28. Marktplatz in Lida

„Marktplätze seien von jeher eine Augenweide für einen Maler", heißt es schon bei einem mittelalterlichen Schriftsteller. Dem folgend hat unser Zeichner sich vor diesen in Lida hingestellt und das Gewimmel, das täglich dort zwischen den niedrigen Häusern und Buden hin- und herläuft, mit ein paar Strichen festgehalten. Ein Stück Leben ist damit auf das Papier erhascht, wie wir es täglich von irgendeiner Stelle aus in den polnischen Städten und Städtchen an uns vorübertreiben sehen. Wie ein Stock in einen Ameisenhaufen ist der Krieg in diese Nester hineingefahren und hat alles durcheinandergewirbelt. Und noch jetzt kennen die Menschen, die dort herumlaufen, nur eine Sorge, nur eine Frage: Wann ist der Krieg zu Ende? Man merkt es fast noch den Figuren auf dieser Zeichnung an, dies tägliche Warten und Bangen. „Hurra! Das Leben!" krähte Liliencron, wenn es ihm geglückt war, ein solches Abbild des Daseins einzufangen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Skizzen aus Litauen, Weißrussland und Kurland