1. Über ägyptische Zahnheilkunde.

Für die Feststellung der medizinischen Kenntnisse bei den alten Ägyptern ist der von Professor Ebers im Jahre 1875 veröffentlichte Papyrus von großem Werte gewesen.

Der Papyrus Ebers datiert in der erhaltenen Abschrift aus dem Jahre 1700 v. Chr. Da er jedoch eine Sammlung von sehr verschiedenartigen Rezepten enthält, von denen einige sich auch in den medizinischen Texten finden, so ist er unzweifelhaft ein Sammelwerk älterer Rezepte, von denen einzelne in sehr frühe Zeit zurückgehen werden. So datiert er unter andern selbst ein Rezept in die I. Dynastie, eine Zeitangabe, die aus folgendem Grunde sehr in Frage zu ziehen ist: „Die Ägypter liebten es, ihren Künsten uralten oder göttlichen Ursprung zuzuschreiben, um dadurch ihre Ehrwürdigkeit zu erweisen.“ *)


Der Papyrus behandelt nur einen Teil der ägyptischen Krankheiten und Arzneien; so fehlt z. B. die Chirurgie ganz.

Dafür enthält er neben rein medizinischen Angaben noch eine Sammlung von magischen Formeln, die bei der Bereitung von Arzneien herzusagen waren, also jedenfalls die Wirksamkeit derselben erhöhen sollten.

Die magische Formel, die weiterhin dazu diente, um den die Krankheit verursachenden Dämon zu vertreiben, war in der ägyptischen Medizin stets die Hauptsache.

*) Brief des Herrn Professor A. Wiedemann an den Verfasser. Bonn, 27. Jan. 1904.

A. Über Zahnkrankrankheiten und deren Behandlungsmethoden.

In dem Papyrus finden eine Reihe von Zahnkrankheiten Erwähnung. Gleichzeitig werden bei deren Aufzählung das oder die anzuwendenden Mittel und ihre Zubereitung beschrieben.

1. Ein anderes (Heilmittel), um zu vertreiben das Stechen der Bennut-Blase (Abszess) in den Zähnen. *)

In der Bennut-Blase erkennen wir unseren Fistelmund oder Fistelbläschen. Das Fistelbläschen bildet die Ausmündungsstelle der eitrigen Wurzelhautentzündung eines Zahnes. Bei zunehmender Eiterung ist dieses kleine Ausflussrohr nicht mehr im stande, den sich neu bildenden Eiter rasch genug abfließen zu lassen. Es entsteht in dem Eitersack an der Spitze der Zahnwurzel eine erhebliche Spannung, die ein starkes Stechen im Zahne zur Folge hat. Die Ägypter, welche das Bläschen am Zahnfleisch, den Schmerz aber im Zahne wahrnahmen, machten natürlich die sichtbare Blase für den Schmerz verantwortlich. Das Gegenmittel bestand aus:

Scheps-Körnern Teile 1 (unbekannt)
Honig Teile 1
Gummi Teile 1
Oel Teile 1

Tue es als Pflaster darauf (d. h. auf das Bläschen).

2. Das Vertreiben des Abszesses in dem Zahn und Wachsenlassen die Fleischteile (eigentlich „fleischigen Glieder“). **)

Mit dem Wachsenlassen der fleischigen Glieder ist offenbar gemeint, das Arzneimittel soll die Granulationen in der entleerten Abszesshöhle veranlassen. Das betreffende Rezept lautet: Anethum Foeniculum Teile 1
Nekant Körner Teile 1 (unbekannt)
Salvia aegyptiaca Teile 1
Honig Teile 1
Weihrauch-Harz Teile 1 (unbekannt)
Wasser Teile 1

Setze es Nachts dem Tau aus. Kaue es.

