Die Insel

Ankunft. – Die Lästerallee. – Quartier. – Die Treppe. – Das Oberland. – Spaziergang um dasselbe. – Der Leuchtturm. – Kirche und Stadt.

Die Ausschiffung der Reisenden bietet bei unruhigem Wasser ein interessantes Bild; denn die Fährboote, welche von den Wellen hin- und hergeworfen werden, sind bald hoch oben am Schiff, bald tief unten an der Treppe. Hilfreiche Hände bringen jedoch die Seekranken oder ungeschickten Landratten bald hinein, obgleich manchmal deren Gliedmaßen in einige Verwirrung geraten. Die Helgoländer sehen dabei, auf ihre langen Riemen gelehnt, gemütlich zu, und Einer von ihnen hat die Obliegenheit, den herabsteigenden Damen die Kleider zusammenzuhalten, bis sie im Boot festen Fuß gefasst haben.


Mitten auf der Fahrt beginnt das Einsammeln des Fährgeldes, welches für eine Person und deren Gepäck 12 Schillinge beträgt.

Wer nun etwa geglaubt hat, er werde beim Betreten der Insel einen einsamen Seestrand höchstens von einigen Lotsen und Fischern belebt finden, der wird bald merken, dass er von einem grausamen Irrtum befangen war, denn erstens tönt ihm schon die unvermeidliche „Bademusik“ entgegen, und dann wird er bald in der am Strand harrenden Menschenmenge keineswegs Fischer, sondern lauter Badegäste erkennen.

Wehe nun dem Unglücklichen, der, noch mit der Seekrankheit behaftet, das Boot verlässt und wankenden Schrittes durch die Gasse geht, welche zwei Taue und die eng an einander gedrängten Badegäste bilden, oder der, noch selbst matt und elend, eine leidende Gattin mit schiefgedrücktem Hut durch diese hohle Gasse führen muss. Freundliche Grüße und Erkundigungen nach seinem Befinden werden ihm von allen Seiten zu Teil. Kritiken seines ersten Auftretens auf der Insel werden unverhohlen über ihn ausgesprochen. „Ei guten Tag, Herr Müller“, grüßt Einer von der Seite; „sind Sie auch da, Herr Schulze“, ein Anderer von jener Seite, und man nennt diesen Leidensweg nicht mit Unrecht die Lästerallee.

Einiger Trost auf diesem Gange liegt allerdings darin, dass ihn Jeder machen muss, und dass man späterhin selbst zu den Bäumen jener Allee gehört und ebenso wenig seine Schadenfreude über die Figur verhehlt, die der Ankommende spielt, als die Andern.

Die Lästerallee.

Komisch ist es anzusehen, wie Einer versucht, sehr gleichgültig zu scheinen und mit seinem Reisesack daher kommt, als ging er durch einen einsamen Wald. Ein Anderer wirft vernichtende und verächtliche Blicke um sich. Ein Dritter versucht zu verschiedenen Malen und an verschiedenen Stellen unter dem Tau wegzukriechen und die Menschenmauer zu durchbrechen; aber vergebens, denn meistens nehmen die Damen die vordere Reihe ein und verweigern jeden Durchgang. Viele wissen gar nicht, wie ihnen geschieht; am schlimmsten sind aber Jene daran, die sich ärgern oder gar ihren Ärger laut werden lassen, denn sie tragen gegen ihren Willen dazu bei, das allgemeine Vergnügen noch zu erhöhen.

Hat man die Landung überstanden, so wird das Nächste sein, sich nach einem Quartier umzusehen, besonders wenn man einiger Ruhe und Erholung bedarf.

Man tut dabei am besten, von allen Anerbietungen, die gemacht werden, gar keinen Gebrauch zu machen, sondern sich im ersten besten Gasthaus auf einen oder zwei Tage ein Zimmer zu nehmen und nun mit Ruhe eine Privat-Wohnung zu suchen, deren man sowohl im Unter- wie im Oberland findet. Die Wohnungen im Unterland sind für Leute, die nicht gern mehrere Male täglich die Treppe steigen wollen, bequemer. Auch liegen die Hauptvergnügungsorte, das Konversationshaus und der Pavillon, hier, so wie die beliebten Spaziergänge, die Gesundheitsallee und die Bindfadenallee, in welchen beiden die Badegäste an kühlen Abenden wie wahnsinnig hin- und herlaufen.

Die Wohnungen im Oberland haben mitunter kleine Gärten und die Annehmlichkeit einer unbeschränkten Aussicht auf die See, besonders die an der Falm gelegenen, welche auch höher im Preise stehen als die in den kleinen Gassen versteckten.

Lotsen auf der Falm.

Die Treppe, auf der es allein möglich ist, zum Oberland zu gelangen, macht sich schon vom Landungsplatze aus bemerklich. Sie ist von den Dänen etwa 1770 erbaut, in ihrer jetzigen Gestalt von der englischen Regierung 1834 neuerdings aufgeführt worden, und zählt 184 Stufen.

