Akziseverhandlungen

Bei den Verhandlungen von 1805/6 war der letzte Vorschlag des Kommissars Bouchholtz gewesen: Lizent, Staatsgeld und Akziserekognition hören auf; der Landesherr erhält als Abrindung für alle und jede ordentliche Landes- und Reichsanlage die nach einem neu entworfenen Tarif zu erhebende Akzise, für welche die Stadt eine reine jährliche Einnahme von 13.000 Talern zu gewährleisten hat. Herabsetzung der Zinsen für die bei der Akzisekammer belegten Hebungskapitalien auf 4, für die Kapitalien anderer städtischer Kassen auf 3 vom Hundert. Nach Tilgung der ganzen Schuld der Akzisekammer sollte der Landesherrschaft eine jährliche Einnahme von 16.000 Talern verbürgt und etwaige Überschüsse darüber zu zwei Dritteln der Landesherrschaft und zu einem Drittel der städtischen Kämmerei überwiesen werden. Die bei den mecklenburgischen Steuerstuben zu erlegende Nachsteuer für wismarsche Waren sollte nur insoweit weitererhoben werden, als die mecklenburgische Handelssteuer die wismarsche übertraf.

Rat und Ausschuss hatten in ihrem Gegenvorschlag die Garantiesummen auf 10.000 bzw. 14.000 Taler herabgesetzt. Sie verlangten ferner für die bei der Akzisekammer belegten Kapitalien der städtischen Kassen eine Verzinsung zu 4 vom Hundert sowie völlige Steuerfreiheit einschließlich der Land- und Dammzölle für ihren Handel in Mecklenburg.


Aber Nettelbladts Versuch hieran anzuknüpfen stieß sogleich auf einen sehr entschiedenen Widerstand der Stadt, die mit Hinweis auf die inzwischen durchgeführte Akzisereform jede Anknüpfung an die Verhandlungen von 1806 auf das Bestimmteste ablehnte.

Nach mündlichen Verhandlungen mit Haupt legte Nettelbladt unterm 22. September 1827 einen neuen Entwurf vor. Die Grundgedanken desselben waren: Errichtung einer neuen indirekten Steuererhebung (neue Akzise), bei deren Verwaltung die Stadt beteiligt sein sollte, unter gleichzeitiger Aufhebung des Staatsgel-des und der Akziserekognition. Vereinigung des Lizent mit der neuen Akzise und Einführung eines neuen Tarifs unter Mitwirkung der Stadt, wobei die Höhe des Rostocker Tarifs nicht überschritten werden sollte. Der Landesherr empfängt aus den Akziseaufkünften jährlich für Gehälter und zur Deckung sonstiger Verwaltungskosten 3.400 Taler und außerdem 10.000 Taler, die nach Tilgung der Akziseschulden auf 18.000 steigen sollten. Teilung des Überschusses zwischen der Landesherrschaft und der Stadt zu gleichen Teilen.

Haupts rastlosen Bemühungen gelang es, die städtischen Behörden zum Eingehen auf diese Verhandlungen zu bewegen. Mit größtem Nachdruck wies er immer wieder darauf hin, dass von der Vereinbarung über die Akzise der günstige Ausgang der ganzen landesherrlichen Kommissionsverhandlungen abhängig sei; dass ohne Nachgeben der Stadt in dieser Angelegenheit auch die Regierung keine Zugeständnisse machen würde und die unglücklichen äußeren Verhältnisse der Stadt bleiben würden wie sie waren. Zuversichtlich hoffte er, dass durch eine günstige Vereinbarung der Wohlstand der Bürgerschaft bedeutend gewinnen würde.

Allerdings verlangte die Stadt weitgehende Abänderungen der Nettelbladtschen Vorschläge: Ausdehnung der Verwaltungsgemeinschaft auch auf die eigentlichen Akziseoffizianten und deren abwechselnde Ernennung, während nach Nettelbladts Vorschlag nur einer der Akzisedirektoren städtisch sein sollte. Die Kosten der Akziseverwaltung veranschlagte man auf nur 3.000 Taler und wollte nur 9.000 Taler jährlich in die landesherrliche Kasse fließen lassen. Außerdem verlangte man Aufhebung der nur 100 Taler jährlich betragenden Orbör, Befreiung von der Prinzessinnensteuer, Gleichstellung im Verkehr mit dem übrigen Mecklenburg. Unter Hinweis auf die Größe des zu bringenden Opfers stellte die Stadt außerdem noch eine Reihe Bedingungen, z. B. die Überlassung sämtlicher Fortifikationsplätze in Erbpacht, Einräumung einer Kontrolle über den Abfluss des Schweriner Sees durch die vichelsche Schleuse, Sicherung der Metelsdorfer Quellen für die städtische Wasserleitung, Errichtung eines privilegierten Wollmarktes in Wismar, Verzicht der Landesherrschaft auf die seit 1803 nicht mehr bezahlte Tribunalsteuer, Berücksichtigung der Stadt bei Errichtung oder Verlegung von Landesbehörden, Verbindung mit dem Schweriner See durch Kanal oder Kunst-straße und manches andere; besonders aber die Einverleibung in den ständischen Verband, die als unerlässliche Bedingung bezeichnet wurde.

