Regierungs-, Verwaltungs-, Justiz- und Polizei-Behörden.

Im Lübecker Rathause befinden sich sämtliche Geschäftsstuben der Regierungs-Verwaltungs-, Justiz- und Polizei-Behörden. Die Polizei in Lübeck ist manierlich und umsichtig und, wenn man anders eine Polizei also nennen kann human. Fremde sind hier keinen unnützen Weitläuftigkeiten ausgesetzt; man vertraut auf den Bürgersinn der Einwohner und hat höchstens ein wachsames Auge auf unbekannte Reisende, ohne sie mit Fremden- und Aufenthaltskarten zu belästigen, die ehrlichen Leuten das Reisen verleiden, und die sich jene, welche die Sicherheit gefährden, doch am Ende mit leichter Mühe zu verschaffen wissen. In der Tat, die Lübecker Polizei glaubt einigermaßen an die Menschheit und gewahrt nicht allenthalben Gespenster, die denn auch Lübeck auf keine Weise heimsuchen. Freilich will man von ihr behaupten, sie hänge keine Diebe, bevor sie dieselben gefangen habe, aber ich lobe mir das ehrliche, treuherzige Gesicht, mit welchem sie in die Pässe unverdächtiger Reisender sieht, und die Harmlosigkeit, mit welcher sie den Aufenthalt gestattet, ohne die Fremden einer strengeren Kontrolle zu unterwerfen, als solches der Staat erfordert, und ihnen in Haus und Zimmer, ja sogar ins Bett zu folgen. Ich lobe mir diese Zuversicht, dieses Vertrauen, diese Offenheit, auch wenn sie dann und wann die Polizei auf eine spaßhafte Weise kompromittieren. Ein Fall der Art schwebt mir vor. Zur Zeit der Julius-Revolution sprach man auch in Lübeck viel von der Freiheit und den Helden des Tages. Die Sache hatte sich so Hals über Kopf gemacht, dass selbst Lübeck, welches sonst am Ende aller Politik steht und sich höchstens nur aus Neugierde um die neuere Weltgeschichte bekümmert, oder weil dieselbe vielleicht auf Russland und die Dampfschifffahrt einwirken kann, dass selbst dieses Lübeck die letzten Schwingungen der Pariser Sturmglocke vernahm und von Lafayette, von den Schweizergarden und den Ouvriers, von Ludwig Philipp, Charles X. und den Ex-Ministern bei Schweinebraten und Graveswein in seinen Weinschenken sprach. Ein Spaßvogel machte sich den Enthusiasmus zu Nutze und erzählte einem Polizeidiener, Alexander, einem getauften Juden, Polignac sei in Lübeck angekommen, er wohne im Hotel du Nord und werde mit dem Dampfschiffe nach Petersburg reisen. Alexander hatte natürlich nichts Eiligeres zu tun als diese Nachricht brühwarm dem Polizeiherrn mitzuteilen. Dieser aber befand dich in dem versammelten Senat, und, da Gefahr im Verzug war, ließ ihn der Untegebene herausrufen: Polignac ist da, Herr Senator!“ „Was, Polignac! wo wohnt er?“ Im Hotel dü Nord.“ Eilig kehrte der Polizeiherr zu seinen Kollegen zurück, diesen die Geschichte zu erzählen, und Alexander eilte mit seiner Neuigkeit weiter. Was geschah nun? der Senat staunte, eilte auseinander und jede Hoch- und Wohlweisheit verkündete es in ihrer Familie: „Polignac ist da! ertönte es in der ganzen Stadt, und Alles strömte zum Hotel dü Nord, um wenigstens Etwas von der Spitze des langnasigen Ex-Ministers zu sehen. Allein es zeigte sich kein Polignac und Alexander war so frei, deshalb beim Inhaber des Gasthofs nachzufragen. „Ich weiß Nichts von Polignac“ – antwortete dieser. Der arme Polizeidiener stand wie von Donner gerührt, er hatte die ganze Stadt in Alarm gesetzt, sich und den Senat kompromittiert, und nun war kein Polignac da, keine Idee von Polignac. Was war anzufangen? Alexander schlich demütig zum Polizeiherrn. „Herr Senator, man hat mir etwas vorgelogen, Poliggnac ist doch nicht da.“ „Esel! da musst du auf der Stelle bei dem ganzen Senat die Runde machen und die Nachricht widerrufen.“ Ja, das ist so ein Stückchen von dem guten Glauben der Lübecker Polizei; die sich lieber in den April schicken lässt, als dass sie dem Wort eines Menschen misstraut.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Skizzen aus den Hansa-Städten