Den 5. August

Dann besahen wir den folgenden Morgen, den 5. August, nachdem wir unserer Andacht gepflogen hatten, die Kirche, ein mittelmäßiges Gebäude mit zwei zierlichen Kuppeltürmen. Unter den Altären ist der einzige Speisealtar, der vorne am Chore stehet, merkwürdig, ganz aus Alabaster im herrlichsten antiken Geschmacke gebaut, eine glückliche Nachahmung der Altäre des benachbarten Salem. Die Kirche hat eine Galerie, eine Sache, welche sehr bequem ist, und die ich deswegen, wo ich sie fand, bemerkt habe. Jetzt wieder Konventgebäude, Studierzimmer, Gastzimmer, Säle usw., alles wie in andern Klöstern; hernach eine Visite bei meinem Korrespondenten Herr Bibliothekar Bonaventura Brem1) im Büchersaale. Dieser Saal steht an einem sehr schönen, aussichtreichen Orte; er ist ziemlich groß, ohne Galerie, und also nur einstöckig, unter den Manuskripten, deren Anzahl nicht gering ist, mag ein Band alemannischer Gesetze vom IX. oder X. Jahrhundert der merkwürdigste sein, über dieses Alter erhebt sich kein Codex, aus allen übrigen Manuskripten, die meisten sind vom 12.—13. Säkulum, überhaupt von theologischem Inhalt, und dann Legenden und Aszeten. Aus der zahlreichen und in der Tat kostbaren Sammlung alter Druckdenkmale ist besonders ein kleiner alter Psalter in 8° und noch andere Werke von Fust, auch auf Pergament gedruckte, merkwürdig, und ich muß diese Sammlung als eine der vollzähligsten rühmen, die ich auf unserer Reise gesehen habe, überhaupt aber, diese Klasse weggerechnet, zeichnet sich die Bibliothek in keinem Fache besonders aus, obgleich in jedem gute Bücher anzutreffen sind. Das literarisch-philologische Fach liegt hier, so wie in mehreren dergleichen Bibliotheken, so ziemlich, öde, allein dafür gibt es desto mehr alte Juristen, Theologen, Aszeten, Scholastiker, Polemiker und alte Philosophen, womit man gemeiniglich an diesen Orten wohl versehen ist. Von Werken, welche in die Kirchengeschichte einschlagen, habe ich mir des Colletus Adparatus Conciliorum in XXV Vol. in folio, Venetiis, und von der Schwäbischen Geschichte des Wegelini Dissertationes de rebus Suevicis in vier Foliobänden, Lindoviae, 1755 und dann noch die rare Sammlung Spanischer Geschichtsschreiber in fünf Foliobanden gemerkt. Noch andere gute Werke, die dies Stift mit andern gemein hat, kommen unten vor.

1) Der letzte Abt des Klosters, erwählt 1794. gestorben in Weißenau 4 Aug. 1818. Freiburger Diözesan-Archiv a. a. O.


Mittags speisten wir im Refektorium, wo in Ansehung unser dispensiert1) war. Der Ort ist schön, und mir wurden mit einer netten Tafelmusik ergötzt. Wir trafen hier einen durchmarschierenden Kapuziner von Wangen an, der sich durch seinen heiligen Eifer von verschiedenen Orten, und auch von dieser berühmten des heiligen Römischen Reiches freien Stadt weggepredigt hat. Vielleicht, daß er noch einige dergleichen apostolische Wanderungen machen wird. Den Nachmittag brachten wir durch die gnädige Obsorge des Herrn Reichsprälaten recht vergnügt zu. Wir fuhren nämlich in Gesellschaft des Herrn Archivars Peter, eines sehr feinen gelehrten Mannes, und dann des Herrn Bibliothekars an den Ort, der Ralle heißt und nur etwa eine halbe Viertelstunde vom Kloster entfernt ist. Ein wahrer Ort der unschuldigsten Ergötzung. Oben auf dem Hügel ist ein schönes, weitläufiges Gebäude mit ordentlichen Zimmern ländlich ausgeziert, das den Herren von Weißenau zum Rekreationsorte dient. Daneben sind noch verschiedene Ökonomiegebäude, z. B. eine Bierbrauerei, eine Sennerei usw. angehängt, welche sämtlich ein schönes Aussehen machen. Den großen Garten, der um dies Gebäude herumgezogen ist, und sich aus der einen Seite bis in die Ebene über den Berg herabzieht, könnte man fast Nymphenburg im Kleinen nennen, so niedlich und geschmackvoll wechselt hier alles ab. Einst war es eine öde Wiese, und ein Prälat ließ es zur Zeit einer Teuerung zum Paradiese umschaffen, und verschaffte dadurch seinen daran arbeitenden Untertanen Brot, seinen Mitbrüdern und Mitmenschen, denn dieser Ort darf von Jedermann besucht werden, eine Ergötzung, und sich selbst ein rühmliches Andenken.