Hat man die Höhe erreicht, so sieht man am Geländer fast regelmäßig eine Anzahl Lotsen sich der angenehmen Betrachtung der See widmen, auf der sie tagelang und unverdrossen ihre Luchsaugen umherschweifen lassen, bis es ihnen gelingt, endlich die Lotsen- oder Notflagge an einem Schiff zu entdecken, oder, was ihnen noch lieber ist, ein Wrack zu sehen, wovon ihnen stets der dritte Teil gehört. So fanden sie im Winter 1853 ein gekentertes, das heißt gänzlich umgekehrtes Schiff, das sie indes, wiewohl sich beinahe ganz Helgoland mit seinen Fahrzeugen vorspannte, nicht von der Stelle brachten, weil es wahrscheinlich mit den Masten auf dem Grund saß. Man musste nach Cuxhaven und das Dampfschiff Elbe zu Hilfe holen, dem man mit stiller Wehmut einen guten Teil des Profits zukommen ließ. Die Ladung bestand in Tran, wovon natürlich die besten und unverfehlten vollen Fässer auf Helgoland blieben und die großen Fischerstiefel reichlicher als gewöhnlich geschmiert wurden.

An der Falm, wo eine Reihe von Wirtshäusern steht, hingehend, gelangt man bei den letzten Häusern zur Residenz des Gouverneurs, die aus einigen kleinen netten Häusern besteht, an die sich ein hübscher Garten und ein Hühnerhof anschließt. Der Marstall des Gouverneurs besteht aus einer Kuh, die einzige, welche auf der Insel existirt und worauf die Helgoländer mit Stolz und Bewunderung blicken.

Des Gouverneurs Haus.

Hinter des Gouverneurs Haus gelangt man „auf die Klippe“, das heißt an den Rand der Felswand, von wo aus man das Meer ringsum den Horizont einnehmen steht.

Die Klippen, welche hier gegen 200 Fuß hoch sind, fallen fast senkrecht ab, und man muss sich sehr hüten, den äußersten Rand derselben zu betreten, weil man leicht mit dem losen verwitterten Gestein hinunterstürzen kann.

Bei hellem Wetter und günstigem Wind sieht man in der Entfernung oft das ganze Meer mit aller Art Schiffen bedeckt, die aus oder in die Elbe segeln und wozu sich manchmal Dampfschiffe gesellen, die ihren Weg durch einen langen Rauchstreifen bezeichnen und eins nach dem andern von den Segelschiffen hinter sich lassen.

Aussicht von der Klippe.

Bei leicht bewölktem Himmel, wenn die Wolkenschatten über das Meer laufen und dessen Farbe jeden Augenblick verändern, so dass es wie eine Pfauenfeder spielt, kann man stundenlang stehen und diesem Naturspiel zusehen. Ebenso interessant sind die Wogen, die besonders bei Südweststurm sich gegen die Felsen anwälzen und deren salziger Schaum bisweilen vom Winde hier herausgetragen wird.

Von der Südspitze der Klippe übersieht man das ganze Unterland, die Düne, und erblickt zur Rechten den isoliert stehenden Mönch, der aus der Tiefe herausragt. Geht man weiter, so kommt man an die Baake, hinter der man auf einem Hügel den alten Feuerturm sieht, daneben steht ein Schuppen und unweit davon der von einer Ringmauer eingeschlossene neue Leuchtturm, den die Engländer 1810 erbaut haben.

Die Baake, der alte und der neue Leuchtturm.

Den Leuchtturm kann man, so lange die Lampen noch nicht angezündet sind, besuchen und hat von hier aus die beste Uebersicht über die ganze Insel. Durch das Haus des Lampenwärters tritt man in den Turm und ersteigt denselben auf einer Wendeltreppe, auf deren gusseisernen Stufen das Wort England zu lesen ist. Der ganze Turm ist mit weißer Ölfarbe angestrichen und wird immer sehr rein gehalten.

Durch das Fernrohr kann man bei gutem Wetter den Turm auf Wangeroge sehen. Da er aber nur zur Hälfte aus dem Wasser steht, so glaubt man dort eine versunkene Stadt zu erblicken. Ebenso zeigt sich die Baake von Schaarhörn bei Neuwerk. Sonst ist ringsum kein Gegenstand zu entdecken, der auf die Nähe von Land schließen lässt.

Genau bei Sonnenuntergang beginnt das Anzünden der Lampen, welche nach Sonnenaufgang wieder ausgelöscht werden. Es sind deren 24 in zwei Reihen mit silberbelegten Reflektoren, welche immer spiegelblank geputzt werden.

Ist man vom Leuchtturm gestiegen, so setzt man seinen Weg längs der Klippe auf dürftigem Grasboden fort, auf dem eine Menge Schafe angepflockt sind, die hier den ganzen Sommer Tag und Nacht bleiben und die Helgoländer mit Kaffeemilch versorgen müssen.