Ein zweites Heilmittel gegen dieselbe Erkrankung lautet:

Taam-Pflanze Teil Teile 1 (unbekannt)
Weihrauch-Harz Teile 1 (unbekannt)
Nuan-Pflanze 1 (unbekannt)
Zweig von Tescheps Teile 1 (nach Moldenke p. 147 Amyris gileadensis, Balsambaum.)
Cyperus Teile 1
Salvia aegyptiaca Teile 1
Amaa-Pflanze Teile 1 (unbekannt)
Apium dulce Teile 1
Annek-Pflanze Teile 1 (nach Loret Erigeron aegypticus ?)
Johannisbrod Teile 1
Wasser Teile 1

Ebenso (d. h. anzuwenden wie das vorige Mittel, also zu kauen.)

*) Papyrus Ebers, pag. 72 (13—18),
**) Papyrus Ebers, p. 72 (13—18),

3. Anfang der Heilmittel von Feststellen des Zahnes.*):
Pulver von Mem-Früchten Teile 1 (nach Loret Dumpalme ?)
Chenti Kugeln (oder Pillen) Teile 1 (eine Metallart ?)
Honig Teile 1

Mache es zu einer Sache, reibe den Zahn damit ein. Ein anderes. (Mittel zum Feststellen des Zahnes ):

Pulver von Bennut-Stein Teile 1 (jedenfalls eine Quarzart.)
Chenti-Kugeln Teile 1
Honig Teile 1

Reibe den Zahn damit ein.

4. Das Vertreiben des Wachsens der Uchedu in den Zähnen. Mit Uchedu in den Zähnen ist jedenfalls ein Alveolar-Abszess bezeichnet.

Mit einer kleinen von Loret stammenden Abweichung, der Uchedu mit Geschwulst, Entzündung erklärt, vermutet Joachim **) eine schmerzhafte Anschwellung, die in Begleitung der Chlorosis aegypliaca an den verschiedensten Körperstellen erscheint. Beim Auftreten in den Zähnen hatte die zu ödematösen Geschwülsten neigende Krankheit eine Anschwellung der ganzen betreffenden Gesichtshälfte zur Folge.

Das Gegenmittel bestand aus:

Nekant-Kugeln Teile 1 (unbekannt)
Honig Teile 1
Cbenti-Kugeln Teile 1 (eine Metallart?)
Bohnen Teile 1
Grünes Pulver (oder Pillen) Teile 1 (Grünspan)

Zerstoße es, zerreibe es, tue es auf den Zahn.
*) Papyrus Ebers, p. 89, Z. 2—15.
**) Joachim, Übersetzung des Papyrus Ebers, Berlin 1890.

5. Ein anderes (Heilmittel) zum Einsalben des Zahnes, der frisst bis zum Rande der Fleisches (eigentlich fleischigen Glieder).

Gegen diese Form der Zahnerkrankung, die unserer Halskaries identisch ist, wird verordnet:

Tepnen Teile 1 (nach Loret Cyminum)
Johannisbrod Teile 1
Weihrauch-Harz Teile 1 (unbekannt).

Zerreibe es, tue es auf den Zahn.

6. Ein anderes vom Feststellen des Zahnes:

Weihrauch-Harz Teile 1
Grünes Pulver Teile 1
Chenti Kugeln Teile 1

Zerreibe es, tue es auf den Zahn.

7. Ein anderes (Heilmittel hierfür):

Wasser Teile 1
S?am (Arthemiia Absinthium) Teile 1

8. Ein anderes vom Einsalben der Zähne im Kauen:

?m?? Pflanze Teile 1
Süsses Bier Teile 1
Suti (oder Resti oder Kem?ti) Schut Teile 1 (unbekannt)

Kaue es, tue es auf die Erde (d. h. spucke es dann aus).

9. Ein anderes vom Vertreiben die Abszesse in den Zähnen, vom Wachsenlassen das Fleisch (fleischigen Glieder):

Milch Teile 1
Süße Datteln Teile 1
Johannisbrod Teile 1

Setze es Nachts dem Tau aus, kaue es neunmal.

Ein anderes (Heilmittel hierfür):

Salvia aegyptiaca Teile 1
Chenti-Kugeln Teile 1
Gummi Teile 1
Anethum Foeniculum Teile 1
Nekant-Körner Teile 1
Balanitas aegyptiaca Früchte Teile 1
T?am-Pflanze Teile 1
?m-Flüssigkeit Teile 1
Wasser Teile 1

In gleicher Weise (d. h. zu behandeln und anzuwenden, wie das vorige).

