Zweite Fortsetzung


Denken wir uns nun unter einem Kaufmann, wie oben gesagt wurde, eine Person, deren Gewerbe es ist, aus entfernten Orten Waren zu beziehen, um sie wieder an ihrem Orte, oder nach entfernten Orten abzusetzen, so leuchtet ein, dass, besonders in unseren Tagen, da die entferntesten Orte durch Eisenbahnen und Dampfschiffe so nahe gebracht worden sind, dass man ohne großen Zeitverlust manches Geschäft mündlich abmachen kann, welches früher nur mittelst Korrespondenz abgeschlossen werden konnte, für den Kaufmann Sprachkenntnisse unerlässlich sind und immer unerlässlicher werden; denn wer mit fernen Ländern in Verkehr treten will, der muss nicht nur die Sprachen der Völker verstehen, mit denen er zu unterhandeln gedenkt, sondern er muss sie auch richtig schreiben und sprechen können.
So wie nun aber der Gelehrte in seiner Sprache sich einer Menge technischer Ausdrücke und Benennungen bedient, um seine Begriffe scharf und unzweideutig zu bezeichnen; eben so hat auch der Kaufmann seine Kaufmannssprache, die nicht nur die größtmöglichste Kürze im Ausdrucke beabsichtigt, sondern auch alle Zweideutigkeiten umgeht und ihn sichert, nicht so leicht in die Hände der Advokaten zu kommen. Sehr viele halten die Kaufmannssprache für eine verdorbene Sprache, welche man gänzlich auszurotten sich bestreben müsse. Ein solcher Vertilgungsversuch wird jedoch nie gelingen, wenn er dahin gehen soll, dass ein jeder, der keine Idee von den im Handel vorkommenden Geschäften hat, einen jeden kaufmännischen Brief richtig verstehen soll; denn das Verständnis) hängt nicht bloß von den Worten, sondern von der Sache ab, die sie bezeichnen. Wer keinen Begriff von der Sache hat, um welche es sich im kaufmännischen Briefe handelt, der wird denselben nicht verstehen, mag er geschrieben sein, wie er will.

Bedenken wir ferner, in welche verschiedenartige Berührung der Kaufmann vermöge seiner Stellung kommen kann; dass er bald mit dem Gelehrten, bald mit dem Künstler, bald mit dem Handwerker zu tun hat, dass er sich nicht selten in den vornehmsten und gebildetsten Zirkeln bewegt; so wird man mit Recht auch verlangen, dass er seine Muttersprache und die neueren Sprachen so zu sprechen versteht, wie man es von einem fein gebildeten Manne erwartet; er wird deshalb nicht nur in seiner Geschäftssprache, sondern auch in der Sprache der Gebildeten überhaupt bewandert und geübt sein müssen. Da er die Mehrzahl seiner Geschäfte schriftlich abmacht und es auch bei ihm heißt: scripta littera manet, d. i. was geschrieben steht, das gilt, so wird er eine Gewandtheit im Briefschreiben besitzen müssen, wie sie nicht leicht von einem andern Geschäftsmann gefordert wird, und zwar in seiner Muttersprache, wie in den fremden Sprachen. Da ein tüchtiger Geschäftsmann schon aus dem Briefe erkennt, mit wem er es zu tun hat; so leuchtet auch hieraus hervor, wie wichtig es ist, einen Brief so zu schreiben, dass man sich in keinem nachteiligen Lichte zeigt.


Will der Kaufmann den Vermittler der Industrie und des Kunstfleißes mit dem In- und Auslande machen, so werden die Waren, das Geld und Papiere, welche die Stelle des Geldes vertreten, diejenigen Elemente sein, mit denen er es vorzüglich zu tun hat. Muss nun von jedem Menschen verlangt werden, dass er auch die Sache genau kennt, mit der er sich beschäftigt; so wird diese Forderung doppelt an den Kaufmann gemacht werden müssen, denn da er den Vermittler zwischen Produzenten und Konsumenten oder einem anderen Kaufmann macht, so werden alle seine Handlungen von Rückwirkung für den einen oder den andern sein. Gerät er durch seine Unwissenheit in Nachteile, so haben sehr oft diejenigen die traurigen Folgen hiervon zu tragen, für welche er die Vermittlung des Absatzes übernahm. Demnach vom Kaufmanne verlangt werden muss, dass er gründliche Warenkenntnis besitzt und mit allen genau vertraut ist, was sich auf Münzen, Maße und Gewichte des In- und Auslandes bezieht.

