Heinz Dürmayer

In der ersten Zeit waren im Lager alle wesentlichen Stellen von kriminellen Banditen besetzt, die diese Stellen benutzten, um sich auf Kosten der übrigen Häftlinge ein besseres Leben zu verschaffen. Gleichzeitig waren sie in Kapo- oder Blockältestenstellen diejenigen, die die Prügelaufträge der SS durchführten. Es bildete sich sogar ein solcher Zustand heraus, dass sie in vielen Fällen auch ohne direkten Auftrag — wenn auch immer in der allgemeinen Direktive der SS — die anderen Häftlinge prügelten. So wurden mit Vorliebe kriminelle Polen über Deutsche oder Juden gesetzt und kriminelle Deutsche über Polen und Juden, um ständige Differenzen aufrechtzuerhalten.

Die politischen Häftlinge aus allen Ländern verabscheuten es zuerst, solche Ämter zu übernehmen. Sie wollten nicht zu Hausknechten der SS-Bande werden. Es zeigte sich aber im Laufe der Zeit, dass man mit Hilfe dieser Ämter vieles mildern konnte. Wir beschlossen daher, unsere Stellung zu ändern und traten nun dafür ein, dass soviel Stellen wir nur irgend möglich mit Häftlingen aus der Widerstandsorganisation besetzt wurden.


Eines Tages wurde Heinz Dürmayer Lagerältester. Mit ihm, der Mitglied unseres illegalen Kopfes war, konnten wir in vollem Umfange arbeiten. Wir mussten ihn dafür natürlich von allen anderen Aufgaben lösen. Ihm ist es gelungen, eine Reihe neuer Blockältestenstellen und Blockschreiberposten mit zuverlässigen Kameraden zu besetzen und damit an Einfluss im Lager zu gewinnen. Mit besonderem Eifer war er hinter den verschiedensten Spitzeln her, insbesondere hinter den Spitzeln der politischen Abteilung. Durch geschickte Ausnutzung seiner Beziehungen zum Lagerführer gelang es ihm, demselben klarzumachen, dass die Spitzel der politischen Abteilung erhebliche Unruhe ins Lager tragen; ja, dass sie viele Häftlinge mit Drohungen erpressten, um sie zum großen Teil auf Straftransporte abzuschieben. Selbstverständlich war das nur möglich, weil es ständig Kompetenzschwierigkeiten zwischen Lagerführung und der politischen Abteilung gab und jeder den anderen gern eins auswischte. Im Lager wurde der Ton auf Grund dieser Arbeit langsam ein anderer.

Es führt zu weit, alle Einzelheiten anzuführen. Dass sich die politische Abteilung nun auch stark für ihn interessierte, war nur zu klar, aber immerhin gelang es ihm, sich bis zur Evakuierung zu halten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Widerstand in Auschwitz