10. Ein anderes vom Wachsenlassen die Zähne, vom Einsalben der Zähne:

Apium dulce Teile 1
Süßes Bier Teile 1
Duat-Pflanze Teile 1

Kaue es, tue es auf die Erde (also spucke es aus).

11. Ein anderes (Heilmittel) zum Heilen das Fressen des Blutes im Zahn.

Für „Fressen des Blutes im Zahn“ würde man heute „Pulpitis“ sagen, denn gleich uns hat wohl auch jeder Ägypter den bohrenden, pochenden Puls im Zahne gefühlt. Das Gegenmittel lautet:

Rebs-Frucht Teile 1/32 (unbekannt)
Johannisbrod Teile 1/64
Gummi Teile 1/16
Nekant-Körner Teile 1/8
Salvia aegyptiaca Teile 1/32
Wasser Teile 1/2

Setze es Nachts dem Tau aus, kaue es. Für 4 Tage.

Hiermit haben die Angaben von Zahnkrankheiten und ihren Gegenmitteln, soweit der Papyrus in Frage kommt, ihr Ende erreicht.

Wie aus den angeführten Original-Rezepten hervorgeht, waren die verschiedensten Formen der Zahn- und Mundkrankheiten bekannt und wurden mit mannigfachen Mitteln bekämpft.

B. Über Plombe, und Zahnersatz.

Über die oft aufgeworfene Frage, ob dis Ägypter bereits die Plombe und den künstlichen Zahnersatz gekannt haben, sind die Ansichten noch sehr geteilt. Fest steht, dass weder im Papyrus Ebers, noch in einem der späteren Schriftsteller des Altertums davon die Rede ist.

Eine Anzahl von Ägyptologen hat diese Frage zu eingehenden Untersuchungen veranlasst.

Die Veröffentlichungen hierüber sind folgende:

1. Ebers*): „Ich fand keine Anzeichen, die auf Plomben oder Zähnersatz schließen lassen könnten“.

2. Emil Schmidt (Jena)**), der zwar kein Ägyptologe ist, aber mehrere hundert Mumien-Schädel besitzt, schreibt: „Ich fand in keinem Gebiss etwas, das auf zahnärztliche Einflüsse hätte zurückgeführt werden können, keine Plombe, keine Feilung oder Ausbohrung kariöser Stellen, keinen künstlichen Ersatz.“

3. Macalister:***) führt in seinen Notes von Egyptian Mummis die Dinge auf, die er in etwa 500 von ihm untersuchten Mumien-Mündern gefunden hat. Von Plombierungen mit Gold oder anderen Materialien fand er nichts.

*) Brief des Prof. Ebers an Dr. Geist-Jakobi, München 6. III. 1895.
**) Emil Schmidt, über die alt- und neu-ägyptischen Schädel. Leipzig 1885.
***) Macalister, Aufsatz im Journal Anthropological Institute (Nov. 1893, p. 101—120).

4. Im Gegensatz zu diesem Gutachten schreibt Wi1kinson*): „It is a singular fact, that their (der Aegypter) dentists adopted a method, not very long practised in Europe, of stopping teath with gold, proofs of which have been obtamed from sone mummis of Thebes.”

Genaueres gibt Wilkinson aber nicht an. Es lässt sich deshalb nicht feststellen, ob er selbst beobachtet hat, oder, was sehr wahrscheinlich ist, nur relata refert.

5. Maspero**) bat ebenfalls keine Plomben oder Zahnersatz vorgefunden.

Dass nun trotz dieser Gutachten in allgemeinwissenschaftlichen, ja selbst in medizinischen Nachlagewerken immer noch über Funde von Goldplomben und Zahnersatz bei ägyptischen Mumien berichtet wird, dafür liegt der Grund in der unrichtigen Auffassung folgender Umstände:

1. Blumenbach***) erwähnt, dass Giyphius im Schlunde einer Mumie ein dünnes Goldblech gefunden habe.

2. In einigen Gräbern fand man vergoldete Mumienköpfe.****)

3. Von den Arabern wird berichtet, dass sie hier und da den Mumien Goldstücke zwischen die Zähne pressten, um so den Wert derselben zu erhöben. A. Wiedemann hält diese Berichte für Erfindungen und stellt sie auf dasselbe Niveau, wie die Erzählungen vom keimenden Mumienweizen u. s. f.

