ vom 1804 hat einen bestimmten historischen Hintergrund – die Geschichte jenes  „falschen Demetrius“, der sich 1603 für den 1591 auf Geheiß von Boris Godunow ermordeten Dimitrij, Sohn Iwans des Schrecklichen, ausgab, mit Hilfe des polnischen Königs Sigismund III. einen Feldzug nach Moskau unternahm und dort zum Zaren gekrönt und 1606 bei einem Aufstand ermordet wurde. Im Jahre 1606 überschritt der erste Pseudodimetrius die Grenzen Russlands. Mit seiner Ankunft unter dem falschen Namen des verstorbenen Zarewitsch begann die lange Zeit der Wirren (Smuta), die das Land an den Rand einer Katastrophe führte. Es ist nicht so wichtig, festzulegen, wer sich hinter der Maske des Sohns Iwans des Schrecklichen verbarg, als vielmehr die Bedingungen zu erhellen, die es möglich machten, das die Umtriebe des Usurpators schreckliche Ausmaße erreichte.

Nach dem Tod von Godunow trat im Zuge der Kosaken- und Bauernaufstände 1606/07 ein zweiter Pseudo-Demetrius, der sogenannte „Schelm von Tuschimo“ als weiterer Thronfolger auf.

Goldmünzen des ersten PseudodemetriusDemetrius erscheint bei Schiller „in einem unschuldig schönen Zustand als der liebenswürdigste und herrlichste Jüngling, der die Gnade Gottes hat und Menschen“.

Es gelingt ihm auf dem polnischen Reichstag zu Krakau, den Gesandten seine Identität glaubhaft zu machen, von der er selbst überzeugt ist. Er wird sogar vom polnischen König mit Marina, der Tochter des ersten Woiwoden verlobt. Die Polen sind bereit für ihn in den Kampf zu ziehen.

Der Anfang des zweiten Akts zeigt Marfa, die Mutter des echten Demetrius, im Kloster, erfüllt von der Hoffnung, ihren seit 16 Jahren tot geglaubten Sohn wiederzusehen. Hier bricht das Fragment ab. Aber es sind zahlreiche Vorarbeiten Schillers - Prosaskizzen, Schemata zum Verlauf der Handlung – überliefert. Das bedeutet, dass Schiller am Charakter seines Helden interessiert war, der bis zu seinem späteren Sieg über den Usurpator des Zarenthrones, Boris Godunow, in dem festen Glauben handelt, tatsächlich der rechtmäßige Thronfolger zu sein. Diese Überzeugung gibt ihm die Kraft, sich zum Oberhaupt seines Volkes zu machen. Aber als ihm auf dem Gipfel seines Erfolgs der Mörder des wahren Demetrius begegnet, ihm seine wirkliche Herkunft entdeckt und gesteht, er habe ihn als den falschen Demetrius heranwachsen lassen, um sich an dem Zaren Boris zu rächen, verliert er sein Selbstbewusstsein und damit seine Macht.

Schließlich fällt er wie Marfa - die Mutter des echten Demetrius, die ihn aber nie als ihren Sohn anerkannte – einem Volksaufstand zum Opfer. Diese innere göttliche Stimme, dem  Demetrius folgt, führt ihn nicht zur Wahrheit, sondern, sie ist verbunden mit den historischen Umständen. So entpupt sich Demetrius als betrogener Betrüger.

Übrigens, wer Boris Godunows Gegenspieler, der falsche Dimitrij war, ist nicht zu klären. Seine Gestalt hat übrigens viele Dramatiker wie Lope de Vega, F. Hebbel, A. Ostrovskij beschäftigt.

133 Portrait: Goethe. - A. Neumann / J. G. FlegelFest steht, sein Auftauchen in Krakau, seine heimliche Konversion zum Katholizismus und die Unterstützung, die König Sigismund III. von Polen ihm gewährte, seine elfmonatliche Regierungszeit in Moskau und seine Ermordung auf Betreiben des Bojaren Zujskij.

