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Jerusalem

Als der Unabhängigkeitskrieg vorbei war, kam ich in die Grundschule. Jedoch war ich ein schlechter Schüler, und viel mehr am Malen und Zeichnen als an Mathematik und Lesen interessiert. Der Leiter der einzigen Grundschule in Nachlath-Yehudah ließ meine Eltern daraufhin wissen, dass ich nicht in der Schule bleiben könne. Und so wurde nach einer Schule für mich gesucht. Einmal kam ich da sogar in das Büro eines Psychologen, der meinte, dass ich künstlerisch nicht unbegabt sei. Insbesonders die Tatsache, dass ich sehr detailorientiert war, und sogar die Kardanwelle eines Lastwagens malte, hat ihn sehr beeindruckt. Allerdings gab die Schule, für die er arbeitete, die selbe Antwort wie viele andere Schulen: Nein, danke. Nach vielen Ablehnungen kam ein Bekannter von Tante Brigitte (die nach England ausgewandert war) zu Besuch. Er erzählte meiner Mutter von einem Internat in Jerusalem, das von einer Frau Aily-Havas geleitet wurde. Frau Aily-Havas, eine sehr resolute Frau, traf sich mit meinen Eltern und teilte ihnen mit, dass ich angenommen wurde.

Und so kam ich nach Jerusalem, der Stadt der heiligen Träume und harten Realitäten.
Der israelische Schriftsteller Meir Schalev sagte einmal, dass man sich in Jerusalem als einfacher Einwohner immer sehr klein vorkommt, denn man konkurriert mit König David, Muhammad und Jesus. Es war immer eine Stadt, die sich mehr um ihre ruhmreiche Geschichte und den Symbolismus gekümmert hat, als um ihre Einwohner. Ich habe sie immer als eine kleine Stadt in Erinnerung, eine Stadt, wo der Begriff „ich traf ihn auf der Straße“ eine tiefe Bedeutung hatte, denn man kannte sich. Es war wirklich eine kleine Stadt – der Ostteil, einschließlich der Altstadt, war unter jordanischer Verwaltung, und den Rest konnte man in ein paar Stunden zu Fuß gehen. Gleichzeitig war es aber auch eine Großstadt, deren Einwohner immer besonderen Respekt bekamen und sogar einen spezifischen Dialekt des Hebräischen sprachen. Auch war und es ist eine Stadt, wo Geschichte immer gegenwärtig ist, wo sich das israelitische Reich unter König David und Salomon den Platz mit dem römischen Imperium, den Kreuzrittern, Saladdin, den Mameluken, den Osmanen und dem britischen Imperium teilten, wo sich äthiopische Prinzessinnen, schottische Pilger und deutsche Templer über den Weg liefen und jeder etwas für die Nachwelt hinterließ. Und so kann man in zwei Stunden zu Fuß eine Reise durch die Welt machen.

Ich kann mich insbesonders an die Wasserbassins erinnern, die vom Sultan Suleiman erbaut wurden. Diese befanden sich nicht weit von der Altstadt, in einem Tal, das „Emek ha-Gehenom“ (Teufelstal) hieß. Sie sollten Jerusalem im Falle eines Krieges mit Wasser versorgen. Damals waren diese Bassins mit Wasser gefüllt, was natürlich heute nicht mehr der Fall ist. Stattdessen wird die Gegend, die immer noch „Brechat ha-Sultan“ (also der Wasserbecken des Sultans) heißt, für Jahrmärkte und andere Veranstaltungen benutzt – und einmal im Jahr wird dort eine große Leinwand errichtet und mit einer Open-Air-Vorstellung das Filmfestival in Jerusalem eröffnet. Übrigens ist die Cinematheque, eines der besten Kinohäusers Israels, auch in jenem Teufelstal. Bis jetzt hat das der Cinematheque übrigens kein Unglück gebracht, und das, obwohl sich die Besitzerin, Lia van Leer, weigerte, eine Drehtür einzubauen, damit die bösen Geister nicht in das Gebäude hineinkommen würden. Auf der anderen Seite des Tals, mit Blick auf die Altstadt ist das „Yamin Mosche“ – Viertel, benannt nach dem berühmten Philanthropen Moses (Mosche) Montefiore, der dort das erste moderne Viertel außerhalb der Altstadt errichtete und eine Windmühle baute, die noch heute steht (als Getreidemühle funktioniert sie immer noch nicht). Damals war dieses Viertel ein richtiges Slum, da es gegenüber von Jordanien war, und immer beschossen wurde. Von diesem Viertel aus, und von Musrara, auch nicht weit von der Altstadt, gründete sich die israelischen „Schwarze Panther“ (schwarz, da es Juden aus Nordafrika und dem Nahen Osten waren, die eine dunklere Hautfarbe haben), die gegen die Diskriminierung ihrer Einwanderergruppen demonstrierte. Nach 1967 und der Wiedervereinigung des Ostteils und der Altstadt sind diese Gegend absoluten Edelwohngegenden geworden, wo man schon ein paar Millionen hinblättern muss, wenn man dort eine Eigentumswohnung kaufen will. Die ursprünglichen Einwohner konnten es sich jedenfalls nicht leisten und zogen in anderen Gegenden. Nicht weit entfernt ist das „Emek Refaim“ (Tal der Geister), wo immer noch Häuser der Templersekte, religiöse Christen aus Deutschland, stehen, meist einstöckige Gebäude mit Bibelversen auf altdeutsch an der Eingangstür. Da sie Nazisymphatisanten waren, wurden sie in den 30er Jahren aus dem Land vertrieben. Heute ist diese Gegend eine Jerusalemer „Champs Elysee“ mit vielen Restaurants, Cafes, Bäckereien, Tanta-Emma-Läden, Bars und einem Kino.

Eine weitere Erinnerung habe ich an das „Gebäude der Nation“ (Binyanei ha-Ummah), das kurz vor der Autobahnausfahrt nach Tel-Aviv, am Stadtrand ist. Ich war bei der Eröffnung dieses Gebäudes, das bis heute das Hauptkonzert- und Veranstaltungsgebäude Jerusalems ist, dabei. Es muss ca. 1955 gewesen sein. Die Eröffnungsveranstaltung war eine Messe mit dem Thema „Urbarmachung der Wüste: Neue Methoden der Landwirtschaft“. Ich erinnere mich noch an die vielen Länder, die dort ausstellten und an den Walt-Disney-Film „die Wüste lebt“, der dort gezeigt wurde, und mich unheimlich beeindruckte (das tut er noch heute). Ansonsten habe ich sehr wenig von den dargestellten Themen, die Schädlingsbekämpfung, Erntemethoden und die neueste landwirtschaftliche Maschinen einschloß, verstanden. Das Gebäude steht jedenfalls noch heute, und es ist eines der ersten, die man sieht, wenn man nach Jerusalem fährt.

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