IV. Die Deutschen
die in der Krim Sitze nahmen und dort eine lange Reihe von Jahrhunderten sich erhielten, zu den Goten 1). In der Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. zogen aus dem hohen Norden Europas herab die tapferen Scharen der Goten und nahmen alles Land zwischen Don und Donau in Besitz, die Ostgoten oder Greutungen mehr gegen den Don hin, die Westgoten oder Tervingen mehr im Norden der Donau. Durch Asien und Griechenland unternahmen sie siegreiche Züge und die römischen Herrscher vermochten nicht ihnen zu widerstehen, sondern zahlten Jahrgelder. Die höchste Blüte erreichte namentlich das Reich der Ostgoten unter Ermanrich. Aber die aus fernem Osten heranstürmenden Hunnen überfluteten sie und die Stämme der Goten beschlossen weiter nach Westen zu wandern, neuen Siegen, neuem Ruhme, neuen Reichen entgegen.
Nur ein kleiner Stamm der Ostgoten, die Gothi tetraxitae die in der Krim sich Wohnsitze erobert hatten, blieben. Wir begegnen ihnen zuerst unter der Regierung Justinians, den sie 547 um einen Bischoff ersuchen. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir durch Procopius, 1) dass ein Teil von ihnen, verdrängt durch uturgurische Hunnen, auf die östliche Küste des kimmerischen Bosporos hinübergegangen war. Proeopius sagt, dass er nicht anzugeben vermöge, ob auch sie dem arianischen Bekenntnis angehörten, da sie es selbst nicht wüssten, sondern in schlichter Einfalt und Unbefangenheit am christlichen Glauben hielten. Von diesen Goten erfahren wir weiterhin nichts mehr; aber auch in dem südlichen Gebirge, in einem Distrikt, den man durch Linien von dem h. Baktschiserai aus erstens nach Ssudag und zweitens nach dem Baidartal an der Südküste umgrenzen kann, wohnten Goten, die dem Kaiser von Byzanz gehorchten und, wenn er sie zum Kriege aufbot, 3.000 tapfere, kampfgeübte Leute stellten, während sie daheim den Ackerbau liebten und die gastfreundlichsten aller Menschen waren.
Da ihr Gebiet, welches damals Dory hieß, von den Einfällen der Hunnen viel zu leiden hatte, so erbaute Justinian zu ihrem Schutze rings an ihren Grenzen feste Plätze, von denen Procopius an der Südküste Aluston und Gorzubitä erwähnt, 1) die sich in den heutigen Orten Aluschta und Urzuff oder Gurzuff und den dort noch emporragenden spärlichen Trümmern erhalten haben, 2) Urzuff mit seinen prachtvollen Nussbäumen, unter deren einem 1200 Jahre später Prince de Ligue seine begeisterte Schilderung der Gegend an Katharina II. schrieb. Eifrig hielten die Goten an der christlichen Lehre, die sie gegen Ende des vierten Jahrh. angenommen hatten; fest und die Bibelübersetzung des Ulfilas war, da zu der Zeit ihrer Entstehung die Verbindung mit den Goten in Mösien noch fortbestehen musste, ohne Zweifel in ihren Händen. Gothia, so heißt später ihr Gebiet bis in das 14. Jahrhundert, 3) bildete ein eigenes Bistum und ihren Bischoff Johannes an der Spitze widerstanden sie im 9. Jahrhundert heldenmütig, obwohl am Ende vergeblich, dem Vordringen der Chazaren. 4)
Zusammenhängendes lässt sich über ihre Geschichte nicht geben, aber immer wieder tauchen sie einmal durch die Völkerwogen, die über diese Gegenden fluteten, wie grüne Hügel aus einem Nebelmeer, an denselben Plätzen empor. Mangup und Scivarin 5) waren die Burgen in den Bergen, wo ihre Herzöge wohnten, die unter wechselnden Oberherrn die kleine Völkerschaft regierten. Während sie früher, wie wir sahen, unter dem oströmischen Kaiser standen, war Gothia später dem Kaiser von Trapezunt lehenspflichtig geworden und wir hören, dass unter Andronikus I. Komnenus im Anfang des 13. Jahrh. einst das Schiff, was den jährlichen Tribut von Ehersen und Gothia nach Trapezunt bringen sollte, von Stürmen an die Küste von Sinope verschlagen und dort vom Türkenbeg Haythun genommen wurde. 