Die Stadt fand bei der Regierung kein geneigtes Ohr. Unterm 13. Juli 1828 eröffnete Nettelbladt dem Magistrat, dass die Einverleibung Wismars in den ständischen Verband als Bedingung der Vereinbarung als ganz unzulässig zurückgewiesen sei, da ihre Erfüllung nicht vom Großherzog allein abhänge und beide Dinge nichts miteinander zu tun hätten. Ebenso wurde die Bewidmung mit einem Wollmarkt abgelehnt. Im Übrigen habe sich der Großherzog bereit erklärt, unter der Voraussetzung, dass die Akziseangelegenheit zum Abschluss kommen würde, den Wünschen der Stadt selbst mit Opfern entgegenzukommen. Aber in Bezug auf die einzelnen Bedingungen äußerte sich Nettelbladt sehr zurückhaltend: wegen der Tribunalsteuer z. B. war nur „tunlichste Erleichterung“ in Aussicht gestellt, bei Errichtung oder Verlegung von Landesbehörden wollte man „so viel es die Umstände gestatten“ der Stadt eingedenk sein. Und diese starken Einschränkungen der wismarschen Forderungen sowie die bei andern Punkten allgemein und in unverbindlicher Form geäußerte Bereitwilligkeit waren noch ausdrücklich abhängig gemacht von vorher zu führenden Unterhandlungen. Als sicher konnte bis jetzt nur feststehen die Ablehnung der Wollmarktserrichtung und die Zurückweisung der Aufnahme Wismars in den ständischen Verband als Bedingung des Abschlusses.

Inwieweit die Stadt auf Entgegenkommen der Regierung zählen durfte, offenbarte sich noch deutlicher aus zwei Schreiben des Großherzoglichen Kommissars vom 13. Oktober 1828. In ihnen wurde die Berechtigung der Stadt, an die Übergabe der Akzise Bedingungen zu knüpfen, rundweg bestritten. Die Erfüllung hänge lediglich von der Gnade des Landesherrn ab, zumal diesem durch die Übernahme, der Akzise kein Vorteil erwachse. Für weitere Zugeständnisse sei daher eine Entschädigung am Platze. Demgemäß sollten die Fortifikationsplätze der Stadt wohl in Erbpacht überlassen werden, aber nicht unter Zugrundelegung der zur Zeit gezahlten Pachten, sondern nach Ausmittelung ihres wahren Wertes, wobei u. a. noch die Übernahme der von den Pächtern geleisteten Vorschüsse und die unentgeltliche Hergabe eines Exerzierplatzes von der Stadt gefordert wurde. Das Magazingebäude hatte die Stadt als Entschädigung für das als Militärlazarett eingeräumte Gebäude der Papencollatie zur Erweiterung des städtischen Krankenhauses gefordert. Nach Nettelbladts Eröffnung sollte es jedoch nur gegen Erstattung des Wertes von 3.073 Talern 9 Schilling abgegeben werden. Die Tribunalsteuer sollte erleichtert, aber nicht erlassen werden. Gleichzeitig wurde auf der jährlichen Entschädigungssumme von 10.000 Talern beharrt, da die in Wegfall kommenden landesherrlichen Hebungen noch höher gewesen seien. Die anfänglich zugestandene gleiche Teilung der Überschüsse wurde jetzt auf die Zeit bis zur Tilgung der Akziseschulden eingeschränkt; darnach sollten dem Landesherrn zwei Drittel zustehen. Die Befreiung von der Prinzessinnensteuer wurde nicht bewilligt. Dagegen sollte Wismar in keiner Hinsicht hinter andern mecklenburgischen Städten zurückstehen.

