Moritz Moszkowski (1854-1925)

Einer der geisvollsten und vielseitigsten Tondichter der Gegenwart ist der als Sohn polnischer Eltern geborene und jetzt in Paris lebende Moritz Moszkowski; obschon er auch als Claviervirtuose und Violinist bedeutend ist und in zahlreichen Städten Deutschlands, Frankreichs, Russlands u. s. w. als einer der begabtesten Meister auf dem Piano grosse Triumphe errungen hat, so liegt doch der eigentliche Schwerpunkt seines Könnens in der Komposition. Von seinen Schöpfungen haben besonders diejenigen für Clavier zu vier Händen weite Verbreitung gefunden. Ebenso bekannt wurden die „Spanischen Tänze“, die „Deutschen Reigen“, op. 25, die symphonische Dichtung „Jean d’Arc“, 2 Orchestersuiten (op. 39 und 47), ein Violinkonzert (op. 30), „Phantastischer Zug“ für Orchester, Konzertetuden für Clavier, Menuett aus op. 17, Serenata aus op. 15, Etincelles aus op. 36, „Liebeswalzer“ aus op. 57, „Tarantelle“ aus op. 27 u. s. w. Er hat im Ganzen bisher 65 opera veröffentlicht. Von seinen zahlreichen Liedern werden am meisten „Mädchenaugen“ und „Schlaflied“ gesungen. Für seine Beliebtheit als Komponist spricht schon der Umstand, dass sich selten ein Konzertprogramm findet, auf dem sein Name fehlte.

In seinen Clavier- und Violinkompositionen finden sich einzelne Anklänge an polnisches Volksthum, und der Genius Friedrich Chopins hat ihn augenscheinlich mehrfach beeinflusst; doch ist hier und da auch die Einwirkung Wagners und Liszts nicht zu verkennen. Als Opernschöpfer ist er im Jahre 1892 mit der grossen Oper: „Boabdil, der letzte Maurenkönig“, welche am Berliner Königlichen Opernhaus unter vielem Beifall gegeben wurde, hervorgetreten. Obschon ein uns so fernstehender Maurenkönig und seine Geliebte, mit deren Schicksalen sich das Libretto der Oper beschäftigt, nicht sonderlich geeignet sind, uns lebhaft zu interessiren, so wurde doch das Werk vom Publikum und der unparteiischen Kritik als die Arbeit eines melodienreichen und geistvollen Komponisten sehr sympathisch begrüsst.


1895 debutirte der Komponist des „Boabdil“ mit einem Ballet in drei Aufzügen von Graeb, zu welchem er die Musik geschrieben hatte. Diese an der Königlichen Oper gegebene Balletmusik zeigte alle Vorzüge und Schwächen des Komponisten. Die Novität gefiel sehr, denn eine Valse coquette der Prima Ballerina, Fräulein d’Ell Era, entzückt das balletlustige Publikum mehr, als dies die kunst- und geschmackvollste Komposition vermöchte.

Dieser ausgezeichnte Komponist, dessen künstlerische Laufbahn aller Voraussicht nach lange nicht abgeschlossen ist, wurde am 23. August 1854 in Breslau geboren. Obwohl er schon in frühester Jugend Neigung und Talent zur Musik zeigte, empfing er erst mit seinem elften Jahre in Dresden einen etwas gründlicheren musikalischen Unterricht, machte dann schnelle Fortschritte und komponirte bereits in seinem 13. Jahre ein Quartett für Pianoforte und Streichinstrumente.

Als Moszkowski 14 Jahre alt war, zogen seine Anverwandten nach Berlin, wo er ins Stern’sche Conservatorium eintrat und im Clavierspiel Schüler von Eduard Franck und in der Komposition von Friedrich Kiel wurde. Zwei Jahre darauf trat er ins Kullak’sche Conservatorium über, wo er seine Kompositionsstudien bei Richard Wuerst fortsetzte und seine Ausbildung im Clavierspiel durch Theodor Kullak erhielt. Erst 18 Jahre alt, brachte er seine erste Orchesterkomposition — eine Konzertouverture — zur öffentlichen Aufführung. Ein Jahr darauf trat er in einem eigenen Konzert als Pianist auf und erntete für sein durchgeistigtes und virtuoses Spiel die wärmste Anerkennung. In dieser und der nächstfolgenden Zeit schrieb Moritz Moszkowski auch ein Clavierkonzert und seine ersten Clavierstücke. Mit 22 Jahren komponirte er seine schon genannte symphonische Dichtung: „Jeanne d’Arc“, die seinen Namen bereits über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus rühmlichst bekannt machte.

In seinen zwanziger Jahren konzertirte Moszkowski in zahlreichen Städten und erntete überall lebhaften Beifall seitens des Publikums und der Kritik, aber leider stellte sich in seinem 28. Jahre eine Erkrankung des Arms ein, die ihm etwa 1 ½ Jahrzehnte hindurch das öffentliche Auftreten als Pianist unmöglich machte. In dieser ganzen Zeit musste er sich daher ausschliesslich mit Komponiren und Unterrichtertheilen beschäftigen, was freilich für die produzirende Kunst nur als Gewinn bezeichnet werden muss. Es entstanden in dieser Periode von grösseren Werken u. a.: Zwei Orchestersuiten, ein Violinkonzert, die Suite „Aus aller Herren Länder“ und die erwähnte grosse Oper „Boabdil, der letzte Maurenkönig“, das genannte grosse Ballet, die Musik zu Grabbes Tragödie: „Don Juan und Faust“ und nebenher eine grosse Anzahl von zwei- und vierhändigen Clavierkompositionen, Violoncellostücken, Liedern u. s. w.

Ein Clavierkonzert brachte er nach seiner nunmehr erfolgten Genesung im Mai 1898 in London selbst zur Aufführung. Seitdem ist er wieder mehrfach in Deutschland und England mit ganz ausserordentlichem Erfolg aufgetreten.

Heinrich Ehrlich sagt über ihn in seinem Buch: „30 Jahre Künstlerleben“ u. A.:

„Moszkowski hat im Beginne seiner Laufbahn mit vielem Glück ein grösseres symphonisches Werk: »Jeanne d’Arc« zur Aufführung gebracht und ehrende Aufmerksamkeit erregt. Im weiteren Verlaufe gewann er durch heitere, geistreiche und wohlklingende Clavierstücke grosse Erfolge im Konzertsaal und im Geschäftszimmer der Verleger . . . Die Oper »Boabdil« enthält einige sehr hübsche Nummern, besonders reizende Tanzmusik; auch ist sie elegant instrumentirt.“

Dem Meister wurden zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen zu Theil. Wir erwähnen hier nur seine Ernennung zum Ehrenmitgliede der Londoner „Philharmonischen Gesellschaft“ und zum Mitgliede der Preussischen Kgl. Akademie der Künste.

Seit drei Jahren lebt er in Paris, wo er in den musikalischen Kreisen eine führende Rolle spielt und zu den hochgeachtetsten deutschen Künstlern zählt.