Abschnitt 1

Ueber
die Verdienste des Großherzogs
Friedrich Franz I.
um
die vaterländische Geschichte und
Alterthumskunde


Heute vor einem Vierteljahrhundert strömte eine große, freudige Bewegung durch das ganze Vaterland; Meklenburg beging ein Fest, welches es nie erlebt hatte: sein Herrscher Friedrich Franz I. feierte in voller Kraft und mit bewußter Ueberzeugung den 50. Jahrestag Seiner ereignißreichen, thätigen Regierung, eine Segnung, die Er lebendig und dankbar erkannte. Denn eine Seiner Haupttugenden, welche so viele andere Fürsten unseres Vaterlandes ausgezeichnet hat, war eine begeisterte Vaterlandsliebe, welche sich stark und tief auch darin offenbarte, daß Er alles mit ernstem Eifer und mit Selbstbethätigung pflegte, was die Kenntniß des Vaterlandes zu erweitern im Stande war. Friedrich Franzens Sinn war ganz ein geschichtlicher, und daher konnte man Ihm außer den wohl verdienten Ehren- und Liebesbezeugungen, keine größere Anhänglichkeit und Dankbarkeit beweisen, als daß man einen Bund zur Pflege der vaterländischen Geschichte schloß, um die zahlreichen Unternehmungen, welche er, Allen vorauseilend, auf diesem Felde begonnen hatte, nicht fruchtlos untergehen zu lassen, sondern durch weitere Ausführung lebensvoller und wahrer Bilder die Liebe zum Vaterlande und die Aufopferungsfähigkeit immer mehr zu befruchten und zu beleben. Deshalb stiftete heute vor 25 Jahren zur Feier des großen Jubelfestes eine große Anzahl einsichtsvoller und bewährter Männer einen Verein für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde, dessen Gründung Friedrich Franz freudig begrüßte, indem Er Sich Selbst als Protector an die Spitze stellte. Diesen Tag feiern wir heute in unserm Vereine, hier und wahrscheinlich in vielen engern Kreisen des Vaterlandes, im treuen Andenken an den verewigten Fürsten und zugleich als ein Erinnerungsfest an die lebhafte, große Feier, welche uns Alle vor 25 Jahren beseelte.


Und Friedrich Franz hat ein treues, dankbares Andenken verdient. Friedrich Franz war schon von Natur ein ungewöhnlich begabter Mensch: bei großer Klarheit und Umsicht, vorzüglich aber bei einer Lebendigkeit und Beweglichkeit, welche selten ihres gleichen findet, und dabei von einer unternehmenden Rüstigkeit und ausdauernden Arbeitskraft und Lust, welche oft wahrhaft Staunen erregt, war Er ein geborner Regent; seine Personenkenntniß und seine Gedächtnißstärke sind noch heute berühmt, seine ritterlichen Uebungen angesehen.

Und diese glänzenden Anlagen offenbarten sich schon in Seiner frühen Jugend sowohl in Seiner Geistesrichtung, als auch in Seinem Aeußern. Man kann sich schwerlich ein edleres, feineres, geistvolleres Knabenbild denken, als die allerdings sehr schön gemalten Bildnisse, welche aus Seinen Jugendjahren vorhanden sind. Vorzüglich aber zeigte sich Seine große Begabung schon früh in Seiner Neigung zu allem Edlen und Schönen, namentlich zu den schönen Künsten. Sein Erzieher v. Usedom berichtet über Ihn aus Lausanne schon im Novbr. 1767, als Er kaum 11 Jahre alt war: „Zur Musik zeigen Sie immer mehr natürliche Geschicklichkeit, ich lasse Sie jetzt schon im Generalbasse unterweisen“, und im J. 1781 wird über Ihn berichtet : **) „Die Musik ist eine vorzügliche Lieblingsbeschäftigung Seiner Nebenstunden und Seine Kenntnisse darin gehen so weit, daß Er nicht nurverschiedene Instrumente spielt, sondern auch mit außerordentlicher Fertigkeit auf dem Flügel ganz allein das stark besetzte Ludwigsluster Orchester dirigirt.“

Als Er am 8. Januar 1807 der Gewalt der napoleonischen Armee weichen und Sein Land verlassen mußte, bedauerte Er die Seinigen, that aber dabei den merkwürdigen Ausspruch, „Er Selbst könne Sich allenfalls durch Clavierunterricht Sein Brot verdienen.“

Dieser lebhaften Neigung zu der Musik blieb Er Sein ganzes Leben hindurch treu; namentlich aber wandte sich in reifern Jahren Sein Sinn zu dem vollkommensten Instrumente, der Orgel. Er hatte in jedem Palais, das Er bewohnte, eine kleine Orgel, und einer Seiner ersten Gänge in Seiner Lieblingsschöpfung, dem wunderlieblichen Doberan, war zu der prachtvollen Kirche, um in diesen geweiheten, kunsterfüllten Räumen, dem Todtenfelde Seiner Ahnen, wo Er Selbst zu ruhen beschlossen hatte, die Orgel zu spielen. Seine Hofkapelle, deren sich noch viele unter uns mit Freuden aus Doberan erinnern werden, war eine Gesellschaft von Meistern ersten Ranges und in Europa berühmt; Er war der erste Fürst in Meklenburg, welcher das Schauspiel zu einer öffentlichen, gemeinnützigen Anstalt erhob und ihr, wie schon lange vorher in Doberan, am Ende Seines Lebens auch in Schwerin einen Tempel erbauete. Seine reizende Bildergallerie, welche selbst die Habgier der Pariser Despoten reizte, pflegte Er mit Liebe und Lust, obgleich Seine Regierungszeit den bildenden Künsten nicht besonders hold war; Er war aber doch der erste, welcher die wieder entdeckte Freskomalerei indem musterhaften Regierungsgebäude zu Schwerin in den Norden verpflanzte. Seine zärtliche Neigung zu schönen Blumen, deren Er immer einige in Seinen Wohnzimmern pflegte, blieb bis zu Seinem Tode lebendig, und mancher hat noch in Seinen letzten Lebensjahren die rührendsten Aeußerungen dieser Neigung von Ihm erlebt, wenn Er ihm mit inniger Lust Seine seltenen Pfleglinge zeigte. Seine Offenheit, Wahrheit, Menschlichkeit und Leutseligkeit stimmten harmonisch zu allen diesen edlen Neigungen.




**) Vgl. Th. Nugents Reise durch Meklenburg, aus dem Englischen übersetzt, 1781, Th. II. S. 282, Anm. des Uebers.