Brandenburg

Se. Majestät der König haben geruht, die aus allen Landesteilen der Provinz, in welchen das Edikt vom 11ten März 1812 über die bürgerlichen und rechtlichen Verhältnisse der Juden nicht in Kraft besteht, gesammelten vollständigen Materialien über die Verhältnisse und den Zustand derselben, den Ständen mit dem Befehle vorlegen zu lassen:

solche in Beratung zu ziehen und darüber sich zu erklären, was für Vorschläge und Wünsche sie in Rücksicht dieses Zweiges der Gesetzgebung für ihren Provinzial-Verband anzubringen haben. Die Stände verehrten den neuen Beweis des allerhöchsten Vertrauens, erkannten die Wichtigkeit des ehrenvollen Auftrags und glaubten nur durch möglich vorurteilsfreie Erwägung, wie ohne Ungerechtigkeit gegen die Juden die allgemeine und die Wohlfahrt ihrer christlichen Mitbürger zu sichern sei, demselben genügen zu können.


Die Verhältnisse der Juden sind in den verschiedenen Landesteilen der Provinz von einander abweichend.

In der Altmark haben sie durch das dort noch gültige Westfälische Gesetz alle Rechte und Freiheiten der andern Untertanen erhalten. Ihre Zahl hat unter der Fremdherrschaft und bis wieder genauere polizeiliche Aufsicht eintrat, durch Einwanderung um das Vierfache sich vermehrt, jedoch ist bedeutender Grundbesitz von ihnen nicht erworben worden.

In Schermeissel gelten für sie die Posenschen, in Cottbus die alten Preußischen, in den vormals Sächsischen Distrikten und der Niederlausitz die Sächsischen Gesetze.

Zahl und Besitzstand haben hier nicht bedeutend sich geändert. In den übrigen Marken, wo das Edikt vom 11ten März 1812 in Kraft getreten ist, hat seitdem ihre Zahl etwa um ein Viertel sich vermehrt und sie haben viele städtische Grundstücke, auch größere Landgüter erworben.

In der Altmark wünscht man Abänderung des Westfälischen Gesetzes sehr dringend; in den Teilen, wo strengere Beschränkungen noch Statt finden, ist unbedingte Einführung des Edikts vom 11ten März 1812 nicht Wunsch.

Auch da, wo es gesetzlich in Kraft steht, glaubt man, dass der Erfolg der wohlwollenden Absicht nicht entsprochen habe; die Juden scheinen nicht wesentliche Fortschritte in der Bildung gemacht zu haben; die Erlaubnis zur Ergreifung anderer Erwerbmittel ist höchst selten von ihnen benutzt und sie sind mit wenigen Ausnahmen beim alten Gewerbe, dem Handel, die ärmeren beim Schacherhandel geblieben. Man wünscht in mehreren Punkten beschränkendere Abänderungen des Gesetzes.

Die Vermehrung der Judenschaft durch fremdes Einwandern schien auch den Ständen bedenklich, die vielmehr ehrerbietig anheim gaben, ob bei den in andern Staaten, namentlich in Polen ergriffenen Maßregeln, die Aufnahme der Juden nicht den alten Einschränkungen unterworfen und der allerhöchsten Erlaubnis Sr. Königlichen Majestät selbst vorbehalten bleiben möchte. Auch das Herumziehen aus einem Regierungs-Bezirk in den andern dürfte niemals zum Ansiedeln und nur zum Handel auf großen Messen zu gestatten sein.

Sollen aus den Juden, besonders der ärmeren Klassen, dereinst gute nützliche Untertanen werden, so möchte dieses nur durch zweckgemäße Bildung der Jugend möglich, und hierzu ein Hauptmittel sein, wenn alle Judenschulen geschlossen würden, der Religions-Unterricht nur von geprüften, unter Oberaufsicht gestellten Lehrern erteilt werden dürfte und die Kinder zur Erlernung alles Übrigen die christlichen Schulen besuchen müssten. Wenn alsdann die Obrigkeiten dafür sorgten, dass die jüdischen Knaben, die in der Schule mit den Christen-Kindern und selbst mit den bürgerlichen Verhältnissen bekannter geworden sind, bei guten Meistern zu einem bessern Gewerbe, als dem väterlichen Schacherhandel angeleitet, und dass die jüdischen Mädchen als Dienstboten bei ihren Glaubensgenossen, die christliche in Zukunft nicht halten dürften, untergebracht würden, so ließe von der künftigen Generation ein Besseres, als von der gegenwärtigen sich erwarten.