Nicht weit vom Leuchtturm hat man, auf der Klippe vortretend, eine hübsche Ansicht von der Höhle „Möhrmers Gatt“, die viel Ähnlichkeit mit dem Prebischtor in der Sächsischen Schweiz hat. Von hier aus kann man die Höhe der Felsen am besten beurteilen, wenn besonders einige Menschen sich auf denselben befinden. Auch tritt hier am meisten die rote Farbe der Wände mit den schräg durchlaufenden weißen Streifen hervor, welche die Natur in einer eigensinnigen Laune und aller Harmonie zum Trotz an den helgoländer Felsen angebracht hat. Es bedarf überhaupt der günstigsten Umstände, welche bei landschaftlicher Beleuchtung zusammentreffen können, um die ziegelroten Felsen, das blaugrüne Meer, den grasgrünen Rasen und die blaue Luft so zu stimmen, dass einige Harmonie hineinkömmt; denn bei heller Tagesbeleuchtung sind diese Farben neben einander gesehen, ein Misston, der die schönsten Formen ebenso verderben kann, wie eine schlechte Melodie ein schönes Gedicht. Es will deshalb auch dem besten Maler nicht recht gelingen, mit Beibehaltung der Lokalfarben ein gutes Bild von Helgoland hervorzubringen. Nur dem alle Farben versöhnenden Monde gelingt es, die Natur hier in einem schönen feierlichen Accord erklingen zu lassen.

Möhrmers Gatt von der Klippe aus gesehen.

Längs der Klippe fortgehend, kommt man noch öfter an Stellen, die eine schöne Aussicht bieten. Mitunter sieht man tief unter sich kleine Boote, die eine Spazierfahrt um die Insel machen, und welche von der Höhe wie niedliches Spielzeug aussehen. Eine Stelle ist besonders hübsch, wo man unten zwei kleine, aus dem Wasser hervorragende Klippen, den „Pastor und seine Frau“, sieht, und rechts die letzten Felswände sich nach der Nordspitze hinziehen. Von hier aus macht sich der Sonnenuntergang viel schöner als von der äußersten Nordspitze, wo die Badegäste gewöhnlich auf einer langen Bank sitzen und das Hinabsinken der Sonne wie eine Tasse Kaffee genießen.

Aussicht nach der Nordspitze.

Da der Rand der andern Seite der Klippe gar nichts Interessantes bietet, so tritt man den Rückweg durch die berühmte Kartoffelallee an, welches eine die ganze Insel durchschneidende Kunststraße ist, auf der man im Schatten der umliegenden Kartoffelfelder lustwandelt. Die Helgoländer scheinen indes das Wort „Allee“ etwas willkürlich und unpassend anzuwenden, denn ihren Alleen fehlt gerade Das, was eine Allee macht, die Bäume, die auf der Insel überhaupt nicht auskommen können, weil sich der Wind in den Kopf gesetzt hat, sie nicht wachsen zu lassen. Hinter seinem Rücken sind jedoch von der Klippe und den Häusern geschützt am Fuß der Treppe einige Linden gewachsen, die man doch nicht geradezu „Strauch“ nennen kann, welche Stelle die Helgoländer die „Treppenallee“ zu nennen beabsichtigen sollen. Unter diesen Bäumen sitzen gewöhnlich die Fischverkäufer.

Den größten Teil des Oberlandes nehmen Kartoffelfelder ein, deren Früchte stets vortrefflich gedeihen, denn die beiden modernen Krankheiten, Kartoffelkrankheit und Cholera, sind bisher fern von der Insel geblieben.

Die Kirche selbst ist ein altmodisches uninteressantes Gebäude aus dem 17. Jahrhundert. Der Gottesacker umschließt dieselbe. Hier liegt die Schauspielerin Malwina Erk begraben, welche im Herbst 1853 auf der Düne vom Blitz erschlagen ward. Sie hatte Petersburg aus Angst vor der Cholera verlassen, um hier ihrem traurigen Geschick entgegen zu eilen.

Neben der Kirche steht die Schule, ein hübsches Gebäude mit großen Fenstern, an das sich ein netter Garten schließt.

Wenn man durch die kleinen Gassen der Stadt nach der Treppe zurückgeht, so hat man die beste Gelegenheit, die Bauart der Häuser, wie sie vor der Badezeit waren, zu sehen. Meistens sind es bloß Erdgeschosse mit einer Kammer unter dem Dach und mit der möglichsten Benutzung des kleinsten Raumes.

Im Frühjahr sieht man hier Fischergerätschaften und die zum Trocknen aufgehängten Fische, die Schinken der Helgoländer, in langen Reihen an den Häusern der Luft und Sonne ausgesetzt; denn im Winter leben die ärmern Leute von Fischen, wie im Sommer von Badegästen. Vielleicht erfinden sie später noch die Kunst, die Badegäste zu salzen und zu trocknen, um sie für den Winter aufzuheben.

Nach der etwas abfallenden und gegen den Wind geschützten Ostseite zu, haben die Häuser öfter kleine Gärten mit Blumen und Obstbäumen, und man findet hier nette und billige Wohnungen, die von allem Geräusch entfernt liegen.

Originelle Wasserleitung.

Wie gut die Leute Umstände und Sachen zu benutzen wissen, kann man unweit der Kirche sehen, wo ein Helgoländer seinen alten Wasserstiefel in eine Wasserleitung verwandelt hat, indem er ihn mit der Öffnung unter die Dachrinne band, die Schuhspitze durch die Brettwand und über ein Fass steckte, und durch ein Loch darin das Regen-Wasser in seinen Behälter laufen lässt! Wohl bekomm’s ihm! —

Die Länge des ganzen Oberlandes von der Nord- bis zur Südspitze beträgt etwa 6.000 Fuß; die Breite kaum 2000.

