Die Dogenwahl
Die Wahl des Dogen war ursprünglich durch die Tribunen oder Senioren der verbündeten Gemeinden erfolgt, später wurden vom großen Rate elf Wähler ausgelost, in der Mitte des zwölften Jahrhunderts aber entschloss man sich zur Einführung eines Wahlvorganges, der an Vorsichtsmaßregeln und Erschwerungen nirgends, auch durch die Bestimmungen über das päpstliche Konklave nicht, übertroffen wurde. Zuerst wurden aus dem Großen Rate 30 Mitglieder ausgelost, die sich durch weiteres Auslosen auf neun verminderten. Die vier ersten von den neun wählten je fünf, die fünf letzten je vier, also zusammen 40 provisorische Wähler, die aber erst dann als bestätigt galten, wenn sie bei nochmaliger Kugelwahl (ballota) je sieben Stimmen erhielten. Diese Kugeln wahl wurde durch die Hand eines Knaben vollzogen, den der jüngste Ratsherr nach einem in S. Marco verrichteten Gebete von der Piazza mitbrachte. Die Vierzig begannen einen neuen Wahlgang, indem sie aus ihrer Mitte zwölf Personen ausschieden, die ihrerseits wieder 25 namhaft machten, die einer neuen Kugelwahl unterworfen wurden, bei welcher jeder neun Stimmen erhalten musste. Die Fünfundzwanzig sanken durch neue Ausscheidungen abermals auf neun, von welchen jeder fünf Personen vorschlug. Hatten die Fünfundvierzig eine abermalige Kugelwahl überstanden, so begannen sie einen dritten Mahlgang. Sie verminderten sich auf elf, die acht ersten nannten je vier, die drei letzten je drei Personen; diese Einundvierzig, die bei wiederholter Kugelwahl von els je neun Stimmen auf sich vereinigen und außerdem vom Großen Rat bestätigt werden mussten, waren endlich die Dogenwähler. Sie traten in einem abgeschlossenen Raume zusammen, in dem sie bis zum Abschlüsse der Wahl auf Staatskosten verpflegt wurden. Jeder Wähler gab feine Stimme schriftlich ab. Die Wahlzettel wurden verlesen, und an jeden Namen durfte sich eine Besprechung der Vorzüge und Fehler des Betreffenden knüpfen. Doge wurde derjenige, auf den sich mindestens 25 Stimmen vereinigten. Der Erwählte wurde in die Markuskirche geführt und dem dort versammelten Volke mit den Worten vorgestellt: Dies ist euer Doge, wenn er euch gefällt. („Questo xe missier lo Doxe, se ve piaxe!”) In dieser Formel lag der letzte Ausdruck der ursprünglichen Souveränität des gesamten Volkes; um die Erinnerung an dieselbe zu verwischen, wurde im fünfzehnten Jahrhundert die Formel eingeführt. ,,wir haben diesen gewählt!“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Venedig als Weltmacht und Weltstadt