2. Über hebräische Zahnheilkunde.

A. Über Zahnkrankheiten.

Für die Feststellung der medizinischen Kenntnisse der Hebräer bildet die Bibel die sicherste historische Grundlage. Unter der Reihe der beschriebenen Krankheiten findet sich über Erkrankungen der Zähne und des Mundes nur eine Angabe.


Die betreffenden Worte bilden einen Teil der Klage des aussätzigen Hiob und lauten*):

„Mein Gebein hanget an meiner Haut und Fleisch und ich kann meine Zähne nicht mit der Haut bedecken.“

Diese Worte lassen zwei Auffassungen zu. Einmal kann man annehmen, dass der Aussatz die Lippen zerstört hatte. Andererseits ist es möglich, dass das Zahnfleisch, das Hiob mit „Haut“ bezeichnet, in Entzündung und Schwellung übergegangen war und sich infolgedessen von den Zähnen losgelöst hatte.

Beide Krankheitsformen kommen bei der lepra mosaika vor.

Außer dieser kurzen Angabe über Einwirkung des Aussatzes auf die Mundhöhle finden in der ganzen Bibel spezielle Zahnerkrankungen und Mittel gegen solche keine Erwähnung.

Dieser Umstand lässt vielleicht darauf schließen, dass schlechte und kranke Zähne gar nicht oder so selten vorkamen, dass man sich mit ihnen oder ihrer Behandlung gar nicht befasste.

B. Über Wertschätzung der Zähne.

Unter einem Volke, das wahrscheinlich mit so prächtigen Esswerkzeugen ausgerüstet war, musste natürlich jeder, der durch irgend einen Zufall diesen oder jenen Zahn verloren hatte, für gänzlich entstellt gelten.

Es kann darum nicht auffallen, wenn man in den Urteilssprüchen des Moses verschiedene Strafbestimmungen antrifft, die auf die Zerstörung des Zahnes eines Mitmenschen gesetzt waren.

*) Buch Hiob, Kap. 19, Vors 20.
**) Moses, II. Buch, Kap. 21, Vers 21.

Wenn Moses sagt*): „Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß etc.“, so geht daraus hervor, dass nächst dem Auge der Zahn als zweitwertvollster Körperteil angesehen wurde, dem man selbst Hand und Fuß unterordnete.

Einen weiteren Beweis für die hohe Wertschätzung des Zahnes liefert folgende Stelle: „ Und so jemand seinem Knechte oder seiner Magd ein Auge ausschlägt und verdirbt es, der soll sie freilassen, um das Auge! Desselbigen gleichen, wenn er seinem Knechte oder seiner Magd einen Zahn ausschlägt, soll er sie freilassen um den Zahn!“*)

Hieraus ergibt sich, dass ein Zahn in gleichem Wert wie ein Unfreier stand, was in Anbetracht dessen, dass ein Unfreier einen hohen Geldeswert repräsentierte, den großen Wert des Zahnes besonders hervorhebt.

Die Verletzung oder das Ausschlagen eines Zahnes wurde demnach als eine schwere Verstümmelung des Körpers betrachtet und bedeutete für den betreffenden einen noch größeren Verlust, als bei uns der eines Armes oder eines Beines bedeutet.

Von diesem Standpunkte betrachtet, kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn Moses dem so verstümmelten Unfreien die höchste Genugtuung, die Freiheit, zusicherte.

Die Schädigung, die durch den Verlust eines oder mehrerer Zähne eintrat, findet auch in einem Psalm Ausdruck. Hier heißt es: „Auf Herr und hilf mir, mein Gott! denn Du schlägst alle meine Feinde auf den Backen und zerschmetterst der Gottlosen Zähne.“**)

Hier, wo Gott als Helfer herbeigerufen wird, bittet man ihn, die Feinde so exemplarisch zu strafen, dass sie für alle Zeiten gekennzeichnet sind. Für uns verständlicherer müsste die Stelle etwa lauten: „schlage alle meine Feinde und mache sie für alle Zeiten zu elenden Krüppeln.“

Dass ein lückenhaftes Gebiss allgemein auffiel, geht aus der Schilderung des Alters im Prediger Salomo hervor. Die betreffenden Worte lauten: „Die verminderten Mühlen stehen müßig und die Mühle wird wenig gehört“.***)

Neben der bereits angedeuteten Auslegung dieser Worte, wäre es wohl wissenswert, ob er, der das ganze Gebiss mit einer Mühle, den einzelnen Zahn also mit einem Mahlstein vergleicht, die Mahlbewegung des menschlichen Gebisses bereits gekannt hat“ oder nicht?

*) Moses, II Buch, Kap. 21, Vers 26 und 27.
**) Psalm 3, Vers 8.
***) Prediger Salomo, Kap. 12, Vers 3.

Außer diesen angeführten Stellen finden meines Wissens in der ganzen hebräischen Bibel keinerlei Zahnerkrankungen oder dergleichen Erwähnung.