Die Erfüllung der Militärpflicht wird besonders durch dreijährigen Dienst ein vorzügliches Bildungsmittel werden können.

Die Erlaubnis zum Heiraten dürfte nur, wenn die Mittel zur Erhaltung der Familie, die zum Anfang eines stehenden Handelsgewerbes, nur wenn hinreichendes Vermögen, guter Ruf, und dass die Handlung ordentlich erlernt sei, nachgewiesen worden, erteilt werden. Für den Erben möchte billig zur Fortsetzung der Handlung nur beides Letztere erforderlich sein. Nur in den Städten, nicht aber auf dem Lande, dürften jüdische Kaufleute sich besetzen, letzteres nur den jetzt vorhandenen für ihre Person, nicht für ihre Erben gestattet bleiben. Aller Hausir- und Schacher-Handel wäre ganz zu untersagen, und der Jude dürfte nicht Apotheker und nicht Gast- oder Schankwirt, als allein für seine Glaubensgenossen werden, auch würde streng darauf zu halten sein, dass er bei sonst nützlicher Annahme eines eigenen Zunamens nicht den einer geachteten Familie wähle.

Wie dieses, so war auch die Ansicht der Stände, dass die jetzigen Besitzer und Intestat-Erben zwar das erworbene Grundeigentum ungestört behalten müssen, dass aber künftig in den Städten ein Jude nur an seinem Wohnort, und nur ein Haus und einen Garten, ein Mehreres allein nach dem Ermessen des Magistrats und mit ausdrücklicher Genehmigung der Regierung, in einzelnen Fällen erwerben dürfe, und dass auf dem Lande der Ankauf eines Ritterguts, da das Gesetz ihm die Standschaft abspricht, und eines Ahn- oder Erb-Schulzenguts, da er zum Amte nicht tauglich ist, ganz zu verbieten sei. Nach ihrer einstimmenden Meinung solle er ein anderes Bauern- oder Kossätengut nur unter der Bedingung erwerben dürfen, wenn er allem Handel entsagt, keine jüdische Mietsleute einnimmt und mit seinen Kindern den Boden selbst bearbeitet; und wenn er das letztere binnen 6 Monaten nicht erfüllt, müsse das Gut zum notwendigen Wiederverkauf gebracht werden. Die Mehrheit der Versammlung glaubte, dass in jedem Dorfe von wenigstens 10 Höfen nur eine jüdische Familie und nur mit einem Gespann haltenden Hofe, in kleinern aber gar keine sich ansiedeln dürfe; der gesamte zweite Stand hielt jedoch diese Beschränkung für die Städte, da dort weit mehr gestattet werde, unbillig und nachteilig, und da der Landbau das beste Mittel sei, den Juden vom Handel abzubringen, auch nicht für zweckgemäß.

Die Stände haben geglaubt, die allergnädigsten Befehle nur dadurch befolgen zu können, wenn sie ehrfurchtsvoll aber freimütig Ihre Ansichten und die Resultate ihrer Erwägungen zur weiteren Prüfung vorlegten. Sie erwarten vertrauensvoll von der Weisheit Sr. Königl. Majestät, was sie zum Besten des Landes über diesen wichtigen Punkt der Gesetzgebung entscheiden wird, und eben so, ob der Gedanke Anwendung finden könne, dass die Gesetze über die Juden, die nur nach dem gegenwärtigen Standpunkt derselben sich richten können, in Zeiträumen von einer Generation neuer Prüfung zu unterwerfen und nach Maßgabe, wie solcher alsdann sich gestaltet, abzuändern sein möchten.

Graf v. Alvensleben.