Die historischen Quellen behaupten, dass die Dynastie von Iwan Kalitag, die Moskau 300 Jahre lang regiert hatte, am Ende des 16. Jahrhunderts erlosch. Die letzten Vertreter waren Zar Fedor und sein Bruder Dmitrij. Das Testament Iwans IV. sah vor, der Zarewitsch Dmitrij solle ein unabhängiges Fürstentum mit der Hauptstadt Uglitsch bekommen. Es wurde im Namen Dmitrijs von seiner Mutter, der Zarin Maria, und ihren Brüdern, den Dworjanin Nagij, regiert. Der Zarewitsch Dmitrij litt unter Epilepsie. Während einer seiner immer wiederkehrenden Anfälle verletzte er sich tödlich am Hals. Er spielte mit seinen gleichaltrigen Kameraden. Sie warfen dabei abwechselnd ein Messer ins Innere eines Kreises, der auf den Boden gezeichnet war. Die Duma entsandte den Fürsten Wassilij Schujskij mit dem Auftrag nach Uglitsch, den Vorfall zu untersuchen. Er tat dies sehr genau und kam ohne die Möglichkeit eines Zweifels zu dem Schluss, dass der Zarewitsch durch einen Unfall ums Leben gekommen war. Dmitrijs Mutter Maria Nagaja, und ihre Brüder behaupteten jedoch, es handle sich um Mord, was weder von Indizien noch von Zeugen bestätigt wurde. Noch am Todestag des Zarewitsch rechneten die Nagij mit der Verwaltung von Uglitsch in der Person Bitjakowskis und seiner Helfer ab. Der Djak wurde des Mordes an Dmitrij beschuldigt und zusammen mit seinen Familienangehörigen und seinen Helfern von der aufgebrachten Menge gelyncht. Der Versuch, diese Anklagen von der Kommission und vor Schujskij aufrechtzuerhalten, fiel in sich zusammen. Nagijs Beichtvater bezeugte unter Eid, im Augenblick des Todes von Dmitrij habe er mit Bitjakowskij und seinem Sohn zu Tisch gesessen. Die angeblichen Mörder des Zarewitsch konnten folglich mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun haben.

050 Portrait: Lessing. - A. Neumann / W. Aarland.Im Mai 1607 erhoben sich die Truppen, die den ersten Pseudodemetrius bekämpfte und im Juni 1607 rebellierte die Moskauer Bevölkerung gegen die Dynastie der Godunows und der neue Zar Fedor Borissowitsch wurde zusammen mit anderen Familienmitgliedern verhaftet.

Von Tula aus verkündete der Pseudodimetrius seine Thronbeseitigung. Auf seinen Befehl hin wurde der neue Zar Fedor und dessen Mutter erwürgt. Die Hinrichtung übernahm der Bojare Golizyn, doch dem Volke präsentierte er die Version von einem Selbstmord. Die Bojarenduma schloss eine Vereinbarung mit dem Betrüger. Der Betrüger gewöhnte sich an das dauernde Lügen. Diese Gewohnheit wurde ihm zur zweiten Natur und brachte ihn mehrere Male in peinliche Situationen. Es wird erzählt, die Bojaren hatten oft die kleinen Lügen von Dmitrij entlarvt und ihm gesagt: „Großfürst, Zar, Herrscher über ganz Russland, du hast gelogen“. Das Hofritual, das sich an das byzantinische Muster hielt, und das unterwürfige Verhalten der Höflinge während der offiziellen Empfänge machten auf die Ausländer den Eindruck, die Herrscher von Moskau verfügen über eine außergewöhnliche Macht.

Aber die Bojaren wollten keinesfalls lange tolerieren, dass ein Vagabund und Abenteurer auf dem Thron saß und versuchten ihn mehrmals umzubringen. Pseudodimetrius ahnte die Gefahr und bereitete sich im Geheimen darauf vor, nach Frankreich zu fliehen. Es gelang ihm nicht, er wurde von den Verschwörern getötet.

123 Portrait: Herder. - A. Neumann / J. G. Flegel.Ein zweiter Pseudodimetrius tauchte in Litauen auf. Über dessen Herkunft kursierten unterschiedlichste Gerüchte. Die polnischen Jesuiten erfuhren, dass sich hinter der Maske dieses zweiten Pseudodimetrius ein gewisser Bogdanko verbarg, ein getaufter Jude. Die Romanows kannten den „Schurken“ gut, weil Filaret Romanow an seinem Hof Dienst geleistet hatte. Nach dem die Romanows auf den Thron gewählt worden waren, blieben sie weiterhin bei der Version des jüdischen Ursprungs des zweiten Pseudodimetrius. Eines der bekanntesten Porträts des Betrügers erschien in einer Londoner Ausgabe des Jahres 1689. Ob es historisch zuverlässig ist, wir bezweifelt. So war auch der berühmte Friedrich Schiller den berühmten russischen Legenden auf der Spur.

 

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