Dritte Fortsetzung

Stellen wir nun die Wissenschaften und Künste zusammen, welche bei demjenigen nicht vermisst werden dürfen, welcher auf mehrseitige, kaufmännische Bildung Anspruch machen will, so ergeben sich aus dem Vorstehenden folgende, als:

1. Handelswissenschaft, 2. Korrespondenz, 3. Buchführung, 4. Comtoirwissenschaft, 5. kaufmännisches Rechnen, inklusive der Algebra für Geschäftsleute, 6. Münz-, Maß-, Gewichtskunde, 7. Lehre von dem Staatspapierwesen, 8. Warenkunde, 9. Technische Chemie, 10. Technologie, 11. Handel-, und Wechselrecht, 12. Handelsgeschichte, 13. Handelsgeographie, 14. Sprachen, als: a) deutsche, b) italienische, c) französische und d) englische — endlich 15. Kalligraphie und wo möglich 16. Zeichnen.


Wer diese Wissenschaften kennt, der wird wissen, dass sie großenteils nur Special-Wissenschaften sind, und deshalb eine genaue Bekanntschaft mit den allgemeinen vorausfetzen, so wird z. B. Niemand das kaufmännische Rechnen erlernen, der sich nicht zuvor mit der allgemeinen Rechenkunst gründlich vertraut machte; die Korrespondenz setzt Kenntnis der Sprachlehre und Fertigkeit in schriftlichen Ausarbeitungen überhaupt voraus; die Warenkunde hat die Mineralogie, Botanik und Zoologie zur Grundlage; die Handelsgeschichte und Handelsgeographie ruhen auf allgemeiner Geschichte und allgemeiner Geographie; hieraus folgt, dass derjenige, welcher nach einer gründlichen kaufmännischen Bildung strebt, zuvor einen sichern Grund legen, und sich, wie man zu sagen Pflegt, eine gute Schulbildung verschaffen muss; fehlt diese, so wird alles fernere Studieren zu keinem erwünschten Resultate führen.

Dass nicht Alle, welche sich zum Kaufmannsstande zählen, die angeführten Kenntnisse besitzen, und dass die Zahl derer, welche eine so vielseitige Bildung erlangt haben, noch keineswegs sehr groß ist, lässt sich nicht leugnen; dagegen kann aber auch nicht bestritten werden, dass eine neue Zeit begonnen hat, eine Zeit, welche es dem Kaufmanne so gut, wie dem Handwerker zur Pflicht macht, einer höheren, vielseitigeren Bildung nachzustreben, als es in der vergangenen Zeit notwendig und Sitte war.

So wenig alle Theologie Studierende, Bischöfe, Erzbischöfe, Kardinäle und Päpste werden; so wenig alle Juristen an den Ministertisch gelangen oder zu den ersten Richterstellen des Landes sich emporschwingen, eben so wenig werden alle, die sich dem Kaufmannsstande widmen, Rotschilde, Sienas u. A. m. werden. Da sich jedoch hier so wenig wie dort voraus bestimmen lässt, wer die Auserwählten sein werden, und da die Geschichte hinreichend dartut, dass aus den ärmlichen Krämerbuden schon eben se viele zur höchsten Stufe in der kaufmännischen Welt emporgestiegen, als aus ärmlichen Hütten große Theologen, Staatsmänner, Ärzte etc. hervorgegangen sind; so wird man, wenn es auf die Vorbildung zum Kaufmannsstande ankommt, durchaus Sorge tragen müssen, dass jeder junge Mensch Gelegenheit findet, sich wenigstens so ausbilden zu können, wie erforderlich ist, um bei besonderen Anlagen und Fähigkeiten alle Schwierigkeiten besiegen, und den Weg zur Stufe des Glückes mutig und unverdrossen verfolgen zu können.

Nachdem wir nun dargetan haben, welche Bildung in unfern Tagen von einem Kaufmann erfordert wird, dass man nicht vorausbestimmen kann, welches Ziel dem Individuum auf seiner Lebensbahn gesteckt ist, und dass man deshalb der Bildung des einstigen Kaufmannes keine zu enge Grenzen ziehen darf; so gehen wir zur Beantwortung der zweiten Frage, welche Wege zu verfolgen sind, um zu einer Bildung zu gelangen, wie sie der Kaufmann in unseren Tagen haben sollte, über.

