Zweite Fortsetzung

Ist es nun unbestreitbare Tatsache, dass die Kultur den Menschen über die unumschränkte Macht der klimatischen Einflüsse erhebt, indem es auf diese umgestaltend einzuwirken vermag: so ist es auf der andern Seile nicht minder wahr, dass ein Rückschreiten in der Kultur, ein Sinken des Volks denselben wieder eine größere, unumschränktere Macht über den Menschen einzuräumen vermag. Italien, von den Römern bewohnt, war trocken und gesund. Das alte Rom kannte leine Malaria, die Typhus, Wechselfieber und Kachexien erzeugt. Eine reine Luft schwellte die Brust eines Cato, Scipio und Cicero. Um das alte Rom her war durch den Anbau des Bodens die Luft gesund, die Bevölkerung zahlreicher. Gerade das Gegenteil von dem, was jetzt die Campagna di Roma darbietet. Bunsen erklärt die Aria cattiva sowohl der Stadt als der Campagna Roms für etwas, das mit dem verödeten und versunkenen Zustande der Bewohner in Wechselwirkung steht, indem es mit Vernachlässigung der Kultur zugleich eintritt und diese Vernachlässigung nachher selbst in noch höherem Grade herbeiführt. Vergleicht man die Maßregeln, welche die Alten zum Schutze gegen die Hitze ersannen, mir denen der Neueren, so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, das Klima des alten Roms müsse um Vieles heißer als das des jetzigen gewesen sein. Dagegen soll nach De Candolles Behauptung das Klima von Frankreich im Sommer heißer, im Winter kälter geworden sein. — Nirgends findet sich in den alten Schriftstellern eine Erwähnung von dem ungesunden Klima Athens. Die jetzt dort herrschende schädliche Luft hat einzig und allein ihren Grund in der vernachlässigten Kultur des Bodens und in einem gegen Nordost gelegenen Olivenwald, der sich bis gegen den Piräeus hinzieht. Hier bildet sich vor Sonnenuntergang ein dichter Nebel, der sich durch einen starken sumpfigen Geruch verrät und schon bei Schwächlichen auf der Stelle einen Fieberanfall hervorrufen kann. Dieser mit Sumpfluft geschwängerte Nebel wird gegen Morgen von dem sich erhebenden Nordwestwinde auf die Stadt getrieben und erzeugt dort das atheniensische Sumpffieber. — Sowohl zur Zeit der Römer als der Kreuzzüge war Ägypten gut angebaut, mit Kanälen und Deichen wohl versehen und von jenem schrecklichen endemischen Übel, der ägyptischen Ophthalmie, fand sich keine Spur. Jetzt ist sie dort wie in Persien zu Hause und entsteht nach Olivier von den salinischen Teilen, die aus den immer mehr zunehmenden Wüsten aufsteigen. Mit einer besseren Kultur des Bodens würde sich diese Krankheit auch wieder verlieren.

