Leihhaus und Ersparnisanstalt

Der Begründung der Brandversicherung folgte die Errichtung weiterer gemeinnütziger Anstalten auf dem Fuße.

Schon 1803 war von der Errichtung eines städtischen Leihhauses die Rede gewesen. *) 1821 brachte der wismarsche Kaufmann G. N. Sohst die liegen gebliebene Angelegenheit wieder aufs Tapet, damit „die abscheuliche Wucherei der hiesigen Privat-Pfandleiher aufhöre, welche nicht selten die letzte Habe dürftiger Einwohner verschlingt“. Er reichte gleich einen Plan ein und empfahl die Verbindung des Leihhauses mit einer Ersparnisanstalt, für deren Errichtung er ebenfalls einen Entwurf vorlegte. **) Unter dem 23. Juni 1824 wurden die Verordnungen über Errichtung beider Anstalten veröffentlicht.


Aber nun führte ein von der Stadt an die Regierung gerichtetes Gesuch um Bewilligung der Stempelfreiheit für die Ersparnisanstalt zu langwierigen Streitigkeiten. Die Regierung forderte nähere Nachweise über die Sicherung der Kapitalien und deren Belegung sowie Nachsuchung der landesherrlichen Bestätigung. Der Rat, der in diesem Verlangen eine Verletzung seines jus statuendi erblickte, wurde dagegen vorstellig und eröffnete die Anstalt ohne ihre Bestätigung nachgesucht zu haben. Nun drohte die Regierung mit Schließung der Anstalt, und da ihr die daraufhin von der Stadt abgegebenen Erklärungen nicht genügten, insbesondere die Bürgschaft der Kämmerei wegen des Schuldenstandes der Stadt und die Unterbringung der Kapitalien beim Leihhaus keine hinreichende Sicherheit zu gewähren schienen, erklärte sie bis zu erfolgter Bestätigung die Vorsteher der Ersparnisanstalt persönlich für die Einlagen verantwortlich.

Dadurch war die junge und schon blühende Anstalt in ihrem Bestande bedroht. Es bedurfte der ganzen Geschicklichkeit Haupts, um unter voller Wahrung des Rechtsstandpunktes der Stadt trotz allem Voraufgegangenen noch einen günstigen Abschluss zu erreichen. Auf seine Nachweisungen über die inzwischen eingetretene Besserung der städtischen Finanzen und nach Einreichung der von ihm erst bei diesem Anlass entworfenen Instruktion für die Direktoren der Sparkasse erfolgte unterm 24. April 182Ö immer noch unerbeten die landesherrliche Bestätigung nebst Gewährung der Stempelfreiheit.

*) Ratsarchiv Tit. XIX, No. 5, Vol. 9.
**) Ratsarchiv Tit. XIX, No. 5, Vol. 20.


Durch solche Weiterungen war die Entwicklung der Ersparnisanstalt nicht merklich gehemmt worden. Im ersten Rechnungsjahr 1823/26 hatten 174 Personen 3.733 Taler 26 Schilling eingelegt, woraus der Anstalt ein Gewinn von 28 Talern 26 Schilling erwachsen war. Ostern 1827 hatten 281 Personen 12.300 Taler 4 Schilling eingelegt; das reine Vermögen der Anstalt war auf 243 Taler 46 Schilling angewachsen. So entwickelte sich die Anstalt aus kleinen Anfängen stetig weiter trotz der außerordentlich hohen Verzinsung der Einlagen mit 4 1/6 vom Hundert. Im Oktober 1829 wurde auf Haupts Vorschlag der Zinsfuß von 2 Schilling pro Taler auf 1 3/4 Schilling und erst 1836 auf den Landeszinsfuß von 1 1/2 Schilling pro Taler herabgesetzt. Im Geschäftsjahr 1834/1835 war das reine Vermögen der Anstalt auf 7.467, 1839/1840 auf 15.641 Taler angewachsen. 1842 erfolgte durch starke Inanspruchnahme beim Schauspielhausbau und bei der Vermessung der Stadt und Feldmark ein Rückgang auf 11.662 Taler. Antoni 1843 betrug aber das reine Vermögen schon wieder 16.135 Taler und stieg nun stetig weiter. 1859/1860 auf 67.783 Taler, 1879/1880 auf 544.230 Mark, 1899/1900 auf 865.037, 1902 auf 887.766 Mark.

Beim Leihhaus ging es naturgemäß nicht so schnell. Dieses hatte 1823/26 eine Unterbilanz von 67 Talern 46 Schilling Pomm. Crt. Die kurze Zeit seiner Öffnung an zwei bis drei Wochentagen und nur nachmittags von 2 bis 4 Uhr, das gewissermaßen öffentliche Verfahren führten manchen Geldbedürftigen den noch fort-bestehenden Privatleihanstalten zu. 1826/27 betrug der Ausfall noch 24 Taler 21 Schilling, 1827/28 nur noch 8 Taler 30 Schilling. So fand auch hier ein wirklicher Fortschritt statt, obwohl die vom Verwalter Sohst schon 1827 vorgeschlagenen scharfen Bestimmungen gegen die schädlichen Privatleihanstalten erst in der revidierten Leihhausordnung vom 16. Mai 1839 in sehr maßvoller Weise Eingang fanden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wismar unter dem Pfandvertrage, 1803 bis 1903