03. Litauischer Holzfäller

„Sveiks gyos, senukai! Ar dardi pypkutie?" Das ist litauisch und heißt zu deutsch: „Gott grüß' Euch, Alter! Schmeckt das Pfeifchen?" Ein Bekannter von uns hatte sich diese schwierigen Worte einstudiert und redete Kagys, den Holzhacker, mit ihnen an. Aber der hörte gar nicht darauf. Er machte weiter sein ernstes Gesicht und ließ sich ruhig von Struck weiterzeichnen. Ganz mucksmäuschenstill hielt er dabei, wie vor dreißig Jahren, da er sich — es war an seinem Hochzeitstage — zum letzten mal fotografieren ließ. Dies ist eine Feierstunde für ihn, da er gezeichnet wird und untätig in die Sonne blinzeln darf. Drum sieht er auch so säuberlich aus. Aber Ihr solltet ihn hinterher wieder bei der Arbeit sehen! Da tropft ihm der Schweiß von der Stirne und sein Körper dampft fast wie seine Pfeife. Er steht im Dienst der Deutschen Verwaltung und hackt Holz für sie. An fünfunddreißig Kloben macht er klein an einem Vormittag. Er will sich doch nicht von den alten Landsturmleuten beschämen lassen, die auf das Holz schlagen, als hätten sie Engländer vor sich. Früher in der Russenzeit war es genügend, wenn man fünfzehn Kloben an einem Morgen klein kriegte. Aber das ist nun vorüber. „Wisst Ihr, warum die Germanski gesiegt haben?" fragt er geheimnisvoll seine litauischen Freunde, wenn er nach Feierabend mit frisch gestopfter Pfeife unter ihnen sitzt. „Ich will es Euch sagen. Ganz einfach!" Und er pafft den ersten schönsten Tabakzug von sich. „Weil sie doppelt so viel arbeiten wie die Russki."
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Skizzen aus Litauen, Weißrussland und Kurland