Als Vergnügungsort des Oberlandes ist hauptsächlich „Das grüne Wasser“, ein Tanzsalon in der Leuchtturmstraße zu erwähnen, weil hier die Helgoländer zum Tanz zusammenkommen. Mitunter haben die Tänze etwas Originelles, so gibt es einen, wo ein Mann mit oder vielmehr gegen zwei Mädchen tanzt und dabei fürchterlich mit den Füßen zappelt, bis er vor Anstrengung im Gesicht ganz rot ist. Je schneller Einer zappeln kann, je mehr steigt sein Ruhm als Tänzer.

Das Unterland, wohin wir jetzt zurückkehren, liegt auf einer Art Landzunge, die wahrscheinlich ein Überbleibsel des Flachlandes ist, das einst den Felsen umgab und sich über den Gesichtskreis hinausdehnte.

Wenn man zunächst den Strand besucht, der aus Sand und kleinem Steingeröll besteht, so ist die rote Farbe des Wassers auffällig, welche dieses in der Nähe des Landes vom Grunde annimmt. Der besonders nach Stürmen angeschwemmte Seetang verbreitet einen auffallenden, scharfen Geruch, Einige behaupten Gestank, der indes nicht ungesund sein soll. Mit einer Art Entsetzen betrachten die Landratten diesen braungelben, stinkenden, klebrigen Seetang, der wie schlafende Schlangen sich am Boden hinringelt und mit seinen Wurzeln noch kleine Felsstücken umklammert hat, die der Sturm mit ihm ausgerissen.

Dazwischen finden sich in der Ebbezeit kleine Seetiere, denen von naturforschenden Dilettanten eifrig nachgespürt wird. Manchmal macht wohl auch Einer den Versuch, einen 20 Fuß langen Tang mit nach Hause zu nehmen, indem er ihn wie eine Aderlassbinde zusammenrollt und in den Koffer steckt.

Das Badehaus.

Das Badehaus, welches hart am Strand steht, enthält das Comptoir der Badedirektion und Vorrichtungen für warme Bäder. Hier kauft man die Karten zum Bad auf der Düne, so wie die Fährmarken. Auch ist hier die Redaktion der Fremdenliste, welches Blatt in zwanglosen Heften von zwei Seiten erscheint und nur Persönlichkeiten enthält, indem es die Namen der angekommenen Fremden bringt. Es wird in Cuxhaven gedruckt, denn in Helgoland selbst wird die Kunst Guttenbergs ebenso wenig ausgeübt, wie die Reitkunst, weil Buchdrucker und Pferde wahrscheinlich verhungern würden.

Geht man die Straße beim Badehaus hinauf, so kommt man zum Konversationshaus, in dem sich die Fremden meistens versammeln. Für Zeitungsleser ist dies ein gesuchter Platz, weil hier die größte Auswahl verschiedener Blätter zu finden ist. Tanzlustige finden ebenfalls hier Befriedigung auf den Bällen, die wöchentlich mehrere Male abgehalten werden. In den Unterhaltungen, die in allerhand Vorträgen von Dilettanten und Künstlern bestehen, herrscht ein ungezwungener, gemütlicher Ton, und der Spielsaal übt keineswegs die kleinste Anziehungskraft auf die Besucher des Bades aus. Es wird Roulette und Pharao gespielt und man kann, ohne selbst mitzuspielen, manche interessante Stunde dort verbringen.

Das Konversationshaus.
Helgoländer Schlupp.


Die Bindfadenallee ist eine Straße, die sich vom Strand nach der Südspitze hinzieht und ihren Namen wahrscheinlich von der Tätigkeit einiger Seiler hat, die hier ihre Taue drehen. In ihr befinden sich die wichtigsten Etablissements der Insel, nämlich die Barbierstube, die Apotheke, die Uhrmacherwerkstatt und die Leihbibliothek mit über 20 Bänden der beliebtesten Romane, die der würdige Eigentümer gegen wöchentliches Abonnement verleiht. Auch der Bäcker hat seine Schätze hier ausgebreitet, und am Ende der Straße streckt sich eine Kegelbahn aus, daneben eine Bierbrauerei und neben dieser das sehr besuchte Speisehaus „Fremdenwillkommen“, wo man gut und billig isst und das beste Trinkwasser der ganzen Insel findet.

Am Ende der Bindfadenallee ist das Inselbad, welches von solchen Patienten benutzt wird, welche die Überfahrt nach der Düne nicht vertragen können, indem sie bei der geringsten Bewegung des Bootes seekrank werden. Es hat das Unangenehme, dass der Boden steinig ist und plötzlich in die Tiefe geht. Auch fehlen die Brandungen, welche auf der Düne stets laufen und ein Hauptvorzug des Seebades sind. Das Wasser ist zudem rot und der Boden öfter mit Seegewächsen bedeckt. Das Bad wird meist von Damen benutzt, weshalb in den Morgenstunden ein Helgoländer stets auf der Lauer steht und die Spaziergänger, die die Klippe besuchen wollen, daran zu hindern sucht.

Dem Konversationshaus gegenüber geht die Straße nach der Treppe hinein, in der sich eine Obst- und einige Naturalienhandlungen befinden, in denen oft die Landratten ostindische Muscheln kaufen und ihren Freunden in der Heimat weismachen, sie hätten sie auf der Düne gefunden.

