Den 26. Julius

Den 26. Julius besuchte ich die dasige Pfarrkirche, ein gotisches Gebäude, wo ich, einige Monumente und das Sakramentshäuschen1) ausgenommen, nichts Merkwürdiges fand. Der kaiserheimsche Beamte hatte die Güte, uns in das Benediktinerkloster zum hl. Kreuz zu führen, wo mir vom Herrn Prälaten Gallus2) sehr verbindlich aufgenommen wurden. Das Kloster liegt ganz am Ende der Stadt, noch innerhalb und dicht an ihren Mauern; es hat aber keinen eigenen Ausgang als nur durch die Stadt, deren Tore ziemlich weit davon entlegen sind, welches dem Kloster sehr unbequem fallen muß. Das Gebäude ist überhaupt neu, und so viel es der Raum zulässt, regulär gebaut und die nicht unfeine Kirche mit einer Galerie versehen. In einer alten Kapelle wird die große Kreuzpartikel noch in eben jener Fassung aufbehalten, in welcher sie die Stifter dieses Ortes hierher verehrt haben3). Es ist halb erhabene Arbeit von vergoldetem Silber im gotischen Geschmacke. Hier ist auch der Begräbnisort der Äbte. Der berühmte Professor Beda Mayr4) wurde sogleich auf unser Begehren uns vorgeführt, der uns dann in den Bücher-Saal, der noch neu ist und auch eine Galerie hat, begleitete.

1) Sighart, Gesch. d. bild. Künste 465, 519.


2) Abt Gallus Hammerl, geb. zu Donauwörth 8. Juli 1730, Profeß 24. Okt. 1751, Priester 29. Sept. 1755, zum Abt erwählt 3. Juli 1776, starb den 18. Mai 1793. Lindner, die Schriftst. d. Ben.-Ord. im Kgr. Bayern II, 136. 284.

3) Von Graf Mangolt im Jahre 1030 aus dem Orient gebracht. Sighart a. a. O. 132.

4) P. Beda Mayr, geb. zu Taiting 1742, machte Profeß 1762, las die erste hl. Messe den 6. Januar 1766, war Professor der Theologie, Bibliothekar und Prior und starb den 28. April 1794. S. Linderer, Die Schriftsteller d. Benedict.-Ord. im Königr. Bayern II, 137 bis 141.


Die äußere Verzierung ist nicht sonderbar, doch ist die Bibliothek nett und ordentlich, und es werden auch nach und nach alle Gattungen Bücher angeschafft, so daß sich schon einige Klassen gut ansehen lassen. Es gibt darunter auch einige alte Druckdenkmale; von Manuskripten aber läßt sich nichts Beträchtliches sagen; Feuersbrünste, Kriege und andere Zufälle haben sie den Wünschen der Nachkommen entrissen. Im mathematischen und physikalischen Museum sind die optischen Instrumente die stärksten; in der kleinen Naturalien-Sammlung findet sich auch eine Sammlung aller Arten Baum-blattet1).

Nachmittags fuhren wir mit den Pferden des kaisersheimichen Oberbeamten nach der berühmten Sisterzienser-Abtei Kaisersheim, welche etwa eine Stunde von Donauwörth entfernt sein mag, deren Anblick durch einen Wald dem Reisenden so lange vorenthalten wird, bis er fast an ihre Mauern hinkommt. Auf dem Wege betrachteten wir den uns nahe zur Rechten gelegenen Schellenberg, welcher wegen der Niederlage der Franzosen im Anfange dieses Säkulums berühmt wurde. Die Reichsabtei Kaisersheim liegt zwar eigentlich im Herzogtum Neuburg, sie gehört aber dennoch zum schwäbischen Kreise, wohin auch der Herr Prälat als ein freier Reichsstand Sitz und Stimme aus dem Prälaten-Kollegium hat. Wir wurden von ihm auf eine recht einnehmende Art aufgenommen. Gleich waren die Pferde umgespannt, und wir in einer angenehmen Gesellschaft von etwa sieben Kapitularen auf einer Wurst2) in die zwei Stunden davon entlegene Sommercampagna hingeführt. Der Luftort heißt Leitheim und liegt über der Donau auf einer Anhöhe. Das Gebäude ist schön und gleicht einem Palaste, auch ist es rings herum mit schönen Gärten, Weinbergen u, s. f. umgeben, und ihm zur Seite ist eine große Kapelle angebaut. Die Gemälde des Palastes und alle Decken des Palastes überhaupt sind von der geschickten Hand des alten Götze von Augsburg in Fresko ausgeführt. Die Aussicht ist schon abwechselnd und vielleicht die schönste in diesen Gegenden; aber mit schweizerischen Bergpanoramen kann sich dieser Ort gleichwohl nicht messen. Von Städten sieht man hier Neuburg, die Hauptstadt der obern Pfalz, Augsburg u. s. w. Von andern Orten, die wir hier sahen, sind Lechsgmünd und Kreispach, zwei alte Burgen, deren eine fast ganz zerfallen ist, merkwürdig. Es waren einst die Stammsitze der Stifter von Kaisersheim. Ich dächte doch, so ein vermöglicher Ort wie Kaisersheim sollte die Denkmale seiner Guttäter nicht im Staube modern lassen. Hier in Leitheim und noch an verschiedenen Orten sahen wir die traurigen Reste der im verwichenen Hornung ausgetretenen Flüsse noch kenntlich.

