Fahrt nach Jalta. – Das Baidartor

Am nächsten Morgen hielt die um 7 Uhr auf der Post bestellte Telega um 10 Uhr endlich glücklich vor der Tür des Gasthofs; wir klemmten uns hinauf, so gut es der Mangel an Raum erlauben wollte und sagten Sebastopol Lebewohl. Erst einige hundert Schritte waren wir aus dem Tore hinaus auf das Plateau vor Sebastopol gekommen, als ein militärischer Posten uns bedeutete, dass die Straße Schießübungen halber gesperrt sei, zugleich gab er dem Postillon den Weg an, auf welchem wir das verbotene Terrain umfahren könnten, wir lenkten also vertrauensselig von der Straße ab und fuhren über das freie Feld, als wir plötzlich ein aus dem letzten Kriege wohlbekanntes Geräusch hörten, und nach einigen Sekunden eine Kugel etwa fünfzig Schritt zu unserer Linken einschlug, glücklicherweise ohne zu krepieren. Wir machten dem Jemschtschik (Postillon) auf etwas handgreifliche Weise klar, dass wir bald aus dem Bereiche des Feuers heraus zu kommen wünschten, die Pferde schienen die Aufforderung zu verstehen und wir umfuhren in langem Galopp den Rest des gefährdeten Terrains. Der Abfall des Plateaus von Sebastopol nach der Bai von Balaclava zu, die Sapunberge, war bald erreicht und die historische Bai selbst, tief in den Felsen eingeschnitten, und vor allen Seewinden geschützt, blieb zu unserer Rechten liegen. Jenseits der Talsenkung erhebt sich das mächtige Gebirge, welches den Südrand der Krim bildet; schön von Formen, zeichnet es sich in seinen Schluchten und Tälern vorzüglich durch einen üppigen Pflanzenwuchs aus, und sticht äußerst wohltätig gegen die kahle gelbe Steppe und die öden Höhen bei Sebastopol ab. Unser Weg trat in ein romantisches kleines Tälchen und führte zwischen dicken Büschen, denen unzählige Vögel, namentlich wieder Schwärme der Mandelkrähe, Leben gaben, aufwärts zur ersten Poststation, wo die Pferde gewechselt wurden und weiter in das Tal, oder eher den Kessel von Baidar, ein kleines irdisches Paradies, im üppigsten Grün prangend und gegen jeden rauen Wind geschützt. Leider entsprechen im Orient die Dörfer, die man in solchen Gegenden findet, nicht immer der Poesie ihrer Lage; so machte auch das Dorf Baidar, zum Teil mit Ansiedlern aus Russland besetzt, einen verhältnismäßig recht nüchternen Eindruck. Die Straße wand sich weiter in vielfachen Kurven die Berge südlich des Tales empor, und erreichte bei der zweiten Station das berühmte Baidartor. Die Aussicht ist eine der, überraschendsten, die Europa kennt; während nach rückwärts das freundliche Tal den Augen entschwindet, erscheint vorn urplötzlich in einer Tiefe von 1500 Fuß das Meer, eingerahmt von wildgroßartigen, fass senkrecht abstürzenden Felsen; der Kontrast ist noch effektvoller dadurch gemacht, dass auf der Passhöhe die Straße durch einen kleinen Tunnel hindurchführt, so dass der Gegensatz ganz unvermittelt eintritt. Leider sollte unsere Freude keine reine sein; denn nachdem wir im schnellsten Tempo die Serpentinen hinuntergesaust waren, stellte sich ein so sündflutliches Unwetter nebst Sturm ein, dass wir nebst unseren sämtlichen Sachen gründlich durchnässt wurden, und an der herrlichen Gegend, selbst da, wo die Wolken uns hin und wieder einen Blick gestatteten, wenig Freude hatten. Die Straße, vom Fürsten Worontzoff angelegt, und ziemlich gut unterhalten (nach dortigen Begriffen) führt fortwährend zwischen dem Meer und den zur linken Hand steil aufstrebenden Bergen durch eine paradiesische Vegetation hindurch, und soll an jeder Ecke, und bei jedem der kleinen Seitentälchen entzückende Blicke bieten, wir mussten uns jedoch leider mit dieser Versicherung trösten. Dazu kam, dass wir der trügerischen Hoffnung gelebt hatten, auf einer so belebten Straße würde in den Posthäusern etwas zu essen zu finden sein; wir erhielten jedoch erst in der vorletzten Station etwas Tee und Brot. Zum Überfluss wurde uns auf der letzten Station noch die jedem russischen Postreisenden sattsam bekannte Lüge vom Pferdemangel vorgehalten, und nur ein sehr entschiedenes Auftreten machte es möglich, dass wir weiter kamen. Als wir Jalta erreichten, war es bereits dunkel geworden, allein die Wolken hatten sich zerteilt, und eine herrliche sternklare Nacht, von den tausendfachen Düften der frisch aufatmenden Vegetation durchzogen, versöhnte uns mit unserem Missgeschick.