Über die Frage, ob trotz des Fehlens von Zahnersatz-Funden anzunehmen wäre, dass die Ägypter denselben bereits angewandt hätten, sind in neuester Zeit auch von mehreren Zahnärzten Veröffentlichungen erschienen.

1. Geist -Jakobi*****) schreibt hierüber:

„Es ist bis jetzt noch nicht gelungen, weder im Bilde noch in natura irgend einen Gegenstand aufzufinden, welcher in eine Beziehung zur Zahntechnik gebracht werden könnte. Trotzdem glauben wir annehmen zu dürfen, dass man in Ägypten es verstanden hat, Ersatz für verlorene Zähne zu schaffen und zwar schließen wir dies aus folgenden Gründen. Die vorhandenen ägyptischen Schritten beweisen uns, das die Bewohner des Niltals eine große Anzahl sogenannter Toilettenmittel besaßen, um die Erscheinungen des Alters u. s. w. dem Beschauer zu verbergen, wie z. B. Haarfärbemittel, Haar-Erzeuger und Depilatoren, Schminken u. s. w., man also Wissenschaft, Kunst und Gewerbe mit Erfolg der Eitelkeit dienstbar zu machen suchte. Das Modelliertalent ägyptischer Künstler ist gleichfalls über jeden Zweifel erhaben. Die oben erwähnten Zahnkrankheiten haben sicherlich zum Verlust eines sichtbaren Zahnes, hier oder da, führen müssen und die durch die hohe Kultur gehegte und geförderte Putzsucht hatte das Bestreben zur Folge, diesen Verlust zu verbergen und dazu musste die Lücke ausgefüllt werden. Dies geschah vermutlich durch die Modellierung einer in den Raum passenden Masse aus Wachs, Ton, Holz oder einem ähnlichen plastischen Material. Hierdurch erklärt sich auch die Unmöglichkeit, ein Ersatzstück aufzufinden, denn, wenn wir selbst den unwahrscheinlichen Fall annehmen, dass dasselbe bei der Einbalsamierung nicht entfernt worden wäre, so hätte der Entdecker der betreffenden Mumie hinter dem formlosen, schmutzigen Stücken Wachs oder Ton kaum irgend einen Gegenstand von kulturhistorischem Interesse gesucht.“

*) Wilkinson, Populär Account of the ancient Egyptians 1854, s. 350
**) Maspero, Les mumies royales de Déir et-bahari in Mémoires de la Mission archéologique au Caire l889, I p. 511 — 788.
***) Blumenbach, Aufsatz im Göttingschen Museum d. Wissensch. I, 1 (1780) p. 187.
****) Brief des Prof. A. Wiedemann an d. Verfasser. (Bonn 27, 1, 1904.)
*****) Geist-Jacobi, Geschichte der Zahnheilkunde, Tübingen 1896, p.11.

Diese Ansicht lässt sich jedoch kaum aufrecht erhalten. Künstlicher Zahnersatz wäre dem Toten sicher in Natura oder in plastischer Nachahmung mitgegeben worden, hat sich aber bisher nicht gefunden. Tongegenstände und auch Dinge aus Wachs haben sich in dem trockenen Ägypten, besonders in den Gräbern sehr gut erhalten. Da von der Unsumme des einst Vorhandenen nur noch ein kleiner Teil erhalten geblieben ist, so ist das Fehlen solcher Funde freilich noch kein Beweis, dass der Zahnersatz nicht existiert hat. Für die entgegengesetzte Annahme kann es aber erst recht nicht als Bekräftigungsmittel dienen.