Was konnte bei so überwiegend und schroff ablehnender Haltung eine so allgemein gehaltene Versicherung noch fruchten, zumal unmittelbar darauf unverblümt gedroht wurde durch Aufwerfung der Frage, ob das der Stadt zur Schuldentilgung landesherrlich gewährte Akziserecht nicht durch Missbrauch längst verwirkt sei? Die Regierung hatte den Bogen überspannt. Das war nicht der Weg, auf dem man zu einer Verständigung gelangen konnte. Schon von Anfang an hatte Haupt im Ratskollegium manchen Widerstand, besonders von Seiten des Bürgermeisters Schmidt überwinden müssen; jetzt mussten durch die brüske Haltung der Regierung die einer Vereinbarung widerstrebenden Kräfte wieder emporwachsen. Haupt aber hielt ein Übereinkommen jetzt für noch notwendiger als früher. Er stellte dem Ratskollegium vor, dass die Stadt sonst in eine höchst gespannte Stellung zur Landesherrschaft geraten würde. Diese kenne jetzt die Schwächen des Gemeinwesens genau und würde sie auch ausnutzen. Er hoffte auf Grund vertraulicher Verhandlungen mit Nettelbladt noch immer, die Wünsche der Stadt in ihren wesentlichen Punkten durchzusetzen, und empfahl Nachgiebigkeit in nebensächlichen Dingen. So gelang es ihm trotz allem, im Ratskollegium eine dem Abschluss nicht abgeneigte Stimmung zu erhalten. Da aber empfahl der bürgerschaftliche Ausschuss am 12. Dezember 1828 gänzlichen Abbruch der Akziseverhandlungen, da die Bedingungen der Stadt fast alle ab-gelehnt seien.

Nun sah Nettelbladt doch ein, dass er einen Schritt zurückweichen musste, um die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen. Aber seine Erklärung, die Schreiben vom 13. Oktober 1828 seien kein Ultimatum, kam zu spät. Auch das bald darauf von der Regierung an den Ausschuss erlassene Ermahnungsschreiben, das möglichstes Entgegenkommen gegenüber den Wünschen der Stadt verhieß, hatte nicht die beabsichtigte Wirkung. Der Ausschuss wollte sich nicht zur Wiederanknüpfung der Verhandlungen entschließen, und der Rat lehnte es ab, ohne den Ausschuss über diese Sache weiter zu verhandeln. Nur über die Gnadenerweisungen wurden vom Januar 1829 an Verhandlungen mit Nettelbladt gepflogen. In der Akziseangelegenheit beriet die rätlich-bürgerschaftliche Kommission allein weiter und legte unterm 24. März 1829 ein Gegenprojekt mit Tarifentwurf vor, dass der Rat am 14. Oktober dem Ausschuss empfahl. Dieser aber war am 4. Dezember mit erdrückender Mehrheit gegen die Akzisevereinbarung. Er beschloss, die Entscheidung der Bürgerschaft zu überlassen.

Darüber, dass diese hierin das letzte Wort sprechen müsse, war man von Anfang an auf wismarscher Seite einig gewesen. Aber jetzt waren die Verhandlungen noch weit davon entfernt, dass an eine letzte Entscheidung hätte gedacht werden können. Die Regierung hatte das städtische Gegenprojekt noch nicht einmal gesehen. Durch das Ja der Bürgerschaft wäre der Rat also nur ermächtigt worden, die städtischen Bedingungen dem Kommissar vorzulegen. Wegen jeder noch so geringen Veränderung hätte man dann die Bürgerschaft wieder zusammenrufen müssen. So wäre diese in völlig verfassungswidriger und widersinniger Weise in die Verhandlungen hineingezogen worden, anstatt nur die letzte Entscheidung zu geben. Haupt hielt jetzt die Sache für verloren. Nur einen letzten verzweifelten Versuch der Rettung wagte er noch, indem er den Rat dem Ausschussbeschluss zum Trotz zur sofortigen Wiederaufnahme der Verhandlungen mit dem Kommissar veranlasste. Unterm 31. Januar 1830 erging das rätliche Schreiben an Nettelbladt. Es betonte bestimmt die Unmöglichkeit, die Akzise der Stadt wider ihren Willen zu entziehen, da sie ihr später ohne Beschränkung und auf ewige Zeiten verliehen sei. Die Stadt sei daher berechtigt, an die Aufgabe der Akzise Bedingungen zu knüpfen. Sie hielt fest an der Entschädigungssumme von 9.000 Talern jährlich und an gleicher Teilung der Überschüsse. Von den durch Kapitalabtrag entstehenden Ersparnissen beanspruchte sie zwei Drittel. An Verwaltungskosten wollte sie jetzt 3.400 Taler jährlich bewilligen, beharrte aber auf ab-wechselnder Beamtenernennung und auf einigen minder wichtigen Bedingungen.

Außer einem Protest des Ausschusses hat dieser Wiederanknüpfungsversuch keine Wirkung gehabt. Die Akzisevereinbarung, der wichtigste Punkt der kommissarisch-deputatischen Verhandlungen, war gescheitert.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wismar unter dem Pfandvertrage, 1803 bis 1903