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Die Ernte gewährt auch hier ein freundliches Bild der Tätigkeit; die Binderinnen, besonders die Mädchen, zeichnen sich aus durch reinliche, weiße Schürzen und Mieder, so wie durch bunte Bänder aus den besseren als den gewöhnlichen Hüten, und unverkennbare Lust und Teilnahme spricht sich in der möglichsten Erhaltung dieser Reinlichkeit bis zum Schlusse der Ernte, so wie aus ihrem Gesichte und in dem Gesange, welcher oft bei der Heimkehr von der Arbeit angestimmt, wird, endlich aber in der Eilfertigkeit aus, mit welcher ein Arbeiter den anderen treibt oder ihm mit gutem Beispiele vorausgeht.

 

Zeigen sich Mitglieder der herrschaftlichen Familie oder deren Gäste beim Binden, so werden sie von der Vorbinderin, und zwar vom Dienstherrn abwärts bis zum kleinsten, noch auf dem Arme getragenen Kinde gebunden, d. h. es wird ihnen ein gleiches Band, mit welchem die Garben gebunden werden, um den Arm geschlungen und befestigt, und muss diese Aufmerksamkeit durch eine kleine Geldspende gelöst werden. Diese Gaben, ungleichen diejenigen, welche die Mäher erhielten, wenn sie, wie solches noch vor wenigen Jahren Gebrauch war, an der Landstraße arbeitend, dem Vorüberreisenden ausstrichen, indem alle zu gleicher Zeit mit dem Streichholze ihre Sensen schärften, werden demnächst zur Ausschmückung des Erntekranzes oder der Erntekrone verwendet.

 

Die älteren Drescher beginnen ihre Arbeit mit der Sense, der Harke oder der Heugabel noch oft mit dem Spruche! „Help de leewe Gott“, und selten zieht ein Einheimischer den Ernte-Arbeitern ohne den Zuruf „Gott help“ vorüber.

 

Wenn das Getreide ausgebunden ist, erhalten die Leute die sogenannte Bindelgrütze, d. h. eine aus Graupen mit besonders schöner Milch bereitete Zuspeise, und wird ihnen die Erlaubnis erteilt, bis Mitternacht tanzen zu dürfen. Das eigentliche Streichelbier oder Erntefest erfolgt indessen erst später, je nachdem es der Herrschaft in ihrem Wirtschaftsverkehr geeignet erscheint.

 

Am Abende vor dem dazu bestimmten Tage sieht man die Mägde des Hofes beschäftigt, den Erntekranz oder die Krone, reich mit bunten Bändern und Blumen verziert, anzufertigen, im gleichen das zum Feste bestimmte Lokal mit Laubgewinden auszuschmücken. Das Fest selbst, zu welchem alle Arbeiter in der Ernte mit ihren Familien, selbst den kleinsten, noch aus dem Arme getragenen Kindern, so wie die, das Jahr hindurch aus dem Hose beschäftigt gewesenen Handwerker geladen werden, beginnt in der Regel des Nachmittags 2 Uhr mit der Erntemahlzeit, zu welcher die Tische und besonders die aus denselben befindlichen Teller mit Butter und Käse reich mit Blumen geschmückt sind. Zuvor jedoch begibt sich die Vorbinderin in Begleitung, aller Mädchen und Frauen, denen sich die anwesenden Kinder anschließen, zur Herrschaft und überreicht derselben unter nachfolgender Anrede den Erntekranz:

 