2. Dressel*) äußert sich über die zahntechnische Frage folgendermaßen:

„Die einbalsamierten Leichen „Mumien“ wurden in Totenhäusern beigesetzt, welche man als Auferstehungsheime betrachtete. Auf den Tafeln, welche über der Eingangstür! zu diesen Grabkammern angebracht waren, fand sich stets ein Verzeichnis aller Dinge, welche der Verstorbene gebraucht hatte und deren er nach der Auferstehung wieder bedürfen würde! In diesen Listen findet man zwar häufig Schminken und Salben, aber niemals künstliche Zähne angeführt; dies müsste Wunder nehmen, sofern den Ägyptern ein Zahnersatz bekannt gewesen wäre.“

*) Dressel, besaßen die alten Ägypter zahntechnische Kenntnisse? Aufsatz in der Zahnärztlichen Randschau, XII. Jahrgang, Nr. 593.

Auch aus diesen Ausführungen lassen sich aus folgendem Grunde keine Schlussfolgerungen ziehen:

Die von Dresse1 erwähnten Listen sind Opfergabelisten, welche sich in zahlreichen Gräbern aufgerichtet finden. Diese Listen enthalten einen Auszug aus der Liste derjenigen Dinge, welche dem Toten bei den Begräbniszeremonien durch ein bestimmtes Ritual verliehen wurden.*) Es sind dies die Dinge, welche jeder Ägypter brauchte und darum in dem dem Diesseits gleich gedachten Jenseits gerne haben wollte, also Speisen, Getränke, Wohlgerüche, Schminken, Stoffe.

Dagegen enthalten die Listen nie solche Dinge, welche nur ein Einzelner brauchte.

Es kann also nicht auffallen, wenn falsche Haare und Zähne, selbst angenommen, dass solche existiert hätten, nicht erwähnt sind.

Bei seinen Erwägungen führt Dressel unter anderem auch den Bericht Guerinis**) über ein etruskisches Zahnersatzstück im alten Museum von Corneto (dem alten Tarquinia) an, dem ein Alter vom 3000 Jahren zugeschrieben wird. Das betreffende, unseren Brückenarbeiten ähnliche, Zahnersatzstück besteht aus aneinander gelöteten Goldringen, in welche Ochsenzähne eingekeilt sind.

Bezugnehmend auf diesen Fund sagt Dressel:

„Man müsste nun annehmen, dass Arbeiten, welche ein alter Etrusker ausführen konnte, viel eher von den weitaus intelligenteren Ägyptern hätten angefertigt werden können, wenn sie eben eines Zahnersatzes bedurft hätten.“

Diese Schlussfolgerung wäre an sich nicht von der Hand zu weisen, doch klingt die Zahl 3000 doch etwas sehr bestimmt.

*) Maspero, Histoire des religions. 1897.
**) Guerini, Zahnersatzkunst bei den alten Völkern Italiens. Oester.Ung. Viertelj.-Schrift für Zahnheilkunde 1894.

4. Einen ähnlichen Fand machte Ebers im Museum zu Orvieto, wo er einen etruskischen Schädel fand, bei dem ein Backenzahn an seinen Nachbarn mit Golddraht angebunden war. Der betreffende Schädel soll aus dem 4—6, Jahrhundert v. Chr. stammen. Ebers*) berichtet hierüber:

„Was dem Etrusker möglich war, sollte man auch dem Ärztevolk von Ägypten zutrauen dürfen. Doch scheint dieser Schluss falsch, und die Schädel der Vornehmen sprechen gegen falsche Zähne.“

5. Pfaff**) spricht sich für die Möglichkeit einer vorhanden gewesenen Zahntechnik aus.

Aus den angeführten Gründen sind die rein zahnärztlichen Gutachten, soweit sie sich für das Vorhandensein der Zahntechnik aussprechen, nicht beweiskräftig.

Den Gutachten der Ägyptologen, die sich einstimmig gegen eine Zahntechnik aussprechen, muss die größte Wahrscheinlichkeit zugesprochen werden.