Auch kann man hier Jagdgewehre, per Tag 4 Schilling, leihen und Pulver und Schrot kaufen. Für Liebhaber von Duellen finden sich sogar Pistolen vor, welche die liebenswürdige Eigenschaft haben, die Seitwärtsstehenden zu treffen, weshalb es den Sekundanten dringend empfohlen wird, sich bei vorkommender Gelegenheit in den Sand zu graben oder gerade vor den Duellanten zu stellen.

Das Hübscheste, was man in diesen Handlungen, z. B. bei Peter Aeukens, haben kann, sind kleine Herbarien von einigen 30 auf Papier gepressten Seepflanzen, die sich durch ihre wunderbaren Farben und Formen aus zeichnen.

Da wo die Bindfadenallee nach der Gesundheitsallee ausmündet, dicht unter den Felsen hinter den Häusern versteckt, zum Frühstücken eignet, wenn man dies nicht auf der Düne tun will. [der vorstehende Satz entstammt wortgenau dem Original]

Geht man zum Strand zurück, der immer wieder das Endziel der Spaziergänge ist, so tut man am besten, sich in den Pavillon zu setzen und das Treiben dort zu beobachten. Die Lotsen und Schiffer, welche hier den ganzen Tag herumlungern und auf Leute warten, welche auf dem Wasser fahren wollen, sind echte Seemannsgestalten und in der Führung ihrer Fahrzeuge ganz unübertrefflich.

Unter einigen bekannten Persönlichkeiten ragt besonders „der lange Fischer“ hervor, der große Ähnlichkeit mit einem auf den Schwanz gestellten Hornfisch hat, im Bewusstsein seiner unendlichen Schönheit aber die Damen mit zärtlichen und die Männer mit geringschätzigen und mitleidigen Blicken betrachtet. In Helgoland geht die Sage, dass ihn einst eine reiche Gräfin heiraten werde, dieselbe ist indes aus unbekannten Ursachen bis jetzt noch nicht angekommen.

Die Fahrzeuge der Helgoländer haben eine eigentümliche Bauart und sind auf wenig Tiefgang berechnet. Sie schwimmen deshalb ganz ausgezeichnet, und wenn man sie im hohlen Wasser segeln sieht, so springen sie förmlich über die Wellen hinweg. Sie werden aus ausgesuchtem Eichenholz, das man Wagenschott nennt, gebaut und sind sehr teuer, aber auch ungemein haltbar. Man nennt sie Schluppen (Schaluppen). In diesen beinahe ganz offenen Fahrzeugen segeln die Insulaner nach Hamburg, um Austern, Hummern und Schellfische auf den Markt zu bringen.

An den Vorderteilen der Schaluppen sind meistens Bilder angebracht und zwar von Künstlern der Helgoländer Schule. Dieselbe nähert sich weder der Münchner, Düsseldorfer noch französischen, sondern hat eine etwas byzantinische, den ersten Uranfängen dieser Schule ähnliche, mit einigen altdeutschen Elementen gemischte Richtung, die aus ungetrübter Naturanschauung hervorgegangen ist.

Alle Fächer, vom historischen Genre bis zum Portrait und der heraldischen Malerei, sind vertreten, nur die Landschaft fehlt.

Ich kann nicht unterlassen, dem Leser einige treu kopierte Bilder dieser Schule vorzuführen, die hier gewissermaßen als helgoländer Kunstausstellung dienen.

Zuerst kommt das Porträt Georgius des Vierten, dessen charaktervolle Darstellung nur durch einen etwas manierirten Vortrag gestört wird, den sich der Künstler besonders in Haar und Kleidung angewöhnt hat. Anspruchsloser ist schon das Bild Ludwigs, Herzogs von Oldenburg, gehalten, so wie ein mehr ins Genrefach schlagendes Stück mit dem Motto: Der Herr wolle bewahren, alle die mit dem jungen Carsten Dreyer zur See fahren“, welches einen gemütlichen jungen Mann, wahrscheinlich Portrait, mit braunem Frack und gelben Hosen darstellt, der in der einen Hand die helgoländer Flagge und in der andern eine unbekannte Getreideart hält. Zu seinen Füßen wogt das Meer, welches indes weniger skizzenhaft ausgeführt sein dürfte, obgleich es augenscheinlich als Nebensache behandelt ist.

Georgius IV.
Ludwig, Herzog von Oldenburg
Carsten Dreyer.


Die nun folgende Darstellung des Neptun dürfte zu den besten Bildern der helgoländer Schule gezählt werden, denn die Stellung des ruhenden „Neptunus“ ist klassisch.

Neptunus.

Der zu den Füßen des Meergottes spielende Fisch, der einem untergegangenen Geschlecht angehört, ist vortrefflich dargestellt und erfüllt den Beschauer mit ahnungsvollem Grauen über die unbekannten Bewohner der Meerestiefe. Der einzige leise Tadel, der dies Bild treffen könnte, ist der etwas rote Fleischton, womit indes der Künstler jedenfalls die Wirkung der Seeluft hat andeuten wollen.