Wie bekannt ist, so werden die meisten und größten Zahlungen der Kaufleute in Wechseln gemacht und die versandten Waren werden, besonders wenn sie in entfernte Weltteile gehen, verassekuriert. Da nun das Wechsel- und Assekuranzwesen überall bestimmten Gesetzen und Gebräuchen unterworfen ist, und man ohne die Kenntnis dieser Gesetze und Gebräuche sich weder in Wechsel- noch in Assekuranz-Geschäfte einlassen kann; so leuchtet ein, dass der Kaufmann in der Handelsjurisprudenz sich in sofern orientieren muss, als er über Wechsel-, Assekuranz, und viele andere Fälle die Gesetze seines Landes, wie auch die bedeutenderen Abweichungen davon in auswärtigen Gesetzbüchern lernen muss.

Bleiben wir nun zunächst bei den Waren stehen, so ist bekannt, dass sie entweder Natur- oder Kunstprodukte sind und dass die Natur-Produkte entweder dem Mineral-, oder dem Pflanzen- oder dem Tierreiche angehören. Die Kunstprodukte dagegen nach der Art ihrer Zubereitung in mechanische, mechanisch-chemische und chemische Waren zerfallen. Hieraus folgt, dass die Warenkunde verschiedene Vorkenntnisse voraussetzt, ohne welche sie nicht erlangt werden kann. Diese Hilfswissenschaften sind: Naturgeschichte, Technologie und Chemie.

Da wir nicht selten die Äußerung vernommen haben, dass der Kaufmann die Chemie ganz gut entbehren könne, so glauben wir hier bemerken zu müssen, dass der Bankier, Assekurateur, Spediteur und andere ähnliche Kaufleute ohne Chemie allerdings sehr gut bestehen können, dagegen dem Materialisten, Drogisten, dem Spezereihändler, dem Tuch-Händler u. a. m. sie nicht ganz fremd bleiben sollte. Über die Wichtigkeit der Chemie in Bezug auf den Handel geben wir bei dieser Gelegenheit einen kurzen Aufsatz der vor mehreren Jahren in irgend einem Handelsblatte von Herrn Polz in Leipzig veröffentlicht worden ist. „Wenn wir in den Begriff der Chemie eingehen, so erfahren wir, sie sei: die Wissenschaft vom Zusammenhalten der Körper und ihrem Verhalten gegen einander, oder mit andern Worten, die Kunst, Körper jeder Art in die Bestandteile aufzulösen, aus denen sie entstanden, und daraus wieder Körper zu formen. Der Gegenstand also, mit dem die Chemie sich beschäftigt, sind Körper und Stoffe." Nun besteht aber die ganze, weite, unermessliche Welt um uns her, mit Allem, was darin lebt und webt, aus einer sehr kleinen Anzahl einfacher Stoffe, die auf die verschiedenartigste Weise gemengt, wieder andere hervorbringen. Selbst das Blühen des Baumes, das Sprossen der Frucht, die Anhäufung tief in der Erde verborgener Metalle, beruht auf Grundsätzen der Chemie. Alle die vielen Körper sind verwandt mit einander und verbinden sich gegenseitig mit einander, wo sie ein ganz anderes, entgegengesetztes Produkt bilden. So verbinden sich z. B. Schwefel und Zinnober zu Quecksilber.

Mehrere Künste und Handwerke beruhen fast einzig und allein auf der Chemie, denn sie ist unter allen Wissenschaften die anwendbarste für das Leben. Der Gewerbsmann verrichtet oft mechanisch-chemische Arbeiten, ohne sich des Grundes bewusst zu sein. Aber nicht allein dem Gewerbsmanne ist die Chemie nötig, eben so nützlich und noch nützlicher ist sie dem Handelsmanne, dem Fabrikanten. Der Gegenstand, womit sich beide beschäftigen, sind Waren, oder besser gesagt, es sind mehr oder minder zusammengesetzte chemische Produkte. Wohl kann nun der Handeltreibende einen Artikel kennen, sehr gut nach seinen äußern, zum Teil auch nach seinen inneren Bestandteilen kennen, aber nie wird er ganz im Stande sein, ohne einige Kenntnis der Chemie die innere Beschaffenheit einer Ware vollständig zu enthüllen. So wird im praktischen Geschäftsleben Indigo nur als eine blaue Farbware betrachtet, Hunderte können ihre Güte, Farbe, ihren Preis und Bezugsort beurteilen, aber die Innern Eigenschaften, die Art, den Gehalt an Farbestoff zu prüfen, ja selbst die Erzeugung, bleibt ihnen ganz unbekannt. Viele Artikel kommen ferner im Handel vor, die auf rein chemischem Wege erzielt werden, z. B. die Chromfarben, das Mitiv-, Berg- und Scheel'sche Grün, Essig und Schwefeläther, das Kali usw., über welche mancher Kaufmann sich keine Rechenschaft geben kann.
Lehrt nun die Chemie, wie die Körper sich verbinden, und sind die Körper in ihrer Zusammensetzung oder Waren der Gegenstand des Handels, so leuchtet schon aus der Natur der Sache ein, wie sehr die Kenntnis der Chemie ersprießlich sei.

