Sundine. Unterhaltungsblatt für Neu-Vorpommern und Rügen, Band 09. 1835
Stralsund, den 25. Mai 1835
Der Todesschreck, oder die Bergamaskerhunde.
Wie hängt doch das Menschenleben oft am seidenen Faden!
In der Schweiz und Tirol und im Oberland hat man eine eigene Rasse blutdürstiger Hunde, die vielleicht eine Abart von denjenigen sind, womit die ruchlosen Spanier die unglücklichen Mexikaner hetzten. Sie heißen „die bergamasker Hunde“, und sind von den italienischen Hirten eingeführt worden, welche von den armen Schweizer- und Tiroler-Gemeinden häufig einen Teil ihrer Alpen als Viehweide pachten. Man gebraucht diese Doggen gegen die räuberischen Wölfe, welche im Winter oft in Scharen aus Graubündten und Savoyen in die Täler der beiden Lande einbrechen, und Schrecken und Verwüstung unter Menschen und Vieh verbreiten. Ähnliche Hunde findet man in der Barbarei, Tunis, Tripolis und Algier. Sie begleiten in Trupps die Soldaten, welche die Bey’s ausschicken, die Kopfsteuer von den Stämmen an der Grenze der Wüste einzutreiben, und sind das Schrecken der armen Mauren. Nicht selten geschieht in der Schweiz und Wälsch-Tirol Unglück durch diese Hunde, denn die italienischen Hirten auf den großen Almen haben oft ganze Meuten bei sich, und lassen sie wild umherlaufen, und wehe dem einsamen Wanderer, der ihnen in den Weg kommt! Er wird aufs grimmigste in Stücken zerrissen, und die Hirten, welche die Verunglückten finden, begraben sie heimlich, aus Furcht vor Strafe. So verschwinden oftmals Menschen, die man wochenlang vergeblich in Berg und Tal sucht, und am Ende heißt es denn, die bergamasker Hunde haben sie umgebracht. In der grässlichsten Gestalt trifft man diese Bluthunde bei den Klanmeistern, den Abdeckern in Tirol und in der Schweiz, an, wo sie mit Luder geil aufgefüttert und genährt, als Frohnenpflicht gehalten, und beim Einbrechen der Wölfe losgelassen werden. Da entspinnt sich dann ein furchtbarer Kampf; aber die Wölfe unterliegen gewöhnlich, und mit scheußlichem Geheul kehren die Doggen instinktmäßig in ihren Zwinger zurück. Das sind die bergamasker Hunde.
************************************
Stralsund, den 24. Dezember 1835
Die gezähmten Wolfe. An der Tafel in dem Badeorte Barège in den Pyrenäen kam die Rede auf die Zähmung der Wölfe, welche Tierart in dortiger Gegend häufig ist. Ein alter Edelmann aus der Nachbarschaft erzählte uns, dass er es oft versucht, indem er junge Wölfe eingefangen habe. Es sei aber im glücklichsten Falle ein gefährliches Wagnis und zur Bestätigung gab er sofort ein Beispiel zum Besten. Kurz nach seiner Rückkehr nach Frankreich – er war zur Zeit der Revolution emigriert – hatte er in den Bergen eine Wölfin geschossen, und ihrer Spur bis zur Höhle folgend, fand er sie sterbend mit zwei Jungen an ihrer Seite. Er nahm diese mit und zog die im Schloss auf wie ein Paar Haushunde. Eine Zeitlang ging alles gut. Die jungen Tier sprangen neben ihm her, leckten seine Hand, folgten ihm wie Hunde und schienen sich ganz ans Schloss gewöhnt zu haben. Eines Abends jedoch, als er länger als gewöhnlich mit ihnen in den Bergen gewesen war und nun beim Mondschein heimwärts ritt, bemerkte er, dass seine Gefährten plötzlich schnauften, am Boden witterten und Zeichen außerordentlicher Unruhe verrieten. „Da ich sie, fuhr er fort, beim Mondschein ganz deutlich beobachten konnte, bemerkte ich eine gänzliche Veränderung ihren Physiognomie. Der zahme Blick war verschwunden, und statt dessen sahen sie wild umher. Ich rief sie, aber sie fletschten die Zähne statt der Antwort. Nun fing ich an zu begreifen, dass meine Generalschaft am besten mit einer schnellen Flucht endigen könnte. Aus Furcht vor den Lachern jedoch, die mich bei meiner Rückkehr erwarteten, ritt ich langsam noch bis an eine Ecke des Weges, die mich vor ihnen verbarg. Jetzt aber gab ich meinem Maultier die Sporen und galoppierte fort. Kaum war ich ein Paar Hundert Schritt von ihnen entfernt, als das ganze Dickicht lebendig zu werden schien. Überall ertönte Wolfsgeheul, und voller Eile kamen meine zwei alten Bekannten