Kämmereireform und Revisionsdepartement

Inzwischen hatte Nettelbladt auch die Revision der übrigen Verwaltungszweige in Angriff genommen. Die Kämmerei war schon früher in die städtischen Reformpläne einbezogen worden.*) Im Januar 1816 war eine Revision der Kämmereiverwaltung zum Abschluss gekommen. 181 8 und 1819 wurde auf Andringen des Ausschusses schon wieder eine Rechnungsaufnahme vorgenommen. Dieselbe ergab, dass die Vorsteher der Kämmerei von allen Vorschriften, die durch den Revisionsabschied vom 13. Januar 1816 angeordnet waren, nicht einen einzigen befolgt hatten. Die Restanten wurden mit jedem Jahre größer; 1814 betrugen sie noch 17.262 Mark und waren 1817 schon auf 21.576 Mark gestiegen. Die Unordnungen bei den Bauten und Lieferungen hatten den Höhepunkt erreicht, so dass der Ausschuss am 16. April 1819 keine andere Hilfe mehr sah, als Auflösung und völlige Neubesetzung dieses Departements. Dieser Beschluss, den die Bürgerworthalter zu unterzeichnen verweigert hatten, bewirkte die Einsetzung einer rätlich-bürgerschaftlichen Kommission zur Reform der Kämmereiverwaltung. Nettelbladt, dessen Tätigkeit sich hier besonders deutlich mit der schon im Fluss begriffenen städtischen Reformbewegung kreuzte, konnte durch seine Revision noch feststellen, dass die Schulden der Kämmerei in der Zeit von 1804 bis Ostern 1827 von 10.815 auf 104.470 Mark angewachsen waren, sich also um 93.655 Mark vermehrt hatten. Außerdem steuerte er ein übersichtliches Schema für die Registerführung bei, durch das eine bedeutende Verbesserung des Rechnungswesens erreicht wurde.

Inzwischen hatte Haupt die Angelegenheit nicht aus den Augen verloren. Im Januar 1828 konnte er mit seinem weitschauenden Reformplan hervortreten. Er hatte den Kernpunkt des Übels bei der Kämmereiverwaltung in dem Mangel einer geordneten, sicheren Kontrolle erkannt, bei deren Fehlen alle guten Vorschriften nichts nützen konnten. Der gleiche Mangel war bei den übrigen städtischen Verwaltungsbehörden in noch größerem Maß vorhanden, denn von diesen wurde dem Rat nicht einmal regelmäßig Rechnung gelegt. Um diesen Missständen mit einem Schlage abzuhelfen, empfahl Haupt die Begründung eines allgemeinen Revisionsdepartements, dessen ständiger Aufsicht nicht allein die Kämmerei, sondern sämtliche Behörden, die städtisches Vermögen zu verwalten hatten, unterstellt sein sollten. Dadurch hoffte Haupt auch die nötige Einheitlichkeit in die städtische Verwaltung zu bringen, die bisher ganz fehlte, indem jedes einzelne Departement für sich und nur auf seinen nächsten Vorteil bedacht wirtschaftete und darüber nur zu oft den höheren allgemeinen Zweck aus den Augen verlor. Haupt hatte auch schon den Gedanken einer Vereinigung der einzelnen Departements erwogen, der erst zwei Menschenalter später Verwirklichung fand; für jetzt aber wollte er sich noch damit begnügen, durch eine gemeinsame Oberbehörde ein gemeinsames Band für sie alle zu schatten. Noch im Januar 1828 begannen die Verhandlungen mit Nettelbladt über die beiden Hauptschen Regulativentwürfe für die Verwaltung der Kämmerei und das neu zu begründende Revisionsdepartement. Im September waren auch die Beratungen mit dem Ausschuss zum Ziel gekommen. Michaelis 1828 konnte die Neuorganisation der Kämmerei dem Regulativ gemäß in Kraft treten und zugleich auch die übri-gen Departements der Oberaufsicht des Revisionsdepartements unterstellt werden.


*) Vgl. Ratsarchiv Tit. XIII, No. I, Vol. 15 und 16.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wismar unter dem Pfandvertrage, 1803 bis 1903