Baghtschesarai

Baghtschesarai sieht man erst, wenn man darin ist; es liegt in einem engen Tälchen, welches im rechten Winkel zur Straße steht, und wird daher bis zum letzten Augenblick durch davorliegende Hügel verdeckt. Die ganze Stadt ziemlich wird von einer langen Straße gebildet, nahe an deren Ende das Schloss liegt; zu beiden Seiten dieser Straße kleine einstöckige Häuserchen, nach vorne budenartig offen, in jedem ein Laden oder eine Werkstatt, meist beide verbunden. Die Bevölkerung ist rein tatarisch, und außer dem russischen Hüter des Schlosses entsinne ich mich nicht, ein europäisches Gesicht gesehen zu haben. Diese gänzliche Abwesenheit des modernen Kulturelements gibt der Stadt einen so ausgeprägt orientalischen Charakter, wie ihn vielleicht wenige Städte in der Türkei besitzen mögen, und dies umso mehr, als sämtliche Gebäude die Zeit der letzten Tatarenchane noch erlebt zu haben scheinen, ohne seitdem einer pflegenden Hand anheimgefallen zu sein. Wir hatten unserm Kutscher gesagt, er solle ins Schloss fahren, allein da unsere Kenntnis des Türkischen gering, und die seinige vom Russischen gleich Null war, so war er wohl einigermaßen entschuldigt, als er, um seiner gewöhnlichen Ausspannung treu zu bleiben, in eine Seitengasse einbog; leider war jedoch diese Gasse nicht breit genug, um uns durchzulassen, und so fuhren wir uns zwischen zwei Häusern buchstäblich fest, so dass es einige Zeit und Mühe kostete uns wieder flott zu machen. Endlich langten wir am Schloss an, und waren beim ersten Anblick desselben wahrhaft überrascht; das Gebäude, welches weder durch Größe noch durch irgendwie schöne Architektur sich auszeichnet, macht durch sein buntes fremdartiges Aussehen, seine vielen Erker, Tore und Pavillons, mit seiner Moschee und den Minaretts, und mit den schattigen alten Bäumen in seinem Garten einen unvergesslichen Eindruck. Gegenüber dem lebhaften und heiteren Treiben auf der Straße tiefe Stille in den schattigen Gängen, gegenüber der schwülen Wärme der Außenwelt die fast eisige Kühle in der Grabkapelle der Tatarenchane. Das Innere des Schlosses bietet nicht viel interessantes, einige merkwürdige Räume, die als Gerichtszimmer und als Wohnzimmer der Haremsdamen, zu denen einst auch die schöne Gräfin Potocka gehörte, gedient haben. Die anstoßende Moschee ist wie alle türkischen Gotteshäuser einfach und nackt, und die Grabmäler der Chane in der angebauten Kapelle sind nur als historische Denkmäler einer auf sehr prosaische Weise depossedierten Regentenfamilie, sonst aber durch nichts bemerkenswert. Die Besteigung der Minaretts ist schwindligen Personen nicht anzuraten, zumal die Aussicht von oben zwar ganz niedlich ist, aber nichts neues bietet. Der Tag wäre unvollständig geblieben, wenn wir nicht noch ein Diner à la tartare eingenommen hätten; leider wurden wir ziemlich enttäuscht: der Hammel war zäh, der Reis saftlos und der Kaffee mäßig, dagegen der Preis eines großen Hotels würdig. Einen Ausflug nach Tschufut-Kaleb, der Stadt der Karaïm-Juden, mussten, wir der vorgerückten Tageszeit, sowie des Regens wegen, der sich inzwischen eingestellt hatte, aufgeben; wir entschädigten uns für die Enttäuschung bei den erwarteten Herrlichkeiten der orientalischen Küche durch die schönen Früchte, welche fast in jedem Hause verkauft werden, beluden uns zum Andenken mit einigen von den niedlichen, aber zu irgend einem Zwecke gänzlich unbrauchbaren Ledersachen, welche zu billigem Preise dort fabriziert werden (die Zeit, wo die Klingen von Baghtschesarai mit denen von Chorassân wetteiferten, ist leider vorüber), und bestiegen resigniert unseren Marterkasten. Als wir den Hafen von Sebastopol erreichten, war es bereits Nacht und wir hatten alle Mühe, um ein Boot zur Überfahrt zu erlangen. Im Gasthof angelangt, wurde uns die störende Nachricht, dass die Tawrida, statt bis Jalta zu gehen, mit beschädigter Maschine wieder in den Hafen eingelaufen sei, und dass die Passagiere derselben alle disponibeln Reisewagen der Stadt zur Landreise dorthin benutzt hätten; wir waren also auf die landesübliche Telega angewiesen.

Was für ein Wesen die Telega ist, und welchen Drangsalen und Gefahren der unglückliche Reisende auf ihr entgegen geht, habe ich im Anhang dieses Buches zu beschreiben versucht; ich muss jedoch schon hier zugeben, dass jede Beschreibung Stückwerk ist, und dass nur der die Telega kennt, der hunderte von Wersten auf ihr über allerlei Wege, schlechte und ganz schlechte, gerasselt ist.
Armenisches Büffelgespann

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Tarantaß - Russlands Postkutsche

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