Guten Tag, ihr Herrschaften, alle insgesamt! Hier bringe ich unserer hochwohlgeborenen Herrschaft einen Ehrenkranz — sie mögen es mir nicht übel nehmen, eine gebratene Gans und ein gebratenes Huhn, kann auch was tun — ein Glas mit Wein soll auch wohl sein. Eine Tonne mit zwölf Bändern, damit haben wir unsere Ernte vollendet. Wir haben gebunden wohl durch die Gründe, wohl über die Berge, wir haben gebunden, dass der Sand gestäubt, wir haben gebunden Distel und Dorn', das künftige Jahr bescheer' der liebe Gott uns nur reines Korn; so manches Horn, so manches Korn, so manche Quast, so manche Last, so mancher Stern am Himmel ist, so manchen blanken Thaler wünsch' ich unserer hochwohlgeborenen Herrschaft in ihre Kist'! Noch wünsch' ich unserer hochwohlgeborenen Herrschaft einen vergoldeten Tisch, aus allen vier Enden ein gebraten Gericht, und in der Mitte eine Kanne mit Wein, dabei sollen unsere hochwohlgeborenen Herrschaften heut' Abend recht lustig und vergnügt sein. Nun hab' ich noch eins zu bedingen, heut' Abend recht lustig herum zu springen. Der Kranz oder die Krone werden demnächst aus dem Hausflur des Herrenhauses oder in dem Tanzlokal der Leute aufgehängt und bleiben in der Regel daselbst so lange aufbewahrt, bis sie durch neue ersetzt werden.

 

Aus einem Gute — es ist aber, so viel bekannt, nur allein aus diesem Gebrauch — marschieren die sämtlichen Mäher vor Überreichung des Erntekranzes mit ihren Sensen vor der Haustüre des Herrenhauses aus und streichen dreimal; der Herr tritt heraus, um einige belobende Worte über die vollbrachte Erntearbeit zu reden und dem Vormäher eine gutgefüllte Flasche mit Branntwein zu übergeben und zur frohen Feier aufzufordern, worauf die Mäher auf ihren Sensen reitend sich entfernen.

 

Die nun folgende Mahlzeit besteht aus Reis und Milch, mit Zucker und Zimmet bestreut, bei dessen Zubereitung nach einem alten Brauche mehrere blanke Thalerstücke in den Kessel getan werden, damit die Speise nicht verbrenne — sowie aus Braten mit Backobst und Klößen; dieselbe nimmt in der Regel längere Zeit in Anspruch, da die verschiedenen Gänge von der Köchin und den ihr zur Hülse gegebenen Frauen mit einem gewissen Zeremoniell — sie lässt die einzelnen Schüsseln zuvor beschauen — unter Musik, welche die ganze Tischzeit hindurch spielt, ausgetragen werden. Die Zwischenzeit wird dann auch von den älteren Männern benutzt, ein Pfeifchen zu rauchen, zu welchem von der Herrschaft der Tabak geliefert wird.

 

Während der Mahlzeit erscheint der Herr, um unter belobender Anerkennung ihres Fleißes und Verhaltens während der Ernte die Gesundheit seiner Leute zu trinken, was dann auch mit großem Jubel ausgenommen wird; aus einem Gute ließ der seit mehreren Jahren verstorbene Dienstherr, der Sprosse eines altadeligen Geschlechts, es sich nicht nehmen, mit seinen Leuten gemeinschaftlich die Erntemahlzeit zu halten und die ganze Tischzeit an ihrer Tafel auszuharren.

 

Vor dem Schlusse des Essens wird für die Köchin gesammelt, und fallen bei gut geratener Küche, und wenn sie das Jahr hindurch ihrem Dienste mit Geschick vorgestanden, die Spenden für sie oft sehr reichhaltig aus.