1) Den 28. November 1380 wird Gothia mit seinen Herzögen und Völkerschaften von dem Tatarenchan Tochtamisch wieder an die Genuesen in Kaffa abgetreten. 2) 1474 empfing, wie Karamsin erzählt, Isaiko, Fürst von Mangup, eine Gesandtschaft des Großfürsten von Russland Joan III. Basilowitsch, der für seinen Sohn Joan um die Hand der Tochter Isaikos werben ließ; 3) aber schon 1475 stürmte Mohameds II. Heer bei seinem Eroberungszug durch die Krim auch Mangup und nach heldenmütigem Widerstand gegen die Türken fiel die Feste; die letzten Gotenfürsten, zwei Brüder, oder nach anderer Erzählung Onkel und Neffe, wurden gefangen und in Konstantinopel hingerichtet. 4)
Man muss damals weithin an ihrem Geschick Teil genommen haben, denn Konrad Gesner sagt 1555 in seinem Mithridates: 5) „da nahm Mahomed auch jene Feste Mankup ein und tötete die beiden letzten fürstlichen Brüder von Mankup, mit welchen der gotische Adel erlosch, während die Goten selbst noch in den Bergen fortleben, Weinbau treiben und damit ihr Leben fristen.“ Den Tatarmchanen von Baktschiserai unterworfen lebten sie um die verödeten und versinkenden Burgen, als Martin Broniovius als Gesandter des Königs Stephan von Polen 1578 in die Krim kam. 6)
Dass sie ihre deutsche Sprache in Mitten aller Stürme bewahrt hatten, bezeugen im J. 1253 Wilhelm Ruysbroek oder Rubruquis, der als Gesandter König Ludwigs IX. von Frankreich bei dem Tatarenchan gewesen war, 1436 Josefa Barbaro, Gesandter der Republik Venedig, 1) Gesner a. d. a. Stelle, aber noch viel später in einem merkwürdigen Berichte Ogier Gislen von Busbek.
Dieser ausgezeichnete Gelehrte, früher Erzieher der Söhne und Töchter Kaiser Ferdinands I., dann Bibliothekar zu Wien, ging im Dezember 1553 und zum zweiten Mal im November 1554 als Gesandter des Kaisers an Soliman II. nach Konstantinopel, wo er dann 8 Jahre blieb. Hier sammelte er nicht nur eine große Menge griechischer Handschriften, Münzen, Inschriften und Altertümer, die jetzt zum größten Teil sich auf der Bibliothek zu Wien befinden, sondern war auch mit seinem ausgezeichneten Arzte D. Quakelbein eifrig bemüht Pflanzen und Bäume, die in irgend einer Weise nützlich und heilsam werden könnten, nach Deutschland überzusiedeln. Busbek also erzählt im vierten seiner noch jetzt lesenswerten und höchst anziehenden Briefe über die türkische Gesandtschaft (datiert Frankfurt d. 18. Dezbr. 1582), 2) dass er während seines Aufenthalts in Konstantinopel sehnlich gewünscht habe etwas Näheres über die Goten in der Krim, oder Perekopien, wie damals nach der tatarischen Horde von Perekop die Krim genannt wurde, zu erfahren. Da hätten ihm seine Diener, die seinen Wunsch gekannt, eines Tages zwei Männer jenes Stammes, die als Gesandte ihrer Volksgenossen an dem Sultan nach Konstantinopel gekommen gewesen seien, zu Tisch gebracht. Der eine war schlank und hoch gewachsen und der Ausdruck seines Gesichtes schlicht und edel, dass er wie ein Flamänder oder Holländer aussah; der andere war kleiner, von gedrungenem Körper und dunkler Farbe, nach Abstammung und Sprache ein Grieche, der sich aber in langem Verkehr eine ganz leidliche Kenntnis der gotischen Sprache erworben hatte, während der erste im Zusammenleben mit den Griechen so an deren Sprache gewöhnt worden war, dass er die seinige vergessen hatte. Sie erzählten, dass ihre Landsleute sehr kriegerisch seien und noch jetzt mehrere Ortschaften bewohnten; die 800 Mann Büchsenschützen, die der Tatarenchan aus ihnen aushebe, bildeten den Kern seines Heeres; ihre beiden Städte hießen Mankup und Scivarin. Außerdem teilten sie Busbek eine große Menge gotischer Wörter mit, von denen derselbe eine Anzahl wiedergegeben hat, die von den Kennern der gotischen Sprache als durchaus unverdächtig und als wichtiger Beitrag zur Kenntnis dieser ältesten Gestalt des Deutschen anerkannt werden.
