Monarchische Bestrebungen einzelner Dogen

Unter Domenico Flavanigo wurde beschlossen, dass kein Doge einen Mitdogen annehmen, dass kein Sprosse der Geschlechter Orfeoli Doge werden dürfe. Seit Ende des zwölften Jahrhunderts treten bereits die zwei Räte (Consilium majus und minus) in Tätigkeit, von denen der ,,kleinere“, den der Doge hören musste, einem Dekrete Pietro Zianis zufolge nicht direkt vom ,,großen“, sondern durch Wahlmänner gewählt wurde. Die Quarantia, später Justizbehörde, besorgte wahrscheinlich die Vermittelung zwischen beiden Räten, der Senat handels- und zollpolitische Geschäfte. Der Doge besaß bis zur Zeit Dandolos das Recht der Vertretung nach außen und war Kriegsherr.

Je größer die Machtmittel des Staates wurden, über die der Doge in entscheidenden Augenblicken doch verfügen konnte, desto vorsichtiger wurden die tonangebenden Familien, die ihren Willen geltend zu machen entschlossen waren. Ihre Bedeutung kam bei der Dogenwahl am meisten zur Geltung, sie benützten dieselbe daher ebenso, wie die Kurfürsten des Römisch Deutschen Reiches die Kaiserwahl, zur Beschränkung der dukalen Macht. Die Wahlkapitulation (promissione) des Dogen Jakob Tiepolo (1229) wurde zum Vorbilde für alle folgenden. Er bekannte darin zunächst, dass er nicht durch seine eigene Einsicht und sein Vermögen, sondern durch göttliche Gnade zu der hohen Würde gelangt sei; indem er daher Gott und dem heiligen Evangelisten Markus Dank sage, verspreche er dem Volkes ein pünktlicher Beobachter des Rechtes zu sein, die Ehre und das Wohl des Vaterlandes zu fördern. Er wolle die Gesetze getreu beobachten und gegen jedermann unparteiisch sein, er wolle Vornehmen und Geringen („a maggiori ed a minori“) Gerechtigkeit zuwenden ohne Übervorteilung, den Dogat in gutem Zustande erhalten, für die Würde und den Vorteil des Vaterlandes raten, verhandeln und wirken, die Wahl des Patriarchen von Grado und seiner Suffragane dem Klerus und dem Volke überlassen, an Papst, Kaiser und Könige keine Boten oder Briefe ohne Zustimmung seines Rates senden, die Hofrichter (giudici de palazzo“) nicht anders als durch Wahl bestellen lassen und den drei Richtern in vermögensrechtlichen Angelegenheiten („giudici del proprio“) jährlich vier Amphoren Wein aus Ca’ Manzo in Chioggia verehren; er wolle von niemandem Geschenke annehmen, es seien denn Rosenwasser, Blätter, Blüten, wohlriechende Kräuter oder Balsam, während seiner Regierung weder einen Mitregenten noch einen Nachfolger wählen und nicht mehr als 2.800 venezianische Pfund (beiläufig 10.000 Lire italienischer Währung heutigen Geldes) für seine Bestallung nehmen und einige Regalien von Istrien, Veglia, Cherso, Arbe, Ragusa und Sansego; er versprach auch aus Eigenem für die Erhaltung des Daches des Dogenpalastes aufzukommen und für die Einfuhr von 2.000 Maltern Getreide zu sorgen.


Zu diesen Verpflichtungen und Beschränkungen wurden fast bei jeder folgenden Wahl wiederholt durch die Correttori (Richtigsteller der Wahlkapitulation) neue aufgestellt, so bei der Wahl des Jakob Contarini, dass weder der Doge, noch seine Söhne oder Neffen Ehen mit fremden Frauen ohne Erlaubnis des Großen Rates eingehen dürfen, oder bei der Wahl des Marino Morosini (1249), dass der Doge keine Vermehrung seiner Gewalt über die ihm zugestandene anstreben dürfe. Die Bestallung wurde auf 4.000, endlich auf 5.200 venezianische Pfunde erhöht und durch weitere Einkünfte aus Portogruaro und Latisana, den Umladeplätzen der deutschen Kaufleute, vermehrt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Venedig als Weltmacht und Weltstadt