Die nächsten zwei Bilder der Fortuna sind zugleich als besonders wichtige Dokumente des Kunstverfalles, in dem sich leider die Helgoländer Schule befindet, zu beachten. Die „Fortuna“ von 1817 zeigt noch jene edle Einfachheit, die uns aus altdeutschen Bildern entgegentritt. Und welche feine Anspielung liegt nicht in dem dünnen Bein, auf dem die Fortuna steht, während der muskulöse Schenkel des andern Beines das schnelle und plötzliche Entweichen des Glückes andeutet! Wie leichtfertig, der neuern frivolen Richtung annähernd, ist dagegen die „Fortuna“ von 1824 gemalt, und mit wahrer Entrüstung muss es den Kenner erfüllen, wenn der Künstler, um den Beifall der großen Menge zu erlangen, einen eingeschlagenen Nagel als Nabel der Figur benutzt, der doch sonst alle anatomischen Andeutungen fehlen. — Die Heraldik ist mehrfach vertreten. Das hervorragendste Bild darin ist „das Bremer Wappen“, worauf die Löwen eine lobenswerte Ausnahme von dergleichen heraldischen Darstellungen machen.

Fortuna von 1817.
Fortuna von 1824.
Das Bremer Wappen.


Mit dem Portraitieren von Privatpersonen befassen sich die eingebornen Künstler nicht, sondern überlassen dies den Malern, die vom Festlande herüberkommen. Unter diesen ist besonders ein Pastellmaler bemerkenswert, der Männer mit wildblickenden und Damen mit schmachtenden Augen malt, wofür man den Preis von 1 ½ bis 2 Thaler nicht zu hoch finden wird. Wenn sich die Badegäste etwa säumig in Aufträgen zeigen, so unterlässt er nie einen Anschlag an sein Fenster zu heften, worin er bekannt macht, dass er bloß noch einige Tage auf der Insel verweilen werde und Denjenigen zur Eile rate, die sich noch malen lassen wollen. Natürlich stürzen die Fremden in Todesangst nach seinem Atelier, um ihre Bildnisse zu erhalten.

Als Darsteller der helgoländer Natur ist Gätke rühmlich bekannt. An diesem Künstler, der vor sechszehn oder siebzehn Jahren nach Helgoland kam, fanden die Helgoländer so viel Gefallen, dass sie ihn dort behielten, bis er sich gänzlich als Familienvater eingebürgert hatte. Er macht reizende Zeichnungen, während seine Bilder an kleinen Härten leiden, die nicht vorkommen würden, wenn er Gelegenheit hätte, die Werke anderer Künstler von Zeit zu Zeit zu sehen, welcher Genuss ihm auf Helgoland gänzlich verloren geht. Berühmt ist er noch als Jäger und im Ausstopfen von Vögeln, von denen er eine schöne Sammlung hat.

Vor dem Pavillon ist gewöhnlich die Jugend der Insel versammelt, die von den Fremden einigen Verdienst zu erlangen hofft. „Werfen Sie einen Schilling in die Krawwel“, schreien 20 junge Lotsen den Badegast an und stürzen sich, wenn er ihrer Bitte nachkommt, in einen Knäuel geballt darüber her, was allerdings ein komisches Schauspiel ist.

Einige Andere haben sich irgendwo eine alte Weinflasche zu verschaffen gewusst und suchen nun einem Spaziergänger einzureden, dass es ein besonderes Vergnügen gewähre, diese Flasche entzwei zu werfen, was bloß vier Schillinge kosten soll, von denen sie sich indes drei abziehen lassen. Wieder Andere halten einen gefangenen Vogel in der Hand, den sie gegen ein kleines Honorar fliegen lassen, und wenden sich meistens an die Damen, weil diese das kleine Tier eher befreien als die hartherzigen Männer.

Auch befindet sich der Handel mit Seeäpfeln oder Seeigeln in den Händen der Jungen, welche diese Tiere bei Ebbezeit hinter den Klippen fangen, dann kochen oder roh ausnehmen und sie mit und ohne Stacheln verhandeln, gewöhnlich das Stück zu 1 oder 2 Schilling.

Ein anderer Industriezweig der Jugend ist das Vogelstellen, das hier nebst dem Fischfangen nicht zu den Lastern, sondern zu den Tugenden gehört und eifrig betrieben wird.

Auf vorspringenden Klippen machen sich die Vogelfänger einen künstlichen Ameisenhaufen, worüber ein dahinterliegendes Netz gezogen wird, sobald sich Vögel dort gütlich tun wollen. Der Fänger lauert unverdrossen, etwa 100 Schritt davon mit der Zugleine in der Hand. Im Spätsommer kommen von Schweden herüber eine Art Finken, die manchmal massenweise gefangen werden.

Auf der Insel findet man allenthalben hohe Stangen aufgestellt, zwischen denen im Frühjahr große Netze ausgespannt werden, worin man Schnepfen fängt. Dieser Schnepfenfang war früher sehr ergiebig, so dass die ganze Insel auf die Beine kam, wenn der Schnepfenstrich begann. Dann gibt es freilich andere Beute als bei uns, wo man sich nach einer Schnepfe acht Tage lang die Beine ausläuft und sie dann am Ende gar nicht zu sehen bekommt.

Nächst den Lotsen und der Jugend sind es nun die Badegäste, welche durch ihre verschiedenen Trachten und Manieren großen Stoff zur Unterhaltung geben.