Busbek ist der letzte Zeuge für die Sprache dieser Goten der Krim, aber noch stehen die verlassenen Trümmer der Stadt und des Schlosses von Mangup, vier Stunden südlich von Baktschiserai und ebensoweit östlich von Gebastópol, auf einem Felsen von etwa 1000 Fuß, mit wundervoller Aussicht weit über das Gebirge hin auf das Meer. Dubois, der diese Trümmer sorgfältig beschrieben hat, 1) sagt, dass der Stil, in dem das Schloss gebaut gewesen, sich noch als armenisch erkennen lasse.
Nur ein kleiner Stamm der Ostgoten, die Gothi tetraxitae die in der Krim sich Wohnsitze erobert hatten, blieben. Wir begegnen ihnen zuerst unter der Regierung Justinians, den sie 547 um einen Bischoff ersuchen. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir durch Procopius, 1) dass ein Teil von ihnen, verdrängt durch uturgurische Hunnen, auf die östliche Küste des kimmerischen Bosporos hinübergegangen war. Proeopius sagt, dass er nicht anzugeben vermöge, ob auch sie dem arianischen Bekenntnis angehörten, da sie es selbst nicht wüssten, sondern in schlichter Einfalt und Unbefangenheit am christlichen Glauben hielten. Von diesen Goten erfahren wir weiterhin nichts mehr; aber auch in dem südlichen Gebirge, in einem Distrikt, den man durch Linien von dem h. Baktschiserai aus erstens nach Ssudag und zweitens nach dem Baidartal an der Südküste umgrenzen kann, wohnten Goten, die dem Kaiser von Byzanz gehorchten und, wenn er sie zum Kriege aufbot, 3.000 tapfere, kampfgeübte Leute stellten, während sie daheim den Ackerbau liebten und die gastfreundlichsten aller Menschen waren.
Da ihr Gebiet, welches damals Dory hieß, von den Einfällen der Hunnen viel zu leiden hatte, so erbaute Justinian zu ihrem Schutze rings an ihren Grenzen feste Plätze, von denen Procopius an der Südküste Aluston und Gorzubitä erwähnt, 1) die sich in den heutigen Orten Aluschta und Urzuff oder Gurzuff und den dort noch emporragenden spärlichen Trümmern erhalten haben, 2) Urzuff mit seinen prachtvollen Nussbäumen, unter deren einem 1200 Jahre später Prince de Ligue seine begeisterte Schilderung der Gegend an Katharina II. schrieb. Eifrig hielten die Goten an der christlichen Lehre, die sie gegen Ende des vierten Jahrh. angenommen hatten; fest und die Bibelübersetzung des Ulfilas war, da zu der Zeit ihrer Entstehung die Verbindung mit den Goten in Mösien noch fortbestehen musste, ohne Zweifel in ihren Händen. Gothia, so heißt später ihr Gebiet bis in das 14. Jahrhundert, 3) bildete ein eigenes Bistum und ihren Bischoff Johannes an der Spitze widerstanden sie im 9. Jahrhundert heldenmütig, obwohl am Ende vergeblich, dem Vordringen der Chazaren. 4)
Zusammenhängendes lässt sich über ihre Geschichte nicht geben, aber immer wieder tauchen sie einmal durch die Völkerwogen, die über diese Gegenden fluteten, wie grüne Hügel aus einem Nebelmeer, an denselben Plätzen empor. Mangup und Scivarin 5) waren die Burgen in den Bergen, wo ihre Herzöge wohnten, die unter wechselnden Oberherrn die kleine Völkerschaft regierten. Während sie früher, wie wir sahen, unter dem oströmischen Kaiser standen, war Gothia später dem Kaiser von Trapezunt lehenspflichtig geworden und wir hören, dass unter Andronikus I. Komnenus im Anfang des 13. Jahrh. einst das Schiff, was den jährlichen Tribut von Ehersen und Gothia nach Trapezunt bringen sollte, von Stürmen an die Küste von Sinope verschlagen und dort vom Türkenbeg Haythun genommen wurde. 1) Den 28. November 1380 wird Gothia mit seinen Herzögen und Völkerschaften von dem Tatarenchan Tochtamisch wieder an die Genuesen in Kaffa abgetreten. 2) 1474 empfing, wie Karamsin erzählt, Isaiko, Fürst von Mangup, eine Gesandtschaft des Großfürsten von Russland Joan III. Basilowitsch, der für seinen Sohn Joan um die Hand der Tochter Isaikos werben ließ; 3) aber schon 1475 stürmte Mohameds II. Heer bei seinem Eroberungszug durch die Krim auch Mangup und nach heldenmütigem Widerstand gegen die Türken fiel die Feste; die letzten Gotenfürsten, zwei Brüder, oder nach anderer Erzählung Onkel und Neffe, wurden gefangen und in Konstantinopel hingerichtet. 4)
Man muss damals weithin an ihrem Geschick Teil genommen haben, denn Konrad Gesner sagt 1555 in seinem Mithridates: 5) „da nahm Mahomed auch jene Feste Mankup ein und tötete die beiden letzten fürstlichen Brüder von Mankup, mit welchen der gotische Adel erlosch, während die Goten selbst noch in den Bergen fortleben, Weinbau treiben und damit ihr Leben fristen.“ Den Tatarmchanen von Baktschiserai unterworfen lebten sie um die verödeten und versinkenden Burgen, als Martin Broniovius als Gesandter des Königs Stephan von Polen 1578 in die Krim kam. 6)
Dass sie ihre deutsche Sprache in Mitten aller Stürme bewahrt hatten, bezeugen im J. 1253 Wilhelm Ruysbroek oder Rubruquis, der als Gesandter König Ludwigs IX. von Frankreich bei dem Tatarenchan gewesen war, 1436 Josefa Barbaro, Gesandter der Republik Venedig, 1) Gesner a. d. a. Stelle, aber noch viel später in einem merkwürdigen Berichte Ogier Gislen von Busbek.