C. Über Formveränderungen der Zähne.

Bei der Suche nach Plomben und Zahnersatz stieß Blumenbach***) auf eine merkwürdige Tatsache. Er beobachtete, dass alle Mumienzähne auffallend abgenützte und glattgeschliffene Kauflächen besaßen.

Als Ursache dieser Formveränderungen gibt Blumenbach****) die Nahrungsmittel der alten Ägypter und die Art und Weise, sie zu kauen, an. Um ihre Speisen recht zu zermalmen, hätten sie die Kinnbacken mehr hin und her geschoben, statt auf und nieder bewegt. Durch den beständigen Druck seien die Zähne flacher, kürzer und dicker geworden.

Eine weitere Erklärung hierfür gibt Maspero*****), der folgendermassen schreibt: „Les Egyptiens, de mème que certaines penplades contemporaines de l'Afrique qui se nourissent de grain mal moulu, mangeaient en superposant exactement les deux mâchoires, et leurs incisives se correspondaient exactement au bien de se croiser.“

Pechnël-Loesche beobachtete diese Erscheinung bei Bewohnern der Wüste besonders bei den Hottentoten

*) Brief an Dr. Geist-Jakobi, München, 6. III. 95.
**) Pfaff, Deutsche Monatschrift für Zahnheilkunde 1903, Heft 6.
***) Blumenbach, Philosophical Transaction of the Royal Society of London, l794I p. 184.
****) Blumenbach, Von den Zähnen der alten Ägypter und von den Mumien. Götting. Mag. d. Wissensch. (17301. 1. p. 110 f.)
*****) Maspero, Mumies royales de Deir etbahari, pag. 581.

in Süd-West-Afrika und führt sie auf den wie Schmirgel wirkenden Wüstenstaub zurück, der bei der Zubereitung der Speisen dieselben durchsetzt.

Alle drei Ansichten lassen sich vom zahnärztlichen Standpunkt vertreten, doch scheint die Erklärung Pechnël-Loesches die einfachste Lösung des Rätsels zu sein.

D. Über die Wertschätzung der Zähne.

Um sich ein vollkommenes Bild des Standes der damaligen Zahnheilkunde zu machen, bleibt noch eine Frage offen. Waren sich die alten Ägypter bewusst, welchen Vorteil ein normales Gebiss dem Menschen betreffs seiner Gesundheit und seines äußeren Ansehens bot?

In Beantwortet dieser Frage berichtet

1. A. Wiedemann*): „Bei dem Lob einer ägyptischen Prinzessin vor etwa 700 Jahren v. Chr. findet sich die Angabe: „Ihre Zähne sind härter als die Feuersteinsplitter der Sichel.“

In der Erklärung dieser Worte sagt Wiedemanp: „Die einfachste Form der ägyptischen Sichel war ein Holz in Gestalt eines Ochsenkinnbackens, in den man an die Stelle der Zähne Feuersteinsplitter von dreieckiger Form gesteckt hatte. Mit diesem Instrument schnitt man das Getreide ab.“

2. Einen weiteren Beitrag hierzu liefert Maspero**), welcher berichtet: „In dem Opfergabendarbringungs-Ritual findet sich bei der Darbringung von Zwiebeln die Stelle „ich reiche Dir (dem Toten) dar die weißen Zähne (in Parallel texten „die weißen gesunden Zähne*) des Horus, um mit ihnen deinen Mund auszustatten.“

Die Gleichung mit der Zwiebel beruht hier auf einem Wortspiel. Die Zwiebel heißt u. a. utu, welches gleichzeitig auch weiß bedeutet. Man dachte wohl daran, dass man mit der Zwiebel die Zähne reinigen und weiß machen könnte.

Jedenfalls geht aber aus der Stelle, die sich bereits in den Texten der Pyramiden der 5—6. Dynastie findet, ebenso wie aus dem ersten Bericht hervor, dass die alten Aegypter von Alters her auf weiße und auf gesunde Zähne großes Gewicht gelegt haben.

*) A. Wiedemann’s Unterhaltungsliteratur der alten Ägypter, pag. 6.
**) Maspero, Mumies royales de Déir et bahari, pag. 16.