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Malers Erben

Im Gespräch mit dem Ururenkel des Johann Heinrich W. Tischbein (1751-1829)
 
„Wozu sollte man überhaupt von der Malerei sprechen, wenn nicht, um anderen die Augen dafür zu öffnen?“

Das schrieb Sir Andrew Marbot an Carl Friedrich von Rumohr, 1827.

Am 26. Juni 1829 starb in Eutin der Hofmaler des Herzogs von Oldenburg, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein. Eines seiner letzten Gemälde war „Der Rat der Tiere“. Dieses Bild wirkt in heutiger, zerrissener Welt wie eine Prophezeiung, obwohl Tischbein seinen Weltruhm durch das Bild „Goethe in der Campagna“ 1786/87 erworben hat. Der berühmte russische Dichter Ossip Mandelstam hat einst bemerkt: „Was aber ist ein Bild? Ist es nicht ein Instrument  in der Metamorphose gekreuzter poetischer Sprache?“
 
Wir sprachen für unsere LeserInnen mit dem Urururenkel des berühmten Malers – Herrn Ulrich Pape.

Pape ist Germanist, Journalist und sehr beliebter Deutschlehrer. Herr Pape unterrichtet Deutsch für Ausländer und Emigranten aus aller Welt in der Hansestadt Lübeck. Für alle seiner Schüler ist er wie eine Art Hirte. Er führt sie in die Geheimnisse der deutschen Sprache und Kultur.

Galina Khotinskaya-Kallis: Herr Pape, Sie sind in Lübeck eine unverwechselbare Persönlichkeit. Sie bringen in Ihren Beruf ein Temperament, eine Ausstrahlung, einen großen Toleranzspielraum und kontaktfreudige Atmosphäre mit individuellen Merkmalen, menschlicher Wärme und natürlichem Charme. Viele ihrer ausländischen  Schüler sind Ihnen dankbar beim Heranwachsen in die deutsche Sprache und Kultur.

Liegt das in Ihren Wurzeln, dass sie Tischbeins-Bluterbe sind? Was können Sie uns über Ihren berühmten Vorvater erzählen? Es gibt den berühmten Stammbaum der Familie Tischbein im Lexikon der Bildenden Künste. (Band 33/34, Thieme/Becker, hrsg. von Hans Vollmer).
Welche Geheimnisse verbirgt die Familie Tischbein? Können Sie uns ein wenig in die faszinierende Welt Tischbeins begleiten. Woher kommt der Name Tischbein und von welcher Seite sind Sie mit Tischbein verwandt?

Ulrich Pape: Ich bin der Urururenkel des „Goethe-Tischbein“, die Kunstwelt hatte JHW Tischbein so genannt, um ihn von seinen Verwandten zu unterscheiden, z. B. den Kasseler Tischbein, den Leipziger Tischbein, den Petersburger Tischbein, alles hervorragende Maler, deren Bilder heute in den Museen der Welt zu sehen sind. Meine Mutter Eva Tischbein das Ansehen unseres „Goethe-Tischbein“ in Rom, in Weimar, in Petersburg und Hamburg zu Ehren gebracht. Sie war Sopranistin, konnte wunderbar singen und war überhaupt eine wunderbare, liebevolle Frau. Meine Mutter hat das Bild „Rat der Tiere“ sehr geliebt, denn es zeigt uns Menschen als Tiere. Der Schlaue, der Listige, der Sanfte, der Gerissene. Löwe, Fuchs, Schaf und Esel. Das war und ist Tischbein: geheimnisvoll, poetisch-verspielt, philosophisch, hintergründig. Das Bild ist heute so aktuell wie vor 200 Jahren, als es entstand.
 
G.Kh-K.: Kann man die Metapher dieses Bildes als Prophezeiung sehen und den Maler als Naturphilosophen bezeichnen? Dichtet der Maler die Natur, oder es ist eine neue Art Neugier der Natur gegenüber? Woher kommt diese besondere Beobachtungsweise  des Malers und was bedeutet für Sie die Verbundenheit mit Tischbeins Mythos?

U.P.: Tischbein wurde der „Maler-Poet“ genannt, oder der Dichter mit dem Pinsel oder laut Schopenhauer: der philosophische, malender Philosoph.   Mit Goethe verband ihn eine innige Freundschaft in Rom und Neapel. Goethe: „Er ist ein wunderbarer, liebenswerte Mensch…man muss ihn einfach gehen lassen.“ Damit meinte er wohl Tischbeins Leidenschaft zur Antike, Homer, die Philosophen, die Mythen, überall sichtbar in Historien-Bildern, seiner berühmten Vasen-Sammlung, nachzulesen in seiner Biographie: Aus meinem Leben. Ein Buch, in dem Goethe kaum erwähnt ist, die Liebe zwischen den beiden Künstlern war wohl zu groß oder zu unterschiedlich.
 
G.Kh-K.: Zur Ikone wurde Porträt vom Goethe mit breitkrempigen Hut. Was können Sie uns aus der Familiengeschichte zu diesem Bild berichten?