Dieser ausgezeichnete Gelehrte, früher Erzieher der Söhne und Töchter Kaiser Ferdinands I., dann Bibliothekar zu Wien, ging im Dezember 1553 und zum zweiten Mal im November 1554 als Gesandter des Kaisers an Soliman II. nach Konstantinopel, wo er dann 8 Jahre blieb. Hier sammelte er nicht nur eine große Menge griechischer Handschriften, Münzen, Inschriften und Altertümer, die jetzt zum größten Teil sich auf der Bibliothek zu Wien befinden, sondern war auch mit seinem ausgezeichneten Arzte D. Quakelbein eifrig bemüht Pflanzen und Bäume, die in irgend einer Weise nützlich und heilsam werden könnten, nach Deutschland überzusiedeln. Busbek also erzählt im vierten seiner noch jetzt lesenswerten und höchst anziehenden Briefe über die türkische Gesandtschaft (datiert Frankfurt d. 18. Dezbr. 1582), 2) dass er während seines Aufenthalts in Konstantinopel sehnlich gewünscht habe etwas Näheres über die Goten in der Krim, oder Perekopien, wie damals nach der tatarischen Horde von Perekop die Krim genannt wurde, zu erfahren. Da hätten ihm seine Diener, die seinen Wunsch gekannt, eines Tages zwei Männer jenes Stammes, die als Gesandte ihrer Volksgenossen an dem Sultan nach Konstantinopel gekommen gewesen seien, zu Tisch gebracht. Der eine war schlank und hoch gewachsen und der Ausdruck seines Gesichtes schlicht und edel, dass er wie ein Flamänder oder Holländer aussah; der andere war kleiner, von gedrungenem Körper und dunkler Farbe, nach Abstammung und Sprache ein Grieche, der sich aber in langem Verkehr eine ganz leidliche Kenntnis der gotischen Sprache erworben hatte, während der erste im Zusammenleben mit den Griechen so an deren Sprache gewöhnt worden war, dass er die seinige vergessen hatte. Sie erzählten, dass ihre Landsleute sehr kriegerisch seien und noch jetzt mehrere Ortschaften bewohnten; die 800 Mann Büchsenschützen, die der Tatarenchan aus ihnen aushebe, bildeten den Kern seines Heeres; ihre beiden Städte hießen Mankup und Scivarin. Außerdem teilten sie Busbek eine große Menge gotischer Wörter mit, von denen derselbe eine Anzahl wiedergegeben hat, die von den Kennern der gotischen Sprache als durchaus unverdächtig und als wichtiger Beitrag zur Kenntnis dieser ältesten Gestalt des Deutschen anerkannt werden.
Busbek ist der letzte Zeuge für die Sprache dieser Goten der Krim, aber noch stehen die verlassenen Trümmer der Stadt und des Schlosses von Mangup, vier Stunden südlich von Baktschiserai und ebensoweit östlich von Gebastópol, auf einem Felsen von etwa 1000 Fuß, mit wundervoller Aussicht weit über das Gebirge hin auf das Meer. Dubois, der diese Trümmer sorgfältig beschrieben hat, 1) sagt, dass der Stil, in dem das Schloss gebaut gewesen, sich noch als armenisch erkennen lasse.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Skizzen aus der Geschichte der Krim