hinter mir hergesetzt. Der eine sprang auf den Rücken des Maultiers, der andere packte meinen linken Arm. Glücklicherweise hatte er nicht den rechten Arm erfasst, denn sonst könnte ich gewiss hier nicht meine Geschichte erzählen. Ich zog mein Jagdmesser und stieß es meinem Feind in den Hals, dass er einen lauten Schrei ausstieß und vom Angriff abließ. Ein zweiter Stoß traf meinen Angreifer von hinten. Mein Maultier, obgleich vortrefflich zugeritten, war so erschreckt, dass es keinen Schritt weiter wollte. Peitsche, Sporen, Zurufen, alles was vergebens . In der Zwischenzeit verdoppelte sich das Geheul und kam näher, obgleich ich keinen der Verfolger sehen konnte. Auch waren meine beiden Gefährten gerade hinreichend, um mich aufzufressen, und schienen zu diesem Zwecke auch förmlichen Kriegsrat gehalten zu haben. Sie gingen zusammen, trennten sich wieder, berührten sich dann mit den Nasen, als ob sie miteinander flüsterten, und gingen endlich, als ob sie meinen Tod beschlossen, gemächlich jeder an eine andere Seite mir, heulend und die Zähne fletschend. Die erste schlechte Aufnehme von meiner Seite hatte sie augenscheinlich vorsichtig gemacht, allein sie schienen doch den festen Vorsatz gefasst zu haben, nicht hungrig zur Ruhe zu gehen. Mein Maultier ward immer unruhiger, zerriss in der Verzweiflung den Zügel und warf mich kopfüber in ein dichtes Gestrüpp. Ich glaubte nun mein Ende nahe, und mein Messer erfassend, beschloss ich, wenigstens wie ein Held zu sterben. Doch glücklicherweise ward mir die Probe dieses Ruhms erspart, und mein Maultier büßte die Sünden seines Herrn; denn kaum sahen es die beiden Wölfe ohne Reiter, so stürzten sie sich auf das unglückliche Tier und sogen sein Blut mit wollüstigem Behagen, Es verteidigte sich wütend, und als ich mich aus meinem Dickicht gewunden, sah ich, wie es den Huf in des einen Wolfes Hirnschädel geschlagen hatte, der andere hatte es erwürgt und war davon gelaufen. Von der Zeit an beschränkte ich meine Bekehrungsversuche darauf sie tot zu schießen und mir das Fell zu Nutze zu machen.“
Der Todesschreck, oder die Bergamaskerhunde.
Wie hängt doch das Menschenleben oft am seidenen Faden!
In der Schweiz und Tirol und im Oberland hat man eine eigene Rasse blutdürstiger Hunde, die vielleicht eine Abart von denjenigen sind, womit die ruchlosen Spanier die unglücklichen Mexikaner hetzten. Sie heißen „die bergamasker Hunde“, und sind von den italienischen Hirten eingeführt worden, welche von den armen Schweizer- und Tiroler-Gemeinden häufig einen Teil ihrer Alpen als Viehweide pachten. Man gebraucht diese Doggen gegen die räuberischen Wölfe, welche im Winter oft in Scharen aus Graubündten und Savoyen in die Täler der beiden Lande einbrechen, und Schrecken und Verwüstung unter Menschen und Vieh verbreiten. Ähnliche Hunde findet man in der Barbarei, Tunis, Tripolis und Algier. Sie begleiten in Trupps die Soldaten, welche die Bey’s ausschicken, die Kopfsteuer von den Stämmen an der Grenze der Wüste einzutreiben, und sind das Schrecken der armen Mauren. Nicht selten geschieht in der Schweiz und Wälsch-Tirol Unglück durch diese Hunde, denn die italienischen Hirten auf den großen Almen haben oft ganze Meuten bei sich, und lassen sie wild umherlaufen, und wehe dem einsamen Wanderer, der ihnen in den Weg kommt! Er wird aufs grimmigste in Stücken zerrissen, und die Hirten, welche die Verunglückten finden, begraben sie heimlich, aus Furcht vor Strafe. So verschwinden oftmals Menschen, die man wochenlang vergeblich in Berg und Tal sucht, und am Ende heißt es denn, die bergamasker Hunde haben sie umgebracht. In der grässlichsten Gestalt trifft man diese Bluthunde bei den Klanmeistern, den Abdeckern in Tirol und in der Schweiz, an, wo sie mit Luder geil aufgefüttert und genährt, als Frohnenpflicht gehalten, und beim Einbrechen der Wölfe losgelassen werden. Da entspinnt sich dann ein furchtbarer Kampf; aber die Wölfe unterliegen gewöhnlich, und mit scheußlichem Geheul kehren die Doggen instinktmäßig in ihren Zwinger zurück. Das sind die bergamasker Hunde.