Höchst merkwürdig ist in dieser Hinsicht der Bericht des Marschall Marmont, Herzogs von Ragusa, den Arago im März 1836 der Akademie der Wissenschaften vorlegte. Nach diesem haben sich im Klima von Ägypten wesentliche Veränderungen zugetragen. Sonst regnete es zu Kairo und Alexandrien äußerst selten. Marmont, der während der ägyptischen Expedition vom November 1798 bis August 1799 in letzterer Stadt kommandierte, hatte es in dreißig bis vierzig Tagen nur ein einziges Mal regnen gesehen. Gegenwärtig regnet es nach dem neueren Zeugnisse desselben jedes Jahr dreißig bis vierzig Tage lang, im Winter nach der Mitte Oktobers oft fünf bis sechs Tage unaufhörlich. Zu Kairo, wo sonst einige Tropfen Regen eine seltene Erscheinung waren, zählt man nun jeden Winter fünfzehn bis zwanzig Regentage. Den Grund dieser klimatischen Veränderung glaubt man in den zahlreichen, vom Pascha angeordneten Baumpflanzungen zu finden. Umgekehrt regnete es sonst in Oberägypten häufig, gegenwärtig aber nie. Damals waren aber auch die das Niltal einschließenden lybischen und arabischen Gebirge mit Bäumen und Pflanzungen bedeckt. Aber die Araber haben dort ihre Herden geweidet und die Bäume sind ausgerottet worden. Eine von anderen Reisenden gemachte Beobachtung ist die, dass die abnehmende Fruchtbarkeit Ägyptens nicht sowohl ihre Ursache in dem allmählichen Verschlammen der Nilarme, als vielmehr in dem immer weiter eindringenden Sande hat. Wie Ägypten früher ein fruchtbares Land, so war es in demselben Maße ein gesundes. Dafür erklärte es schon Herodot. Seines gesunden Klimas wegen schickte der jüngere Plinius seinen freigelassenen Zosimus dorthin, der an Blutspeien litt. Galen empfiehlt seinen an der Brust leidenden Kranken den Aufenthalt in Alexandrien. Prosper Alpin widmet der Ergründung der Ursachen, warum die Ägypter sich eines so langen Lebens erfreuen, einen eigenen Abschnitt. So liefert dieses wundersame Land auch einen entsprechenden Beweis für unsern oben aufgestellten Satz, dass eine fortschreitende Kultur sich des Klimas bemeistern kann, dass die rückschreitende den schädlicheren klimatischen Einflüssen wieder größere Rechte einräumt. Das Niltal ist erst aus dem Wasser dieses in jeder Hinsicht so merkwürdigen Stroms entstanden. Ursprünglich gar nicht oder in unbedeutenden Anfängen vorhanden, stellte es einen Sumpf dar, den Fleiß und Kunst der Menschen bewohnbar machte. Unter der Herrschaft der Mohammedaner wurden die zur Regulierung der Überschwemmung errichteten Bauwerke vernachlässigt. Mit ihrem Verfalle minderte sich die bisherige Fruchtbarkeit und an die Stelle des früheren Gesundheitszustandes traten, herbeigeführt durch die vielen Ausdünstungen morastiger Miasmen und faulender animalischer Stoffe, Fieber, ansteckende Krankheiten und die ursprünglich im Delta durch Hitze und Feuchtigkeit erzeugte Pest. Denn auch Niederägypten ist jetzt weit mehr von Sümpfen und Morästen durchschnitten, weniger bevölkert und daher viel ungesunder als zur Zeit der altägyptischen Könige. Das Delta hat im Laufe der letzten fünfzehn Jahrhunderte in seinem Innern die bedeutendsten Veränderungen erfahren. Viel urbares Erdreich wurde überflutet und im Verhältnis nur sehr wenig Erdreich am Küstenrande gewonnen. Das Rosenlotus, einst so bezeichnend für ägyptisches Land und Leben, ist gleich der Papierstaude verschwunden, der Weinstock seltener geworden. Dagegen hat Ägypten den dort so ausgezeichnet gedeihenden Reis gewonnen, dessen Kultur freilich auf den Gesundheitszustand sehr ungünstig einwirkt und Fieber, Ödem der Füße und Kachexien erzeugt. — Die Dürre, an welcher die Insel St. Helena so auffallend litt, dass sie oft drei und mehre Jahre anhielt, hat in der neueren Zeit sehr abgenommen. Die Wolken, die sonst ohne auch nur einen Tropfen fallen zu lassen über diesen nackten Felsen hinzogen, fallen nun häufig als Regen auf die nun mit Holz bepflanzten und belaubten Teile der Insel nieder. Auch bemerkt man im Allgemeinen eine größere Feuchtigkeit des Dunstkreises, Phänomene, die bestimmt ihren Grund in der wachsenden Kultur des Bodens haben.