Den 4. August

Den 4. August früh um 5 Uhr reisten wir von Zwiefalten weg, weil wir noch am nämlichen Tage zu Weißenau eintreffen wollten. Der gnädige Herr war so herablassend, uns noch einmal beim Frühstücken mit seinem Besuche zu beehren. Es war ein neblichter Morgen, der uns die Aussicht wegstahl. Die Reise ging über Riedlingen, ein österreichisches Städtchen in der Grafschaft Altdorf, wo wir die Donau zum letzten Male übersetzten, nach Neufrach-Heutingen, Mengen, eine Stadt im Österreichisch-Nelleburgischen, wo das Stift St. Blasien ein Priorat hat, und da war es, daß wir auf unserer ganzen Reise zum ersten Male den Weg verfehlten; wir mußten etwa wieder um eine Stunde zurück und so hatten wir im Hin- und Herfahren eine ganze Post versplittert. Hernach kamen wir über Hermetingen nach Sulgau (Saulgen in der Landessprache), den Stammort des hl. Meinrad oder Meginhardt, der auch Patron dieses österreichischen Städtchens ist1). Noch eine Poststation, und nun waren wir bei der Landkommende Alshausen. Das Schloß des Laudkommenthurs ist, vom äußerlichen Ansehen zu urteilen, prächtig; auch soll diese Landkommende eine zahlreiche und wohl ausgewählte Bibliothek besitzen. In der Nähe des Schlosses sind einige Weiher, welche gegen die schönen Kornfelder und Wälder gut abstechen. Der jetzige Herr Landkommenthur ist der vollkommene Antipode seines Vorfahren. Er macht durch seine ordentlich eingerichtete Sparsamkeit alles das wieder gut, was derselbe durch übertriebene Pracht, Musik usf. mit beträchtlichem Verfalle der Landkommende vernachlässigt hat. Er ist zugleich Kommenthur auf der Insel Mainau, begnügt sich mit den mäßigen Einkünften derselben, und wendet alle Einkünfte der Landkommende ganz zur Tilgung der Ordensschulden an. Allein er wird dem ungeachtet seine Kommende verlassen und sich aus der Landkommende erhalten müssen. Die jungen Herren Deutschritter, welchen der Charakter eines Exspektanten lange schon zur Last geworden, möchten auch einmal gerne am Brette sitzen und ihre Talente, die sie im ökonomischen Fache und in der Regierungskunde zu besitzen glauben, an den Tag legen; der Landkommende mag dann aufhelfen, wer da kann und Muße und obendrein noch den Willen dazu hat. Nachdem wir uns hier wegen der wackern Vorsorge der gnädigen Frau Postmeisterin fast zu Tode auf Postpferde gewartet hatten, setzten wir unsere Reise erstlich aus einer herrlichen Straße, ganz mit den schönsten Alleen besetzt, durch einen an. genehmen an einem Weiher gelegenen Wald, und dann bei Spitzreuthe über eine große, sehr steile Steige herab fort, und nun wieder das prächtige Weingarten im Angesichte. Wir ließen es, obgleich heute der Namenstag des Herrn Prälaten war, nach einiger Versuchung liegen und kamen nun über Altdorf zum zweiten Male zur Reichsstadt Ravensburg, und damit wir das Pflastergeld nicht, wie das erste Mal vergebens bezahlen dürften, fuhren wir mit allem Fleiße durch einen Teil der Stadt, worin der berühmte Jurist Herr von Beck Bürgermeister ist. Die Stadt ist überhaupt schlecht gebaut, weder groß noch fest, und zum Teil an einen Hügel hingestreckt. Wir kamen noch zur rechten Zeit in dem Prämonstratenser Reichsstifte Weißenau (Augia alba, suevica, minor) an, und machten dem gnädigen Herrn Karl2), welcher eben von Weingarten zurückgekommen war, unser Kompliment, das er sehr gefällig beantwortete.

Die Abtei liegt an dem Flüsschen Schuß. Die Gebäude sind nicht neu, doch symmetrisch und prächtig genug. Auf den Abend stunden wir an, ob wir nicht noch (weil wir noch Zeit hatten) über Wangen nach der Stadt und Abtei Isny einen Nebensprung machen wollten, allein auf die Vorstellung, daß wir da nicht viel Merkwürdiges sehen würden und auch weil wir uns für diesmal recht satt an Klöstern gesehen hatten, ließen wir uns auf die dringende Einladung unserer Gastgeber bald dahin bringen, den folgenden Tag hier Rasttag zu halten, welches uns auch in der Folge nicht reute. Aber wir hatten uns seit einigen Tagen den Schlaf abgebrochen, und diesem Übel steuerten wir jetzt zuerst.


1) Nach P. Karl Brandes, Leben und Wirken des hl. Meinrad, Einsiedeln 1861 war die Heimath des Heiligen vielmehr Sülchen, ein jetzt abgegangener Ort in der Gegend des jetzigen Rottenburg am Neckar. Erst in spätern Jahrhunderten entstand die irrige Annahme von der saulgauischen Herkunft; daher in der Stadtkirche zu St. Johann ein Altar des heiligen Meinrad; auch eines der jetzt abgebrochenen Stadttore war früher nach dein Heiligen benannt und hatte ein Standbild desselben getragen.

2) Abt Karl, erwählt den 17. Januar 1784. Freiburger Diözesan-Archiv 18, 254.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Süddeutsche Klöster vor hundert Jahren