Pommern

Nach der allerhöchsten Kabinetts-Order vom 29sten April 1824 soll von der Provinzial-Versammlung in Beratung genommen werden:

ob und was für Vorschläge und Wünsche etwa in Rücksicht der jetzt bestehenden Gesetzgebung über die bürgerlichen und Rechtsverhältnisse der Juden in der Provinz anzubringen sein möchten?


Der Landtag -Versammlung erschien es notwendig, bei den Beratungen über diesen Gegenstand Neu-Vorpommern von Alt-, Vor- und Hinterpommern ganz zu trennen, da in beiden Provinzial-Teilen verschiedene Rechts-Verhältnisse der jüdischen Glaubens-Genossen bestehen.

In Alt-, Vor- und Hinterpommern ist das Gesetz vom 11ten März 1812,

die bürgerlichen Verhältnisse der Juden betreffend,

in Kraft, und musste daher als vorzüglicher Anhalt den Beratungen zum Grunde gelegt werden.

Nach reiflicher Erwägung der Verhältnisse glaubte die Versammlung sich teils einstimmig, teils mit überwiegender Stimm-Mehrheit für folgende Modifikationen und Anträge aussprechen zu dürfen:

1. die Orts-Obrigkeiten zu verpflichten, eine erneuerte Recherche anzustellen, in wie weit von jetzt vorhandenen jüdischen Glaubens-Genossen das Staats-Bürgerrecht gesetzlich erworben und begründet, und da, wo dies nicht erwiesen ist, die gesetzlichen Folgen eintreten zu lassen;

2. dieselben bei Erfüllung der Militär-Verpflichtung streng zu berücksichtigen, um die Vermutung zu entfernen, dass die Abweichung ihrer religiösen Verhältnisse zu erleichterter Exemtions-Berücksichtigung den Anlass geben könne;

3. jeden jüdischen Glaubens-Genossen zu verpflichten, sein Anerkenntnis über das erworbene Staats-Bürgerrecht bei den Behörden seines Aufenthalts niederzulegen, und für jedes Kind bei Niederlassung an einem Orte das Naturalisations-Attest von den Behörden seines frühern Wohnorts beizubringen, und gleichfalls bei den Orts-Behörden niederzulegen, bei temporärer Entfernung dies im Passe zu bemerken;

4. letztwillige Erklärungen, welche nicht in deutscher Sprache abgefasst und in dieser Art vollzogen sind, als ungültig anzusehen;

5. bei Verträgen, denen diese Unterschrift mangelt, es von dem Mitkontrahenten abhängig zu machen, ob derselbe die Gültigkeit anerkennen will;

6. von Verwaltung akademischer Lehr- und christlicher Schulämter, so wie auch von Verwaltung der Gemeinde-Ämter dieselben ganz auszuschließen;

7. dieselben nicht zu öffentlichen Bedienungen und Staats-Ämtern zuzulassen;

8. die Etablierungen auf dem platten Lande von dem Konsense der Orts-Obrigkeit, in den Städten von dem Beschlusse der Kommunal-Behörde abhängig zu machen, und zu bestimmen, dass derselbe bei einem Missverhältnis der jüdischen Einwohner und ihrer Gewerbe-Verhältnisse zu den christlichen versagt werden könne;

9. sie von Erwerbung der Rittergüter mit Patronat-Recht ganz auszuschließen, wenn ihnen ein solches Gut nicht wegen einer Forderung gerichtlich zugeschlagen wird; es aber dann nicht an jüdische Glaubens-Genossen vererben zu dürfen;
(Eine große Mehrheit des Iten und IIIten Standes hat sich jedoch für ihre gänzliche Ausschließung von der Erwerbung der Rittergüter erklärt.)

10. von den Söhnen eines eingebürgerten Israeliten nur einem den Handel en detail zu gestatten, und

11. wenn auch die übrigen sich mit dem Handel en gros beschäftigen dürfen, sowohl von diesen als von demjenigen, welcher sich auf Handel en detail beschränkt, nachweisen zu lassen, dass sie die nötige Geschicklichkeit dazu erworben haben;

12. den Hausier-Handel, zum Verkauf, bei Konfiskation der Waren ganz zu untersagen, für den Aufkauf auf Pferde, Vieh und Wolle zu beschränken;

13. Eingehung von Ehen zwischen Christen und Juden nur unter dem Beding nachzugeben, dass die Kinder in der christlichen Religion unterrichtet und erzogen werden; von jedem Juden aber, welcher heiraten will, der Obrigkeit nachweisen zu lassen, dass er durch ein erlaubtes Gewerbe oder hinreichendes Vermögen eine Familie zu ernähren im Stande ist;

14. fremden Juden nur dann die Erwerbung des Staats-Bürgerrechts zu gewähren, wenn sie ein Vermögen von 10.000 Rthlr. nachweisen, und 2.00 Rthlr. zur Erwerbung eines eigentümlichen Grundstücks im Lande anlegen;

15. Christen, Annahme fremder Juden im Dienst zu untersagen;

16. Schul-Unterricht und Gottesdienst der Juden nur in deutscher Sprache halten zu lassen, und die jüdischen Lehrer und Rabbiner nach einer zu erteilenden Instruktion einer dem entsprechenden Prüfung zu unterwerfen.

Alle diese Einschränkungen sind nur aus dem Gesichtspunkte hervorgegangen, den der Moralität so schädlichen Schacher-Handel der jüdischen Glaubens-Genossen, dem sie sich vorzugsweise hingeben, zu beschränken, ihren Charakter zu veredeln, zu ihrer religiösen und sittlichen Ausbildung hinzuwirken und sie insbesondere zur möglichst vervielfältigten Annahme des Christentums hinzuführen.

                                      *****************************

Für Neu-Vorpommern ist das Gesetz vom 11ten März 1812 noch nicht in Gesetzes-Kraft übergegangen. Nach den besonderen Darstellungen der Abgeordneten dieses Landesteils wurde die Übererzeugung gegeben, dass die dort noch bestehenden alten Landesgesetze und die Bewidmungen und Privilegien der Städte eben so begründete, als beschränkende Verhältnisse feststellen, dass dieselben zur Verhütung einer zu großen Vermehrung der jüdischen Glaubens, Genossen genügen und deren Aufrechthaltung daher eben so wünschenswert als ausreichend erscheint, und die Versammlung hat sich deshalb in dem Wunsche vereiniget:

diese gesetzliche Bestimmung ferner in Kraft zu erhalten, und
dem Gesetze vom 11ten März 1812 auf diesen Landesteil keine Ausdehnung zu geben.