Abschnitt 2

VI. Chingachgook oder das Abenteuer auf dem St. Lorenzstrom.


Zu diesem Entschlusse war ich jekommen anjesichts der Station Burlington. Aber wie wir nu am Pier anlegen und de Brücke wird an Bord jeschoben, und allens, was auf unserm Schiffe is, drängelt sich raus, als könnte es nich rasch jenug festen Boden unter de Füße kriejen, und außer mir und Mutterchen bleiben nur noch fünf bis sechs Passagiere übrig, da krieje ich’s doch wieder mit der Angst. - „Nee,“ sage ich, „Mutterchen, Vorsicht is des bessere Teil der Tapferkeit. Komm - wir steijen aus.“


Während wir uns des so überlegten, hatte sich der Pier vollständig jeleert und alle Passagiere waren ausjestiegen. Am Ufer war der Pier mit Schranken versperrt und dahinter standen ’ne Unmasse Menschen. - „Was is ‘n da los?“ sage ich zum Kapitän, wie wir jrade aussteigen wollen, „sind des allens Anjehörige, die da am Ufer stehen?“

„I Jott bewahre, det sind die Passagiere für Montreal,“ sagt der Kapitän.

„Na nu!“ schreie ich, „des müssen doch en paar hundert Leute sein.“

„Warum denn nich?“ sagt der Kapitän. „Manchmal sind’s über tausend. Besonders Sonntags kommen die Herrschaften in jroßen Scharen von Montreal mit der Bahn hierher jefahren, um die Verjniegungstour durch die Rapids mitzumachen.“

„Verjniegungstour nennen Sie des? Garantieren Sie für lebendige Ankunft in Montreal, Herr Kapitän?“

„Natürlich garantiere ich. Wenn ich ankomme,. kommen Sie ooch an; na, und wenn nich, denn jehn wir eben alle zusammen kaput, - denn können Se dreiste feifen auf meine Garantie! Aber Sie sehen ja, ich lebe noch und ich fahre hier schon drei Jahre.“

„Na, denn is jut,“ sage ich, „denn fahr’n wir mit.“ Ich führe Muttern am Arme beiseite und rede ihr jut zu; „Siehste Mutterchen,“ sage ich, „die Rapids sind doch nu mal der Clou der janzen Jeschichte, wir können doch nich jut nach Berlin zurückkommen, ohne das mitjemacht zu haben! Außerdem, wenn wir man erst Chingachgooken an Bord jenommen haben, denn wirste schon wieder

Mut kriegen.“

„Wie Du meinst, Oschen,“ sagt Mutter janz verjniegt, „ich habe ja überhaupt keene Bange, wenn Du dabei bist.“

Inzwischen strömen nu auch schon de Menschen übern Pier aufs Schiff. Tatsächlich en paar hundert Leute, alte Herrschaften, junge Mädchen, feines und jeringes Publikum. - „I,“ dachte ich, .“die Sache wird man halb so schlimm sein“ und laß’ mir vorläufig mal ‘n Kognak jeben. Wie nu de neuen Passagiere alle jlücklich verstaut sind und wieder Ruhe aus’m Schiff herrschte, sage ich Zum Kapitän: Hör’n Se mal, Herr Kapitän, wenn wir jetzt bei dem bewußten Indianerdorf vorbeikommen, denn sein Se so jut und machen mich vorher aufmerksam und lassen mir en juten Platz an Backbord freihalten, wo ich meinen photojraphischen Apparat bequem aufstellen kann. Ich möchte einige Aufnahmen machen, wie der Indianerhäuptling an Bord jenommen wird, wie seine Jarde die Tomahawks präsentiert und schließlich, wie er stolz wie König Karl am Steuer steht.

„O, please Sir, das können Sie alles haben, wie Sie es wünschen,“ erwidert der Kapitän zuvorkommend. „Da drüben sehn Sie das Indianerdorf schon liegen. Die ganze Bande winkt immer und brüllt hipp hipp hurrah, wenn wir vorbeifahren.“

„Na, lejen Sie denn nich an?“

„No Sir, wherefore?“

„Na, um den Häuptling an Bord zu nehmen.“

„Was denn für’n Häuptling?“

„Na Chingachgooken.“

„Wer is das? Kenne ich nich.“

„Was, Herr Kap’tän, Sie kennen Chingachgooken nich!? Aber, ich bitte Sie, hier steht’s doch im Buche. Chingachgook hat doch überhaupt de Möglichkeit der Schiffahrt erst bejründet; Chingachgook, der in seinem Kanoe zum erstenmal im Jahre 1867 durch de Rapids jefahren is.“

„Ach so, ja ich erinnere mich,“ sagt der Kap’tän so janz nebenbei. „Chingachgook hieß der? Richtig ja - der ist seit zehn Jahren dot.“

„Dot?“ schreie ich und werde kreidebleich im Jesicht.

„I, zum Deubel, wer steuert denn da des Schiff um de berüchtigte scharfe Ecke?“

„Das macht einer von meinen Leuten,“ antwortet mir der Mann seelenruhig.

Indem kommt Mutterchen auf mich zu jeschwankt. Sie hatte mich aus der Ferne beobachtet und meine wachsende Ausregung bemerkt. „Mutterchen,“ rufe ich ihr entgegen: „Wir sind verloren - Chingachgook is dot.“

„I, das tut mir aber leid. Hast Du denn den jekannt?“ versetzt die unschuldige Seele und macht pflichtschuldigst en Kondolenzjesicht dazu.

„Aber, Mutterchen, haste denn verjessen, was ich Dir aus unserm Buch übersetzt habe? Ohne Chingachgooken is es doch einfach unmöglich hier durchzukommen. Nee, nee, des riskiere ich nich. Ich bin dem Himmel für Dein teures Leben verantwortlich. Wir steijen aus. Herr Kap’tän, lassen Se mal eben halten.“

Der Kap’tän lacht und de Passagiere in der Nähe, die mich verstanden hatten, lachen ooch. „Aussteijen jibt’s hier nich,“ sagt en älterer Herr zu mir, und kloppt mir beruhijend auf de Schulter. „Uebrigens trösten Se sich man, da wird eben zum Dinner jeläutet, das wird Ihre Lebensjeister wieder stärken.“

Ich sah ja nu ein, daß hier nischt zu machen war. Seufzend reiche ich meiner lieben Schwiejermutter den Arm und führte se de Treppe nach dem Speisesaal runter. Warum soll man ooch mit leerem Magen um de Ecke jehn? Das Menu war jroßartig; aber ich hatte keenen rechten Appetit. De Angst war mir doch eklig auf’n Magen jeschlagen. Ich wandte mich an meinen Nachbar zur Rechten, dem Vertrauen erweckenden älteren Herrn, der mir vorher so jut zujeredet hatte, und fragte ihn, ob denn nach dem Hinscheiden des braven Chingachgook wirklich noch nie en Unjlück passiert wäre.