Abschnitt 2

Ueber
die Verdienste des Großherzogs
Friedrich Franz I.
um
die vaterländische Geschichte und
Alterthumskunde


Doch es ist unmöglich, alle die Blumen, welche Sein Leben umdufteten, in einen Kranz zu flechten. Uns ziemt es heute nur, uns Seine Verdienste um die vaterländische Geschichte und Alterthumskunde in's Gedächtniß zurückzurufen, um uns zur Dankbarkeit und Nachfolge aufzumuntern und anzuspornen. Es können aber bei der Kürze der uns zugemessenen Zeit und der großen Fülle des Stoffes nur sehr kurze Andeutungen gegeben werden, welche oft als karg erscheinen können, da sie nur ein Auszug aus dem überreichen Stoffe sind.


Friedrich Franz hatte ganz einen historischen Sinn und trieb mit Liebe und Eifer besonders die meklenburgische Geschichte nach allen Seiten hin, während die Richtung Seines Vorgängers in der Regierung mehr eine theologische gewesen war. Dennoch schien Er in der Jugend wenig Neigung zur Geschichte zu haben. Merkwürdiger Weise berichtet Sein Hofmeister v. Usedom im Dec. 1769 aus Genf:

„Der Durchl. Prinz sind bisher der Historie gar nicht gewogen gewesen.“

Dieses auffallende Urtheil erklärt sich aber sehr leicht dadurch, daß Er damals vorzüglich zu der alten Geschichte in der frühern trockenen Weise angehalten ward, welche Seinem lebendigen Geiste nicht zusagte und nicht zusagen konnte.

Noch merkwürdiger ist aber v. Usedoms frühere Aeußerung vom Nov. 1767 aus Lausanne, welche den rechten Schlüssel zur Lösung dieses Räthsels giebt:

„Die Meklenburgische Geschichte haben Sie von Anfang an meistentheils mit Vergnügen getrieben.“

Damals war der Prinz erst 11 Jahre alt.

Diese Richtung war Ihm in früher Jugend schon von Seinem Vater, dem Prinzen Ludwig, gegeben, welcher die meklenburgische Münzkunde mit so großem Eifer und Erfolge trieb, wie keiner vor ihm und bis heute nach ihm.

Wenn auch der Herzog Friedrich die geschichtlichen Studien nicht Selbst trieb und beförderte, so überkam doch Friedrich Franz beim Abritt Seiner Regierung von Seinem Oheim sowohl sehr tüchtige Räthe, als auch im Staatsdienste in Schwerin eine Reihe von geschichtlich durchgebildet Männern, Zierden unsers Vaterlandes, welche nicht nur in unglaublichem Umfange sammelten, sondern auch eben so gediegen und klar forschten und arbeiteten, in einer Zeit, in welcher die kritische Forschung sich kaum zu regen begann; vor allen andern sind hier zu nennen: der Geheime Rath und Minister Johann Peter Schmidt († 1790), der Regierungs- und Lehns-Fiscal Dr. Ernst Friedrich Bouchholtz, genannt der „Erzfiscal“ († 1790), der Geheime Archiv-Rath Evers († 1803), der Regierungs-Rath Friedrich August Rudloff († 1822), Männer von der gediegendsten Tüchtigkeit und zugleich unerhörtem Fleiße, zu denen sich noch viele andere, wie zur Nedden, Krüger, Faull u. a., gesellten. Die kolossalen Sammlungen dieser Männer, welche keinen vaterländischen Sammlungen anderer Länder nachstehen, sind unter Friedrich Franz nach und nach für den Staat erworben und bilden die Zierden der Regierungs-Bibliothek, zu welcher Friedrich Franz den Grund legte, wie Er die interessante Bibliothek zu Ludwigslust schuf.

Friedrich Franz würdigte, beförderte und schützte aber nicht allein das Streben solcher Männer, sondern arbeitete auch Selbst unermüdlich in ihrem Sinne. Er ward von Seinem gewissenhaften Oheim früh mit aller Strenge zu einer geregelten Thätigkeit, welche Ihm freilich auch Bedürfniß war, angehalten, indem Er in Staatsangelegenheiten aller Art Ausarbeitungen und Erlasse ausfertigen („extendiren“) mußte, wodurch Er Sich eine ungewöhnliche Geschäftskenntniß, Gewandlheit und Einsicht erwarb.

Sobald Er aber die Regierung angetreten hatte, suchte Er Sich Selbst durch eigene Studien und Arbeiten auf dem Felde der vaterländischen Geschichte auszubilden, auf welchem Er früh völlig heimisch ward, zumal Er durch ein vortreffliches Gedächtniß kräftig darin unterstützt ward. Seine Urtheile über meklenburgische Begebenheiten aller Zeiten, selbst über sehr dunkle und unerforschte Ereignisse alter Zeit, waren oft im höchsten Grade überraschend und gaben Zeugniß von Seiner ungewöhnlichen Begabung für Geschichte.