Wir haben oben bemerkt, dass die Handelswissenschaften fast sämtlich zu den Spezial-Wissenschaften zu rechnen sind, und sie deshalb die allgemeinen Wissenschaften, wie allgemeines Rechnen, Naturwissenschaften, allgemeine Geschichte und Geographie u. dergl. zur Grundlage haben. Wollen wir nun bei der Bildung junger Leute naturgemäß zu Werke gehen, so werden wir natürlich vor allen Dingen dafür zu sorgen haben, dass dem höheren Baue ein solider, fester Grund gelegt wird. Ist dieser gut, sind die Kräfte und Fähigkeiten des jungen Menschen im Allgemeinen tüchtig geweckt, geübt und gestärkt, ist nicht nur für die Ausbildung und Entwicklung des Verstandes gesorgt, fordern auch das Gefühl für das Wahre, Gute und Schöne gebildet, und eine Denk- und Handlungsweise begründet worden, die mit dem Gefühle für das Wahre, Gute und Schöne im vollkommensten Einklänge steht, so kann man dann nicht nur getrost zu den höheren, den sogenannten Berufswissenschaften übergehen, sondern den jungen Menschen auch in das vielfach bewegte, öffentliche Leben eintreten lassen; er wird die Schwierigkeiten, welche seine Berufsbildung ihm zur Besiegung entgegenstellt, mit Leichtigkeit überwinden, und den Lockunzen und Reizungen, seinen sinnlichen Lüsten und Begierden zu frönen, kräftig widerstehen.

Dass eine Erziehung und Bildung des jungen Menschen, welche nicht nur das Kennen und Wissen, sondern auch das Können und Wollen scharf im Auge behält, nicht so leicht ist, als viele glauben, dass selbst unsere öffentlichen Lehranstalten die Bildung der Jugend großenteils nur einseitig verfolgen, und Gefühl und Gesinnung fast gänzlich vernachlässigen, das ist leider eine Erfahrung, die Zeder, der nicht ganz blind ist, leicht selbst machen kann, eine Erfahrung, die aber auch nicht mit Unrecht wohl begründete Besorgnisse für die Zukunft erweckt.

Muss zugegeben werden, dass der einstige Kaufmann so gut, wie der einstige Gelehrte, Künstler und Gewerbsmann erst einer allgemeinen Bildung nachzustreben hat, ehe er an seine Berufsbildung denken kann, so fragt es sich: wo soll er diese allgemeine Vorbildung suchen?

Im Königreiche Bayern stehen hierzu zwei Anstalten offen: die lateinische Schule und die Werktagsschule. Eine höchste Ministerial-Entschließung, die technischen Unterrichtsanstalten betreffend, erlassen den April 1836, stellt hierüber Folgendes fest: „der technische Unterricht bildet zu Folge der der ureigensten Idee Seiner Majestät entsprossenen Allerhöchsten Verordnung vom 16. Februar 1833, seit 3 Jahren einen selbstständigen Ast bayerischen Gesamtunterrichtes. Unabhängig von der rein wissenschaftlichen, wie von der rein populären Erziehung, in Mitte zwischen beide hineingestellt, bewegt er sich auf seiner klar vorgezeichneten und streng individualisierten Bahn. Seine erste Grundlage sucht er während der Periode der lateinischen Schule und der damit verbundenen Werktagschulpflichtigkeit, nicht in eigentümlichen Anstalten, sondern in den möglichst verbreiteten einleitenden Linear- und Ornamenten-Zeichnungsunterrichten, dann in der, den sogenannten gemeinnützigen Gegenständen an den Elementarschulen, des wissenschaftlichen sowohl, als des populären Unterrichtes (lateinischen Schulen, deutschen Werktagsschulen) gewordenen mehr praktischen Unterlage. Seine gesonderten Anlagen beginnen mit der Periode des Gymnasialstudiums und der parallellaufenden Sonn- und Feiertagspflicht mittelst der, den wissenschaftlichen Gymnasien gegenüber gestellten technischen Gymnasien (Landwirtschafts- und Gewerbeschulen) u. s. w."

„Mittelst dieser Kombination ist der technische Unterricht bestimmt, den aus der lateinischen Schule tretenden Studierenden die Wahl zwischen der streng wissenschaftlichen und einer gleichfalls höheren, aber mehr praktischen Lebensbildung darzubieten, ebenso den die Werktagsschule verlassenden Jünglingen den Doppelweg der gewöhnlichen Sonn- und Feiertagsschule und eines gesteigerten Berufsunterrichtes anzubahnen usw."