U.P.: Tischbein hat Goethe verehrt, ja vergöttert. Immerhin verdankte er dem Dichter aus Weimar ein Stipendium in Italien. Sie wohnten zusammen und führten ein Künstlerleben in Rom. Tischbein lehrte Goethe das Malen und Goethe Tischbein das Dichten. Die Iphigenie wurde von Tischbein „redigiert“ und Goethe staunte über das Naturtalent. Morgens heiße Schokolade im berühmten Cafe Greco, abend far l’amore in der Campagna, wo das berühmte Bild mit Künstlerhut entstand. Geothe selbst sagte über das Bild: „Es wir ein wunderbares Werk, leider zu groß für unsere nordischen Wohnungen…“ und Tischbein: „Ich male ihn wie sein Blicke in die Ferne geht und über das Schicksal menschliger Wercke nachdenket.“ Heute hängt das Werk im Frankfurter Städel Museum und ist nach der Mona Lisa im Louvre das meistkopierte Werk der Welt.
 
G.Kh-K.: Wann lernte Tischbein Goethe kennen?

U.P.: Am 29. Oktober im Rom. Goethe hat über die Begegnung genau Tagebuch geführt, nachzulesen in „Italienische Reise“.

G.Kh-K.: Was können Sie über die Wechselwirkung zwischen Malerei und Literatur im Werk von Tischbein sagen?
 
U.P.: Tischbein hat neben seinen Lebenserinnerungen die „Eselsgeschichte“ geschrieben, Untertitel: Der Schwachmatikus und seine vier Brüder: Sanguinikus, Cholerikus, Melancholikus,Phlegmatikus. Einm köstliches Werk, schwierig-humorvoll..
 
G.Kh-K.: Es ist bekannt dass Tischbein mit Herder befreundet war? Erzählen Sie uns ein bisschen darüber?
 
U.P.: Sie meinen vielleicht Johann Friedrich August Tischbein, den Leipziger Tischbein. Er hat Herder porträtiert, unser Goethe-Tischbein hat mit Herder korrespondiert. Einzelheiten nachzulesen in seinen Erinnerungen.

G.Kh-K.: Tischbein illustrierte die Werke von Schopenhauer, Klopstock und Friedrich de la Motte-Fouque. Welche konkrete Werke und wo kann man Sie sehen?

U.P.: In der Hamburger Kunsthalle, im Schloß Weimar, in Eutin, Ostholstein-Museum, Casa di Goethe in Rom.
 
G.Kh-K.: Wer entdeckte das Genie von Tischbein?

U.P.: Sein Vater, der war Schreiner im damaligen Kloster Kassel. Er ging mit seinem Sohn in den Wald, in die Felder. Tischbein sammelte Rosenblätter, malte daraus seine ersten Tiere auf den Esstisch der Familien. Der Vater sagte: Das ist unser Maler uns so begann seine Karriere der großen Tischbein-Familie, 30 Maler und 10 Malerinnen.
 
G.Kh-K.: Warum schätzt man in England und USA die kalligraphische Kompositionen von Tischbein? Gibt es ein besonderes Gesetz der romantischen Materie in Holzbein Werken?

U.P.: Zur Zeit ist eine Ausstellung im Britischen Museum in London zu sehen. Werke von deutschen Romantikern. Tischbein ist auch zu sehen, die Engländer lieben seinen malerischen Humor.
 
G.Kh-K.: Gibt es in Lübeck Häuser, die mit Familie Tischbein verbunden sind? Wäre es möglich ein Tischbeins Museum in Lübeck zu gründen?
 
U.P.: Das wäre zu schön. Tischbein hat in Lübeck den Maler Overbeck unterrichtet und in der Nähe des heutigen Overbeck-Museums gewohnt. Leider ist das Haus mit herrlichem Garten verfallen. Das wäre eine Möglichkeit für ein Museum. Die Familie Tischbein hat sich in Eutin, wo Tischbein seine typletzten Lebensjahre verbrachte, mit einem Tischbein-Wanderweg um den malerischen Eutiner See und einem kleinem Museum in der Nähe des Schlosses engagiert. Leider wurde er zerstört.
 
G.Kh-K.: Es ist bekannt, es gab Ausstellung graphischer Arbeiten von Tischbein im Hamburger Jenisch-Haus, im Landesmuseum Oldenburg. Welch berühmte Ausstellungen können Sie uns nennen, Herr Pape?

U.P.: In der Hamburger Kunsthalle, im Schloß Weimar, in Eutin
Ostholstein-Museum.

G.Kh-K.: Wir sehen, dass in heutiger Welt die Werke von Tischbein wie eine Erschütterung und wie eine philosophische Botschaft angenommen werden. Seine faszinierende Künstlerische Leistung und Wertschätzung wirkt wie  eine ökologische Impfung. Von Leonardo stammt das eindrucksvolle Wort, dass „das Auge das eigentümliche Fenster zur Seele des Menschen sei“. Die unbegrenzte Phantasie dieses philosophischen Maler-Dichters bestätigt diese Worte des italienischen Genius.

Vielen Dank, Herr Pape, für die wunderbare Reise in die Welt von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein.

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