 

Nach dem Essen beginnt der Tanz, an welchem sich der Herr und die Frau, indem Ersterer mit der Ausgeberin, der Vorbinderin, auch mit der Köchin, Letztere mit dem Statthalter und dem Großknechte und Beide mit dem Erntekranze geschmückt, beteiligen, und es mischen sich nun die jüngeren Personen der herrschaftlichen Gesellschaft mit unter die Tänzer, deren Unterhaltung in der Regel noch dadurch erhöht wird, dass einzelne Leute als Masken erscheinen. Von dieser Freiheit machen besonders gern Dienstboten der benachbarten Höfe Gebrauch, welche oft unerkannt kommen und sich auch so wieder hinwegbegeben. Starkes Bier und Branntwein, so wie Obst für die Kinder, sind die Erfrischungen während des Tanzes, bis um Mitternacht die Tische zu einer zweiten Mahlzeit gedeckt werden; bis hierher halten sämtliche Leute, die ältesten wie die jüngsten, aus, und vertreiben sich erstere die Zeit durch Beteiligung an dem Tanze, durch Unterhaltung und Kartenspiel, während letztere in der Mehrzahl gar bald in süßen Schlummer versunken sind und von den Eltern aus allen Ecken zur Teilnahme an dem Essen hervorgesucht werden müssen. Nach Beendigung dieser zweiten Mahlzeit behaupten die Tänzer allein das Feld, während die übrigen Leute mit reichlicher Speise für die wegen Krankheit oder sonstiger Behinderungen heimgebliebenen Familienglieder sich zu Hause begeben.

 

Harmlose Fröhlichkeit herrscht auf solchem Feste, und es gehört eine Störung des Vergnügens zu den größten Seltenheiten, da, wenn wirklich Einer oder der Andere des Guten zu viel getan haben sollte, er von den Anwesenden in der Stille bei Seite und zur Ruhe gebracht wird.

 

Im Jahre 1853 geruhten Se. Majestät der König auf einem Gute des Wirklichen Geheimen Rats v. Usedom Exzellenz, woselbst alle Leute der weitläuftigen Besitzungen desselben im Ernteschmucke geordnet versammelt waren, die Zeremonie der Überreichung der Erntekrone entgegenzunehmen und Sich wohlgefällig über die Unbefangenheit der hübschen Vorbinderin, welche mit einem reichlichen Geschenke entlassen wurde, zu äußern.

 

Bei dieser Gelegenheit dürfte noch anzuführen sein, dass auf dem Hofe, wo der Sensenritt der Mäher gebräuchlich, die Mädchen, nachdem sie die Lieblingskuh mit Blumen geschmückt haben, der Dienstherrin an dem Tage, an welchem im Frühjahre zuerst die Kühe aus die Weide getrieben werden, einen Blumenstrauß mit folgendem Spruche überreichen:

 

„Ich will Ihnen bringen

Von lieblichen Dingen,

Von köstlichen Sachen,

Viel Komplimente weiß ich nicht zu machen,

In diesem Jahr' ist er zwar schlicht und klein,

Im nächsten soll er größer und besser sein.“

 

Diese sonst ziemlich allgemeine Sitte hat sich jedoch nur noch allein auf dem bemerkten Hofe erhalten.

 

Endlich sei auch noch des Hochzeitbitters, wie solcher aus der zu Rügen gehörigen Halbinsel Wittow noch jetzt im Gebrauch ist, erwähnt. Derselbe, reich mit Bändern geschmückt, aus einem gleich gezierten Pferde überbringt in Versen den Hochzeitsgästen seine Einladung, die allerdings schon sehr modern klingt und eher das Produkt eines reimenden Schulmeisters als des Volkes zu sein scheint.

 

Nach Entgegennahme eines kleinen „Schenks“ (Geschenks) spricht er zum Schluss:

 

„Nun sag' ich noch Dank geziemendermaßen

Und reite dann weiter meiner Straßen!“

 

Gestatten die Mittel des Brautpaars einen berittenen Hochzeitbitter nicht, so werden nach den ersten beiden Strophen folgende Zeilen dazwischengeschoben:

 

„Weit komme ich hergeschritten,

Hätt' ich ein Pferd, so wär' ich geritten.

 

Aus: Berliner Revue. Sozial-politische Wochenschrift. Redigiert von Hermann Keipp. 13. Band, 2tes Quartal 1858

 

 

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