************************************
Stralsund, den 24. Dezember 1835
Die gezähmten Wolfe. An der Tafel in dem Badeorte Barège in den Pyrenäen kam die Rede auf die Zähmung der Wölfe, welche Tierart in dortiger Gegend häufig ist. Ein alter Edelmann aus der Nachbarschaft erzählte uns, dass er es oft versucht, indem er junge Wölfe eingefangen habe. Es sei aber im glücklichsten Falle ein gefährliches Wagnis und zur Bestätigung gab er sofort ein Beispiel zum Besten. Kurz nach seiner Rückkehr nach Frankreich – er war zur Zeit der Revolution emigriert – hatte er in den Bergen eine Wölfin geschossen, und ihrer Spur bis zur Höhle folgend, fand er sie sterbend mit zwei Jungen an ihrer Seite. Er nahm diese mit und zog die im Schloss auf wie ein Paar Haushunde. Eine Zeitlang ging alles gut. Die jungen Tier sprangen neben ihm her, leckten seine Hand, folgten ihm wie Hunde und schienen sich ganz ans Schloss gewöhnt zu haben. Eines Abends jedoch, als er länger als gewöhnlich mit ihnen in den Bergen gewesen war und nun beim Mondschein heimwärts ritt, bemerkte er, dass seine Gefährten plötzlich schnauften, am Boden witterten und Zeichen außerordentlicher Unruhe verrieten. „Da ich sie, fuhr er fort, beim Mondschein ganz deutlich beobachten konnte, bemerkte ich eine gänzliche Veränderung ihren Physiognomie. Der zahme Blick war verschwunden, und statt dessen sahen sie wild umher. Ich rief sie, aber sie fletschten die Zähne statt der Antwort. Nun fing ich an zu begreifen, dass meine Generalschaft am besten mit einer schnellen Flucht endigen könnte. Aus Furcht vor den Lachern jedoch, die mich bei meiner Rückkehr erwarteten, ritt ich langsam noch bis an eine Ecke des Weges, die mich vor ihnen verbarg. Jetzt aber gab ich meinem Maultier die Sporen und galoppierte fort. Kaum war ich ein Paar Hundert Schritt von ihnen entfernt, als das ganze Dickicht lebendig zu werden schien. Überall ertönte Wolfsgeheul, und voller Eile kamen meine zwei alten Bekannten hinter mir hergesetzt. Der eine sprang auf den Rücken des Maultiers, der andere packte meinen linken Arm. Glücklicherweise hatte er nicht den rechten Arm erfasst, denn sonst könnte ich gewiss hier nicht meine Geschichte erzählen. Ich zog mein Jagdmesser und stieß es meinem Feind in den Hals, dass er einen lauten Schrei ausstieß und vom Angriff abließ. Ein zweiter Stoß traf meinen Angreifer von hinten. Mein Maultier, obgleich vortrefflich zugeritten, war so erschreckt, dass es keinen Schritt weiter wollte. Peitsche, Sporen, Zurufen, alles was vergebens . In der Zwischenzeit verdoppelte sich das Geheul und kam näher, obgleich ich keinen der Verfolger sehen konnte. Auch waren meine beiden Gefährten gerade hinreichend, um mich aufzufressen, und schienen zu diesem Zwecke auch förmlichen Kriegsrat gehalten zu haben. Sie gingen zusammen, trennten sich wieder, berührten sich dann mit den Nasen, als ob sie miteinander flüsterten, und gingen endlich, als ob sie meinen Tod beschlossen, gemächlich jeder an eine andere Seite mir, heulend und die Zähne fletschend. Die erste schlechte Aufnehme von meiner Seite hatte sie augenscheinlich vorsichtig gemacht, allein sie schienen doch den festen Vorsatz gefasst zu haben, nicht hungrig zur Ruhe zu gehen. Mein Maultier ward immer unruhiger, zerriss in der Verzweiflung den Zügel und warf mich kopfüber in ein dichtes Gestrüpp. Ich glaubte nun mein Ende nahe, und mein Messer erfassend, beschloss ich, wenigstens wie ein Held zu sterben. Doch glücklicherweise ward mir die Probe dieses Ruhms erspart, und mein Maultier büßte die Sünden seines Herrn; denn kaum sahen es die beiden Wölfe ohne Reiter, so stürzten sie sich auf das unglückliche Tier und sogen sein Blut mit wollüstigem Behagen, Es verteidigte sich wütend, und als ich mich aus meinem Dickicht gewunden, sah ich, wie es den Huf in des einen Wolfes Hirnschädel geschlagen hatte, der andere hatte es erwürgt und war davon gelaufen. Von der Zeit an beschränkte ich meine Bekehrungsversuche darauf sie tot zu schießen und mir das Fell zu Nutze zu machen.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Umwelt und Natur - Die Wölfe im Spiegel der Presse