Norrmann und Bouchholtz als landesherrliche Kommissarien

Während sich Wismar so nach langem Verfall wieder im Anfang einer regen, planvoll geleiteten und hoffnungsreichen Reformtätigkeit befand, fing auch bei der Landesregierung der Gedanke an die ergebnislos abgebrochene Regulierung des wismarschen Stadtwesens wieder an lebendig zu werden. Im Oktober und November 1822 reichte der Kanzleirat und Regierungsfiskal Bouchholtz, der Bruder des inzwischen verstorbenen Geheimen Kanzleirats, die in dessen Händen gebliebenen Kommissionsakten in 26 Faszikeln bei der Regierung ein. Er fügte zusammenfassende Begleitberichte *) zu Nutz und Frommen des Rostocker Universitätsprofessors, Hofrats Norrmann bei, der als großherzoglicher Kommissar in Aussicht genommen war. Durch eine 1N04 veröffentlichte Schrift **) den wismarschen Dingen schon nähergekommen, suchte sich Norrmann jetzt für seinen Auftrag durch umfassende Vorarbeiten an der Hand der Akten und aller nur erreichbaren Literatur noch besonders zu rüsten. Die einzige Frucht dieser seiner Tätigkeit scheint jedoch ein an die Regierung erstatteter Bericht gewesen zu sein, der nun wieder dem Kanzleirat Bouchholtz zur Belehrung zugestellt wurde. Denn dieser war 1825 anstatt Norrmanns dazu ausersehen, die Verhandlungen mit Wismar wieder anzuknüpfen.

*) Geh. und Hauptarchiv Civ. W., Stadtsachen.
**) Norrmann, Über Wismars Handelslage und deren Benutzung in älteren Zeiten. Ein Beitrag zur Mecklenburgischen Handelsgeschichte. Rostock. Gedruckt in der Adlerschen Officin. 1804.


Bouchholtz fand schon bei den Vorarbeiten mit scharfem Blick heraus, wie sehr sich die Dinge in Wismar seit 1806 zum Nachteil für ein landesherrliches Einschreiten verändert hatten: „die von der städtischen Administration ohne höhere Einmischung und Leitung neuerdings bewirkten ungemein wichtigen und sonst kaum zu hoffenden Verbesserungen in den finanziellen Verhältnissen der Stadt haben das vormals rege gewesene Gefühl des Bedürfnisses einer höheren Einwirkung so gut wie vernichtet.“ Während die Regulierung vormals „als einziges Rettungsmittel aus unüberwindlichen Mängeln und Verlegenheiten erschien, wird sie jetzt mehr in dem Lichte der Beschränkung der eigenen schon erprobten Wirksamkeit betrachtet; und während vormals die Akzise um ihres geringen Ertrages willen kaum für einen genügenden Preis der landesherrlichen Verheißungen gehalten werden konnte, erscheint sie jetzt schlechthin als der Gegenstand der landesherrlichen Spekulation.“ Sein verstorbener Bruder habe durchgesetzt, dass der Erwerbung der Akzise in seinem Kommissorium keine Erwähnung geschah; gleichwohl habe er von vornherein sein Augenmerk darauf gerichtet und sei fast am Ziele gewesen, als die Verhandlungen abgebrochen wurden. Dem jetzigen Kommissar würde aber unter allen Umständen die Überzeugung aller Wismaraner entgegentreten: „dieser soll uns die Akzise aus den Händen winden“ und der Vorsatz: „daraus soll nichts werden“. Da nach Meinung der Wismaraner für die aus eigener Kraft reformierte Akzise von der Landesherrschaft nichts geboten werden könne, was der Stadt nicht von Rechts wegen zukäme, wie vor allem das Aufhören des Fremdenrechts in Zoll- und Steuersachen, glaubte Bouchholtz sich auf ihre vollständige Opposition gefasst machen zu müssen. Er empfahl eine Verschiebung des Beginns der Verhandlungen bis ins nächste Frühjahr. Dann würde auch der Streit über die Bürgermeisterstelle wohl schon entschieden sein. Von dem de-signierten Bürgermeister Haupt hoffte er, dass dieser nur von den guten Absichten des Großherzogs für das allgemeine Beste überzeugt werden dürfe, „um mit seinem überwiegenden Talente für diese Absichten gewonnen zu sein.“ *)

*) Konzept des Bouchholtzschen Berichts vom 10. September 1825 im Geh. und Hauptarchiv Civ. W., Stadtsachen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wismar unter dem Pfandvertrage, 1803 bis 1903