Akzisereform

Eine Reform der Akziseverwaltung war schon längst in Wismar als dringend notwendig empfunden wor-den. Aber die von Rat und Ausschuss gepflogenen Beratungen über die Abbürdung der Schuldenlast der Akzise wie auch die durch die Bouchholtzschen Kommissionsverhandlungen gegebenen Anregungen waren ohne jedes erkennbare Ergebnis vorübergegangen.*) 1805 hatte auf der Akzise eine Kapitalschuld von 131.783 Talern 10 1/3 Schilling nebst 113.089 Talern 8 1/2 Schilling rückständiger Zinsen gelastet. Bis zum Jahre 1820 hatte sich die Kapitalschuld nicht nennenswert vermindert: sie betrug noch 131.629 Taler 42 3/4 Schilling. Die Zinsenschuld dagegen war angewachsen auf 140.400 Taler, hatte sich also in einem Zeitraum von 15 Jahren um mehr als 27.000 Taler gesteigert.

*) S. oben S. 7 ; für die Weiterentwickelung Ratsarchiv Tit. XI, No. 2, Vol. 38 und Tit. IV, Vol. 24.


Schon 1817 hatte wieder eine städtische Kommission zur Revision der Akziseverwaltung getagt. Im August 1819 reichte sie ihren Bericht ein: sie wollte durch verbesserte Aufsicht den Ertrag der Akzise, der sich damals nur auf 21.000 Mark jährlich belief, auf 30.000 oder gar 36.000 Mark steigern. Diese zuletzt in besonders guten Jahren erzielte Einnahme von 21.000 Mark bedeutete immer noch einen Fehlbetrag von mindestens 2.000 Mark, da die Akziseverwaltung nur zum Balanzieren, ohne an Schuldenabtrag denken zu können, einer Jahreseinnahme von 23.144 Mark bedurfte. Im Juni 1820 hatten die Direktoren der Akzise, die Ratsherren Schmidt und Haupt, *) als Quelle des Ebels die geringe Besoldung der Akzisebedienten dargetan; nur durch sie hatte sich das Defraudationswesen so einwurzeln können, dass seit dem Jahre 1804 nicht weniger als 80.000 Taler verloren gingen. Sie schlugen demgemäß eine Erhöhung der Akzisegehälter, besonders derjenigen der Unterbeamten, und die Einführung einer scharfen Aufsicht vor und erreichten, dass sogleich die Gehaltserhöhung, jährliche Revisionen der Akziserechnungen, Vorlage einer jährlichen Bilanz und andere Kontrollmaßregeln eingeführt wurden. Zur Belebung des Eifers der Beamten wurde bestimmt, dass die Hälfte der Strafgelder für Defraudationen unter die Akzisebeamten verteilt und ein Viertel außerdem dem Denunzianten zugewiesen werden sollte.

*) Nicht der schon mehrfach erwähnte spätere Bürgermeister Anton Johann Friedrich, sondern sein Oheim, der spätere Kommerzienrat Gabriel Christoph Daniel, Halbbruder des Ausschusskonsulenten, Senators und Syndikus Gabriel Christian Anton (†1818).

Der Erfolg dieser Maßregeln war überraschend: die jährlichen Einnahmen der Akzise, die sich 1812 — 1819 zwischen 5.400 und 7.100 Talern gehalten hatten, stiegen schon 1820 auf 10.341 Taler. Von Mariä Geburt 1819 bis dahin 1820 wurde ein Überschuss von mehr als 1.189 Talern erzielt, obwohl an laufenden und rückständigen Zinsen annähernd 7.028 Taler gezahlt waren. Der Schuldenabtrag der Akzise wurde in der Art geregelt, dass die Überschüsse zu gleichen Teilen zur Tilgung der Kapitalschuld und der Zinsenrückstände verwandt werden sollten. 1822 war die Einnahme der Akzise schon über 11.000 Taler gestiegen und ein Überschuss von 2.520 Talern erzielt, der in der angegebenen Weise angewandt wurde. 1826 stieg die Einnahme auf 13.563 und der Überschuss auf 4.463 Taler. Bis 1827 konnten zusammen 17.067 Taler an Kapitalschulden und rückständigen Zinsen getilgt werden.

So war die Akzise mit einem Schlage aus dem jahrzehntelangen Zustande jammervoller Verwahrlosung mit stehenden Fehlbeträgen zu einer pünktlich arbeitenden Behörde umgewandelt, die mit jedem Jahre sich steigernde Überschüsse erzielte und alle Aussicht bot, die im Laufe langer Zeit angehäuften Schuldenmassen in absehbarer Frist vollständig zu tilgen und darnach alljährlich für Zwecke der städtischen Verwaltung namhafte Überschüsse abzuwerfen.

Die Reformtätigkeit hatte somit im Verlauf weniger Jahre in einzelnen Verwaltungszweigen (Schuldenverwaltung, Armenwesen, Akzise) einen durchschlagenden Erfolg erzielt; neue gemeinnützige Institute (Brandversicherung, Leihhaus, Ersparnisanstalt, Arbeitshaus) waren emporgeblüht. Daneben wurde der Verbesserung anderer Verwaltungszweige, besonders der Kämmerei und der Gemeindeweiden, vorgearbeitet. Die Erneuerung des Straßenpflasters bot 1821 die Gelegenheit, die gesundheitsschädlichen bedeckten Rinnsteine zu beseitigen. 1820. wurde der bis dahin ohne Erfolg bekämpften Unreinlichkeit der Straßen durch Erlass einer umfassenden Verordnung über die Gassenreinigung entgegengetreten. In der Abfuhr des Unrats konnte man jetzt dem neu gegründeten Arbeitshaus sogleich eine nutzbringende Aufgabe stellen.

Die Einführung einer Straßenbeleuchtung *) wurde 1821 vom Rat angeregt, aber bei dem Widerstreben des Ausschusses erst 1827 vom Bürgermeister Haupt durchgesetzt. 1830 jedoch musste die Beleuchtung wegen der hohen Ölpreise schon wieder unterbleiben. Erst 1845 gelang es mit Hilfe freiwilliger Beiträge, das undurchdringliche Dunkel, in das Wismar während eines halben Menschenalters des Nachts gehüllt war, wie-der mit dem spärlichen Licht der Öllampen zu erhellen.

*) Ratsarchiv Tit. XIX, No. 3, Vol. 27 I.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wismar unter dem Pfandvertrage, 1803 bis 1903