1) Das Kloster Donauwörth wurde 1803 aufgehoben und kam an den Fürsten Oettingen-Wallerstein. Seit 1876 befindet sich darin das bekannte Cassianeum des Direktors L. Auer. Die ehemalige Klosterbibliothek ist in Maihingen.

2) Wurst, ein offenes, schmales, vierräderiges Fuhrwerk.


Nach unserer Rückkunft hatten wir eben noch ein paar Augenblicke übrig, die Klostergebäude, die just vor unserm Zimmer lagen, mit flüchtigem Auge zu übersehen. Bei der Abendtafel hatten wir Gelegenheit, den berufenen Professor Ulrich Mayr1) kennen zu lernen, der wegen seiner Fehde mit den römischen Bücherzensoren sich bekannt gemacht hat. Er verteidigte einige anstößige Sätze2), er sollte öffentlich und schriftlich widerrufen, allein sein Prälat und selbst der Hof von Mannheim nahmen sich seiner an, die Sache blieb still, und er bei seiner Stelle unangefochten. Diese Geschichte trug sich an einem Orte der obern Pfalz zu, wo er als Professor angestellt war. Seine Stärke besteht im Fache der Kirchengeschichte, worin er jetzt wirklicher Professor im Kloster ist.

1) Geboren zu Kirchheim bei Nördlingen 1743, war Bibliothekar in Kaisersheim, auch Hofkaplan des Herzogs von Württemberg, ward 1798 Pfarrer zu Altingen in der Österreichischen Grafschaft Hohenberg.

2) Zwei Dissertationen: De nexu historiae litterariae cum studio theologico und De nexu statisticae ecclesiasticae cnm jurisprudentia ecclesiastica, Nordl. 1773.


Hier rücke ich eine kleine Beschreibung von dem Klostergebäude ein, so viel ich in so kurzer Zeit bemerken konnte. Das Gebäude überhaupt ist jenem von Salem ziemlich gleich und auch eben so weitläufig. Die Gastzimmer, der große Saal, die Stiegenhäuser sind außerordentlich prächtig, mit schönen weitläufigen Gärten, in welchen auch eine Art von Reitbahn angebracht ist. Die Wohnung des Herrn Reichsprälaten ist mit allen Gattungen der kostbarsten Meubles, von etwa 7—9 Repetieruhren, Glockenspielen, Porzellan-Figuren, Servicen und andern seltenen Geräten ausgeschmückt und überhäuft, eine Nachlassenschaft des verstorbenen Vorfahrs1), welcher sehr viel auf Pracht hielt; er war wirklicher Pfalzbayerischer geheimer Rat, und des Elisabeth-Ordens Groß-Almosenpfleger — und diese schönen Titel und die damit verbundenen kostspieligen Reisen und Aufenthalt in München und Mannheim kamen dem Stifte teuer zu stehen. Sonst ist er noch als ein sehr freigebiger und freundlicher Herr bekannt und wird auch nach seinem erfolgten unvermuteten Tode jetzt noch geliebt und bedauert. Noch sei es ihm zum Ruhme gesagt, daß er große Summen für literarische Kenntnisse und Anschaffung der ausgewähltesten Bücher verwendete. Der jetzige Prälat2) macht ansehnliche Reduktionen in seinem Staate, und nur in seinem Hofstalle mußten über 70 Pferde seinen ökonomischen Geist durch ihre Entlassung fühlen. Um das ganze Klostergebäude ist eine Mauer mit einem bedeckten Gange aufgeführt, auf welchem man um das ganze Gebäude herumgehen kann.

1) Abt Cölestin II. Angelsprucker, geboren zu Augsburg 1726, zum Abt erwählt 1771, vom Schlag getroffen am 26. September 1783. Reithofer, Die letzten 31 Jahre von Kaisersheim, München 1817, S. 5 ff.

2) Franz Xaver Müller, geboren zu Westhausen im Ellwangischen 1741, Profeß 1764, Priester 1767, zum Abt erwählt den 23. Oktober 1783. (Reithofer a. o. O. S. 13 ff.) Er erhielt bei der Aufhebung des Klosters im Jahre 1802 eine Pension und das Lustschlösschen Leiten. In den Klostergebäuden wurde 1816 ein Strafarbeitshaus eingerichtet. Selbst der Name ward geändert und fortan Kaisheim geschrieben. Abt Franz Xaver starb am 4. Nov. 1817. Vgl. Kalender f. kath. Christen 1872. Sulzbach S. 85—93.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Süddeutsche Klöster vor hundert Jahren