Gewöhnlich wird ein Comité aus den Gästen gewählt, welches die Anordnung der Vergnügungen und dergleichen übernimmt und bei schlechtem Wetter regelmäßig in Verzweiflung ist, weil es nicht weiß, womit es seinen Schutzbefohlenen die Zeit vertreiben soll.

Die geselligen Badegäste finden sich bald in Gruppen zusammen, welche Freud und Leid miteinander teilen und wo öfter sehr angenehme Bekanntschaften gemacht werden. Die Ungeselligen laufen einsam am Strand umher, Einer wie ein wahnsinniger Storch mit großen Schritten, der Andere langsam, die Hände auf dem Rücken und nur widerstrebend der anwachsenden Flut weichend, die er mit grimmigen Blicken betrachtet. Ein Dritter steht wie ein vergessener Regenschirm, ohne sich zu rühren, stundenlang im Sande und guckt nach Seehunden aus, während ein Vierter sich die Taschen voll Steine und Pflanzen stopft, die ihm das Dienstmädchen am andern Morgen beim Reinmachen regelmäßig herauswirft. Einige Andere machen sich das Vergnügen mit den anbrandenden Wellen „Kriegen“ zu spielen, indem sie der ablaufenden Welle nachgehen und vor der nächsten ankommenden ausreißen, die sich dann den Spaß erlaubt, ihnen die Stiefel voll zufüllen, wenn sie sich einholen lassen.

Sehr komisch ist es anzusehen, wenn der Wind sein Spiel mit den Spaziergängern treibt und sie zwingt sich jeden Schritt zu erkämpfen, den sie gegen ihn tun, während er sie bald ins Meer jagt, wenn sie mit ihm gehen. Plötzlich erhebt sich dann wohl ein Hut aus der Menge, der trotz aller Vorsicht seinem Besitzer entschlüpfte und der nun wie ein Wagenrad dem Wasser zuläuft, verfolgt von seinem Herrn, der umsonst nach ihm greift und endlich barhäuptig am Ufer steht, um der Spazierfahrt zuzusehen, die seine Kopfbedeckung auf eigene Hand nach der Düne unternimmt.

Manchmal wird der Ausreißer noch glücklich ertappt, indem er sich entweder in eine Ecke verläuft oder von einigen Entgegenkommenden mit Stöcken und Regenschirmen überfallen und gefangen genommen wird. Zur Strafe für sein Entweichen wird er dann an ein Gummiband gelegt, welches, im Knopfloch festgebunden, ihm bloß den nötigen Spielraum zum Grüßen lässt, seinen fernern Ausflügen aber ein Ziel setzt.

Auf der Klippe sieht man regelmäßig jene Badegäste, die der Seeluft wegen hergekommen sind. Diese stehen dann gewöhnlich gegen den Wind und schlucken von dieser heilsamen und sehr billigen Medizin, so viel sie durch Nase und Mund kriegen können, wobei sie sich jedenfalls den Magen weder verderben noch überladen.

Im Pavillon kann man sich beim Kaffeetrinken das Vergnügen machen, die Schiffe, welche am Horizont aufkommen, durch das Fernrohr zu beobachten, welches als Inventarstück hier liegt. Besonders interessant ist es für den Binnenländer, wenn die oberste Stange eines Schiffes über dem Horizont erscheint und dann nach und nach das ganze Schiff aus dem Wasser emporsteigt. Die beifolgende Zeichnung ist durch das Fernrohr aufgenommen und zeigt ein Schiff, das bis zu den Stengen über den Horizont herauf ist und auf dessen Bramraaen die Segel gerefft werden. Nahebei sieht man den Rauch eines Dampfschiffes, das noch unter dem Horizont ist.

Entfernte Schiffe durch das Fernrohr gesehen.

Oft kann man auch nordwärts die Fischer in ihren Booten beobachten, wenn sie nach den Hummerkörben aus sind. Man sieht sie dann gänzlich im Wasser verschwinden und gleich darauf wieder auf der Spitze einer Welle erscheinen. Bei dieser verzweifelten Schaukelei treiben sie ganz gemütlich ihre Beschäftigung.

Zu den angenehmsten Unterhaltungen gehört unstreitig eine Spazierfahrt um die Insel, welche man bei Flutzeit macht, um die Höhlen und Klippen in der Nähe anzusehen. Zur Ebbezeit kann man beinahe um die ganze Insel gehen, was indes Niemand zu raten ist, der nicht gute Wasserstiefeln hat und sehr genau mit Ebbe und Flut bekannt ist; denn der Boden, den das Wasser verlässt, ist voller Löcher und mit schlüpfrigen Seepflanzen bedeckt, und die anlaufende Flut zwang schon manchen Vorwitzigen, sechs Stunden lang auf einem Felsstück zu sitzen und Klagelieder zu singen. Einige mussten sogar die Nacht, wie verzweifelte Fettgänse, dort verbringen und kamen erst am andern Morgen halb verhungert im Unterland wieder an.