Wer sich über die Wichtigkeit der Chemie für den Kaufmann ausführlich belehren will, den verweisen wir auf ,,Weinlichs Abhandlung: Über die Notwendigkeit und Nützlichkeit des technologischen und mechanischen Unterrichtes an Handelsschulen, Leipzig 1843."

Zur Betreibung des Handels wird die Warenkunde allein noch nicht hinreichen, sondern auch eine genaue Bekanntschaft mit den Eigenschaften der Ware erfordert, welche sie haben müssen, um zu einem bestimmten Zwecke verwendet werden zu können; ferner wird man die Grade des Wertes der Ware aus der Brauchbarkeit zu den Zwecken ihrer Anwendung müssen bestimmen können.

Will der Kaufmann die Orte ausfindig machen, an welchen Waren in Überfluss vorrätig sind, und an welchen sie abgesetzt werden können; so kann er solches unmöglich ohne Kenntnis der Handelsgeographie und Statistik des In- und Auslandes.

Für den Kaufmann ist es nicht nur interessant, sondern sehr oft auch nützlich zu wissen, wie im Laufe der Zeiten diese oder jene Handels-Verhältnisse sich gestalteten, wie der Handel allmählich auf die Stufe der Ausbildung gekommen ist, auf welcher er sich gegenwärtig befindet. Da dieses Alles die Handelsgeschichte lehrt, so sollte er die Kenntnis derselben um so weniger vernachlässigen, da er nicht selten bei politischen Ereignissen, die von Einfluss auf den Handel sind, von der Regierung um Gutachten angegangen wird, welche ohne historische Kenntnisse sich nie richtig ausstellen lassen.

Der Ein- und Ausgang der Ware machen eine Menge schriftlicher Verzeichnungen und Berechnungen notwendig, welche nach gewissen, allgemein gültigen Regeln vorgenommen werden, und über welche die kaufmännische Arithmetik, die Buchhaltung und die sogenannte Kontorwissenschaft die erforderlichen Belehrungen erteilt; daher dem Kaufmanne diese Wissenschaften durchaus nicht fremd sein dürfen. Da man in der Regel anzunehmen pflegt, dass die Kaufleute geübte Rechner sind, so werden sie nicht selten bei Begründung von Renten-, Lebensversicherungs- und anderen ähnlichen Anstalten zu Rate gezogen und ihnen die Prüfungen der hier vorkommenden Rechnungen übertragen. Diese Rechnungen setzen nun Kenntnis der Algebra, vorzüglich der Logarithmen und arithmetischen Progressionen voraus, daher diese Kenntnis einem auf Bildung Anspruch machenden Kaufmann in der Folge nicht mehr abgehen darf.

Da der Zweck des Handels der Gewinn ist, dieser sich aber nicht immer mit voller Gewissheit voraus bestimmen lässt, so muss der Kaufmann vorzüglich die Kunst zu spekulieren verstehen und in der Spekulationswissenschaft zu Hause sein. In der kaufmännischen Welt wird endlich ein, ohne Zweifel zu großes Gewicht auf die Schönschrift gelegt; sehr oft werden junge Männer nur wegen ihrer schönen Handschrift in einem Handelshause platziert. Da es nun auch hier heißt, usus est tirannus, so wird eine schöne Handschrift als ein wesentlicher Teil kaufmännischer Bildung mit angesehen werden müssen.

Nicht selten erfordert das kaufmännische Gewerbe, besonders wenn es sich über Modeartikel erstreckt, einen gebildeten Geschmack und Kunstsinn, daher es für den Kaufmann keineswegs ganz nutzlos sein wird, wenn er auch der Zeichenkunst sich befreundet und mittelst derselben zur Läuterung und Bildung seines Geschmackes und Schönheitssinnes beiträgt.