1) vom Stillschweigen und der Tischlesung.

Jetzt eine kurze Beschreibung davon, unten an der Ebene ist durch die ganze Strecke dieses Gartens mit vieler Mühe ein kleiner See ausgegraben, den man mit einem eigens dazu ausgerüsteten kleinen Schiffe befahren kann. Aus diesem See ist, nebst einigen Wasserspielen, eine kleine Insel angelegt, worauf sich ein Blumengarten und ein kleines Lusthäuschen befindet. Die Erde, welche man, um diesen See zu bilden, ausgegraben hat, ist zu einem kleinen Berge aufgetürmt worden, und aus diesem Hügel steht wieder ein niedliches Häuschen, wozu man durch schöne grüne Brustwände hinansteiget. Neben diesem Berge ist eine Hütte, worin das Schiff gleich als in einem sichern Hafen eingeschlossen, immer im Wasser stehen bleibt. An dieser Schiffstelle beschäftigen sich zwei Zimmerleute, ganz nach der Natur, mit Holzsägen, und eine oben zum Fenster herausguckende Figur gibt dem herannahenden Zuschauer mit dem Kopfe gewisse Zeichen; alle diese Figuren werden von Wasserrädern getrieben und haben ein so natürliches Aussehen, daß ihnen schon viele Fremde von ferne zuliefen, mit ihnen zu reden, welches auch einem von unserer Gesellschaft begegnete. Etwa 12 andere Springwasser, Alleen von Zederbäumen, listig verborgene und aus einmal überraschende Vexirwasser machen eine angenehme Abwechselung. Noch sind besonders ein Grottenwerk und ein Springwasser nicht zu übergehen. Aus dem Springbrunnen laufen an einem Kreise die zwölf Zeichen des Zodiacus in ununterbrochener Folge herum. Das schöne und ziemlich große Grottenwerk ist mit allem Zugehör geziert, unter anderm auch mit Bildern und Figuren allerlei Arten Gewildes, welche auf einander zufahren und Wasser speien, mit Schützen, welche Wasser schießen, mit andern zusammengesetzten Figuren, welche vermittels des Wassers allerhand schaurige Dinge verrichten, z. B. ein Schleifer, der seinem Kameraden die Nase wegschleift, ein Schütze, der eine Zielscheibe im Zirkel herumschießt, und was dergleichen Zeug mehr sein mag. Auf dem Berge hinter dem großen Gebäude ist eine schöne Solitüde angebracht. Sie besteht aus einem Irrgarten, der aus lauter Wänden von lebendigen Tannenreisern gestaltet, und auch hin und wieder mit größeren Tannen und andern Bäumen besetzt ist. In der Mitte dieses Irrgartens steht eine Eremitage, deren unterstes Stockwerk mit Statuen alter Einsiedler ausgeschmückt und die Wände alle mit Binsen bekleidet sind. In der Mitte dieser Zelle ist wieder ein artiges Grotten- und Wasserwerk, mit Muscheln, Korallen usf. versetzt von einem geistlichen Gegenstande. Das obere Stockwerk dieser Einsiedelei dient zu einem Lusthäuschen. Der ganze Garten schließt sich endlich mit einem Walde1).

1) Das Prämonstratenserkloster Weißenau, so genannt vom weißen Gewande der Mönche, 1145 gestiftet, ward 1802 aufgehoben und die Gebäulichkeiten für eine Appreturanstalt, neuestens für Aufnahme von Geisteskranken verwendet; die Klosterkirche wurde zur Pfarrkirche bestimmt. Vgl. Hist-pol. Bl. 102, 658—661. — Freiburger Diözesan-Archiv 18, 247—254.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Süddeutsche Klöster vor hundert Jahren