Am besten ist es, die Fahrt in Gesellschaft von einigen Personen zu machen, die den Schiffer gemeinschaftlich annehmen. Man fahrt gewöhnlich beim Badehaus ab, zwischen den vor Anker liegenden Schluppen und großen Hummerkästen durch und an der steilen Felswand hin, die sich nach der Südspitze zieht. So wie man um die Ecke biegt, erblickt man einen isoliert stehenden, imposanten Felskegel, welcher der Mönch heißt oder vielmehr jetzt so genannt wird, denn der eigentliche Mönch ist schon lange von den Wellen zertrümmert worden, die sogar sein Fundament bis zu einem kleinen runden Stein abgespült haben, der sich zur Ebbezeit aus dem Wasser erhebt. Hinter dem Mönch macht die Klippe eine kleine Bucht, in welcher der Predigtstuhl, ein kanzelähnlicher Felsen, liegt, wobei man eine kleine Grotte findet, aus der man eine hübsche Ansicht des Felskegels hat.

In dieser Ecke werden immer eine Menge Seepflanzen an den Strand gespült, so dass der gelbbraune Tang oft den ganzen Boden bedeckt.

Hierauf folgt ein beinahe viereckiger, oben mit Gras bewachsener Fels, den die Helgoländer Hoyshörn nennen. Dahinter ein kleiner Stein, Tau Stack genannt, und daneben, gleichsam als Wächter einer dunklen Höhle, der Düvstein. Bei ihm ist der Eingang zu der im vorspringenden Felsen befindlichen Grotte Jung Gatt, welche durch die ganze Felswand geht. In der Mitte dieser Höhle befindet sich ein Spalt, der nach der Westseite auf das Meer hinaus führt, und durch den sich bei Sturm die Wogen wie gewaltige Wasserfälle in die Höhle stürzen und sie mit ihrem Gebrüll erzittern machen. Es ist auch nicht sehr ratsam lange Spaziergänge in der Grotte vorzunehmen, indem von Zeit zu Zeit kleine Felsstücken von zwei- bis dreihundert, wohl auch noch mehr Pfund, herunterfallen.

Der Mönch, aus der Grotte beim Predigtstuhl gesehen.

Neben Jung Gatt ist das Felsentor Möhrmers Gatt, das die schmale Felswand in ziemlicher Höhe ganz durchbrochen hat, und welches man schon von oben sah.

Hinter Möhrmers Gatt folgt eine lange Klippenreihe, in deren Fuß kleine schmale Höhlen und Sprünge sind, die nach der Insel hineinlaufen und öfters stark an die ägyptische Architektur in der Zauberflöte erinnern, wo Herr Sarastro in solchen Lokalen logiert. Wem die Wohnungen in der Stadt zu teuer sind, der hat hier Gelegenheit etwas Robinson zu spielen, wofür die Helgoländer freundlicherweise nichts anrechnen.

Nicht weit von Möhrmers Gatt ist ein Echo, welches von den Badegästen stark benutzt wird und öfter viel dummes Zeug nachsprechen muss. Ungemein komisch waren die Versuche, die vor einigen Jahren ein Engländer damit anstellte, der, um es in der Nähe zu hören, sich an und auf den Felsen stellte und es endlich für grundschlecht und total untauglich erklärte, weil man auf diesen Standpunkten nicht das Geringste davon hörte. Hätte er es für gut befunden, so würde er es den Helgoländern abgekauft, und in seinem Park angebracht haben. Nur hatte er einiges Bedenken darüber, ob es durch den Wassertransport nicht leiden würde.

Möhrmers Gatt.
Klippen an der Westküste.


Außer einigen kleinen Höhlen, die stets den Charakter von Möhrmers Gatt haben, findet man an den fortlaufenden Felswänden nichts Besonderes, als ihre rote Farbe und die gelben und weißen Querstreifen. Recht deutlich sieht man mitunter, wie der Zahn der Zeit an diesen Felsen knabbert und manchmal starke Bisse getan hat. Das zur Winterzeit in den kleinen Spalten und Rissen gefrierende Wasser sprengt die Felsen nach und nach ab, so dass ein Stück nach dem andern ins Meer stürzt und die Insel, wenn auch langsam, von Jahr zu Jahr kleiner wird, was bei den Helgoländern einige Besorgnisse für ihre Nachkommenschaft erregt. Wenn man diese langen glatten Klippenreihen hinter sich hat, kommt man an eine Stelle, wo ein Felsstück auf so dünnem Fuß im Wasser balancirt, dass man nicht begreift, wie es die nächste Welle nicht umwirft. Daneben steht ein kleinerer Felsblock, der offenbar zur Familie gehört. Beide nennen die Helgoländer „der Pastor und seine Frau“.

Der Pastor und seine Frau.
Die Nordspitze.


Von hier aus sind die Klippen bis zur Nordspitze sehr zerklüftet und zerrissen. Hinter einer dieser Klippen halten sich im Winter eine Menge wilde Enten auf, die im Frühjahr an einem bestimmten Tage geschossen werden.

Die Nordspitze schließt mit einer Grotte, hinter der ein Trümmerhaufen großer Felsstücke liegt, die von einem eingestürzten Felsen, der das Pferd oder der Hengst hieß, herrühren.

Die andere Seite der Klippe hat weiter keine Eigentümlichkeit, als dass immerwährend Steine herunterfallen, was kein besonderer Vorzug ist. Es befindet sich dort weder eine Höhle noch sonst etwas Bemerkenswertes, und man fährt gewöhnlich von hier nach der Düne hinüber, um sich am Schluss der Umfahrt etwas von den Brandungen schaukeln zu lassen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Hamburg nach Helgoland