Umwelt und Natur - Witterungsverhältnisse, Überschwemmungen in Böhmen

Aus: Vereinsschrift für Forst., Jagd- und Naturkunde. Herausgegeben vom böhmischen Forstverein.
Autor: Redigiert von Ludwig Schmidl, (1811-1882) Oberforstmeister, Erscheinungsjahr: 1873

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Natur, Umwelt, Klima, Klimaschutz, Umweltschutz, Naturschutz, Wetter, Überschwemmung, Sturm, Winter, Schnee, Regen, Hagel, Lawinen, Flüsse, Seen, Erdbeben, Missernten, Bauern, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gewitter, Blitz, Donner, Jahreszeiten, Winter, Sommer, Herbst, Frühling, Flut, Sturmflut, Wolkenbrüche, Wolken
Wenn wir nun sehen, dass das gegenwärtige Jahr im Allgemeinen von den früheren Jahren im Verlaufe der Witterungserscheinungen bedeutend abweicht und dass diese Abweichung nicht nur in Böhmen, sondern von England bis gegen Galizien beobachtet wurde, so können wir, wie wir schon früher andeuteten, den Grund davon nicht in den Ländern suchen, in welchen die Wolkenbrüche niederstürzten oder andererseits zu ungewöhnlicher Zeit Dürre eintrat; denn wenn man annehmen wollte, dass die Länder in Europa sich gegen die von den Tropen heranziehenden Wolkenzüge nicht bloß passiv verhalten (dass nämlich in den gebirgigeren Ländern immer mehr Niederschläge entstehen als in den ebenen, wenn einmal die Südwinde im Zuge sind), sondern dass sie sich aktiv verhalten, das heißt, mehr oder weniger die Ströme anziehen, so müsste, da sich die Natur der Länder nicht von Jahr zu Jahr plötzlich ändert, die Witterung bestimmter Länder alle Jahre die gleiche sein oder sich allmählich im Verlaufe von vielen Jahren ändern, wie etwa die Bewaldungsverhältnisse eines Landes sich erst in vielen Jahren merklich ändern. Dem ist aber nickt so, sondern die Witterung eines Jahres ist von dem eines anderen oft total verschieden und wenn sie sich immer auf Änderungen der Luftströme je nach der veränderten Lage der Minima und Maxima des Luftdruckes zurückführen lassen, so lassen sich diese eben bis jetzt nicht erklären, am wenigsten aus der Natur der Länder wo sie auftreten, sonst müssten sie eben konstanter sein.

Die Erfahrung aus vielen Jahrhunderten lehrt uns, dass eben in den Ländern unserer Breite nur wenige Jahre in ihren Niederschlags- und Temperaturverhältnissen dem durchschnittlichen Mittel entsprechen, und dass in Perioden von 50 Jahren einzelne, ja sogar mehrere Jahre hintereinander vorkommen, welche teils durch dürre Sommer und Wassermangel der Flüsse, teils durch Wolkenbrüche, durch enormen Schneefall und durch aus beiden folgende Überschwemmungen, bald durch milde Winter, kaltes Frühjahr, bald durch sehr strenge Winter, durch Wirbelwinde, Hagelwetter und Erdbeben von den übrigen bedeutend abweichen. Während sowohl in der warmen Zone als in Nord-Russland und Sibirien der Witterungsverlauf sich Jahr aus Jahr ein ziemlich gleich bleibt, ist gerade unser Strich der gemäßigten Zone der Kampfplatz der verschiedenen polaren und äquatorialen Luftströmungen und das Klima deshalb weniger konstant, ohne dass die Länder selbst irgendwie die direkte Ursache davon sind.

Dass bergige Länder, wie Böhmen, bei solchen Unregelmäßigkeiten weit mehr zu leiden haben als ebene, liegt auf der Hand, da die Erhebungen des Landes in sehr verschiedene Luft-, Wind- und Wolkenregionen hineinragen, alle Niederschläge weit rascher zu Tale kommen und im Falle der Dürre die Wässer rascher ablaufen und versiegen können.
Wir müssen noch der Vollständigkeit wegen erwähnen, dass man Heuer und auch schon wiederholt in früheren Jahren die Wolkenbrüche in Zusammenhang bringen wollte mit vulkanischen Eruptionen oder großen Bränden. In Südamerika wurde dies schon vor mehr als zehn Jahren behauptet. Die Meinung tauchte vor zwei Jahren wieder auf, nach den Bränden in Paris und Heuer wurde der Ausbruch des Vesuv als Ursache der Wolkenbrüche in Europa bezeichnet. Wir haben bis jetzt weder statistisches Material genug, noch ausreichende Kenntnisse darüber, ob ein solches an Ort und Stelle großartiges Phänomen, welches aber im Vergleich mit einem Erdquadranten dennoch etwas verschwindend erscheint, so große und so dauernde Störungen der Atmosphäre hervorbringen kann, denn jedenfalls trat unser Wolkenbruch viel später ein und wiederholten sich solche Erscheinungen in Europa bis zu Ende des Jahres. Jedenfalls war der Vesuv vom Ausbruch um 79 nach Christi Geburt bis in das vorige Jahrhundert wenig tätig und zählt man nur 30 größere Eruptionen auf siebzehn Jahrhunderte, vom Ätna 60 auf dieselbe Zeit, dagegen kamen in Böhmen in fünf Hundert Jahren sehr viele Wolkenbrüche vor und mit Ausnahme des Jahres 1137, wo ein großer Ausbruch des Ätna mit Überschwemmungen in Böhmen zusammenfällt, nicht in Jahren, wo Eruptionen stattfanden.

Wir lassen nun ein chronologisches Verzeichnis; der Witterungsverhältnisse, besonders der Überschwemmungen in Böhmen folgen, welches uns den historischen Hintergrund zu den früher geführten Sätzen geben soll. Wir benützten dabei: Strnadt, Chronologisches Verzeichnis, Krolmus, O povodnich und die Scriptores rerum bohosmicarum:

Die Überschwemmung in Böhmen 1872. Verwüstung im Dorfe Praskoles

Die Überschwemmung in Böhmen 1872. Verwüstung im Dorfe Praskoles

Bauern, Die Flucht vor dem Gewitter

Bauern, Die Flucht vor dem Gewitter

Bauern, Heimkehr vom Feld im Gewitter

Bauern, Heimkehr vom Feld im Gewitter

Bauern, Holztransport im Winter

Bauern, Holztransport im Winter

Überschwemmung in Böhmen, Herstellung der zerstörten Eisenbahnbrücke bei Stasow

Überschwemmung in Böhmen, Herstellung der zerstörten Eisenbahnbrücke bei Stasow

Wintertag (2)

Wintertag (2)