Jalta

Der nächste Morgen fand uns nicht gerade poetisch angeregt; der Himmel hatte sich wieder bezogen, Jalta starrte von einer unergründlichen Schmutzkruste, und das Hotel de Jalta, das beste des Orts, ließ es sich nicht nehmen, auch in dieser Hinsicht das erste zu sein; ich entsinne mich auf der ganzen Reise nur einmal ein ähnlich schmieriges Nachtquartier gehabt zu haben, und das war ein Kuhstall in Kurdistan. Von Ausflügen in die Umgegend konnte keine Rede sein, und wir brachten den Tag damit zu, die Stadt, wenn man den kleinen Ort so nennen will, zu besichtigen und unsere nassen Sachen zu trocknen. Jalta ist ein Ort, der eine Zukunft hat. Ziemlich in der Mitte des landschaftlich schönsten Teiles der Südküste gelegen, und im Besitze einer guten Reede, die das Anlegen der Schiffe außer bei ganz heftigem Südostwinde immer gestattet, muss es der Ausgangspunkt aller derer werden, die in diesem herrlichen Landstrich sich zeitweilig niederlassen wollen. So entstanden rings um Jalta, nachdem Fürst Worontzoff den Anstoß gegeben und mit dem guten Beispiel seines prächtigen Landsitzes in Alupka vorangegangen war, eine Menge Villen, der russischen Aristokratie gehörig, und von derselben zur Villeggiatur im Sommer und Herbst, ja bis in den Winter hinein besucht; das Klima, dem der Corniche zwischen Nizza und Genua ähnlich, und für Leidende sehr zuträglich, macht diese Besitzungen doppelt wertvoll. Wer aber, ohne im Besitze einer Villa zu sein, und ohne eine solche mit voller Ausrüstung für einige tausend Rubel für die Saison mieten zu wollen, die Schönheit der Gegend genießen will, tut wohl, einige Jahre zu warten, bis die im großartigsten Stile projektierten Badeetablissements und Hotels in Jalta fertig geworden sind, denn jetzt findet er dort nur Hotels, die abgesehen von ihrem Schmutze, selbst mäßigen Ansprüchen kaum genügen. Die Badeeinrichtungen sind ebenfalls äußerst primitiv; gerade da angelegt, wo ein kleiner Bach seine schmutzigen Fluten mit städtischen Reminiscenzen zusammen in die Bai ergießt, vermittelt das Etablissement die Trennung der Geschlechter nur durch eine mit Tüchern behangene Leine; zur Zeit meines Besuches hatte ein Sturm jedoch die Tücher weggespült und die Leine war im Bewusstsein ihres sittlichen Berufs allein geblieben. Auch Cafés, Restaurants und Leseräume fehlen gänzlich, und für das gleichfalls abwesende Straßenpflaster wird man nur durch die tägliche Nachmittagsmusik am Strande, von der Kapelle eines russischen Infanterieregiments ganz gut ausgeführt, entschädigt. Es versteht sich, dass ein Reisender, der nicht die Absicht hat, etwa längere Zeit zu verweilen, sich durch solche kleinen Mängel von einem Besuch der Südküste nicht zurückschrecken lassen wird.