Missbrauch der Rute
Im Jahre 1588, am Mittwoch nach Jukund, wurde in Dresden vom Stadtrat selbst „der neue Schulmeister T. Möckel per baculum et virgam a consule (mit Stock und Rute) in der Schule investiret". Genau hundert Jahre später thront dieser Möckel würdevoll auf einem der Kupferstiche, die den 1688 und 1689 erschienenen ,Monatlichen Gedanken' von Christian Thomasius beigegeben sind, mit den untrüglichen Zeichen seiner Macht versehen auf seinem Katheder 10).
Und mit welch sadistischer Grausamkeit bedienten sich die Jugendbildner der Rute!
Melanchthon erhielt für jeden Lateinfehler einen Streich. ,,Also machte er einen Grammaticus aus mir", lobte er seinen Lehrer.
Im achtzehnten Jahrhundert waren diese Strafen manchmal zu festen Taxen geworden.
,,Als Heinrich (Zeller) zum ersten Mal in die zweite Lateinschule zu Ludwigsburg kam, bemerkte er linker Hand beim Eintritt eine kleine schwarze Tafel, auf der, nach Art der Fleisch- und Brottaxen an den Metzger- und Bäckerläden, die Zahl der Stecken- und Rutenhiebe verzeichnet stand, die als Strafen auf die verschiedenen Hauptfehler gegen die lateinische Grammatik gesetzt waren" 11).
Obgleich Luther nichts gegen Züchtigung hatte, eiferte er doch gegen deren Missbrauch. ,,Wie vor dieser Zeit die Schulmeister gewesen sind, da die Schulen rechte Kerker und Höllen, die Schulmeister aber Tyrannen und Stockmeister waren, denn da wurden die armen Kinder ohne Maß und ohne edles Aufhören gestäupt, lernten mit großer Arbeit und unmäßigem Fleiß, doch mit wenigem Nutzen" 12). Den Kindern wurde die Schule zum Fegefeuer, in dem sie ,,gemartert wurden über den Casualibus und Temporalibus, da sie doch nichts lernten durch so viel Stäupen, Zittern, Angst und Jammer" sagt er weiter.
Dann einmal: ,,Man soll die Kinder nicht zu hart stäupen; denn mein Vater stäupte mich einmal so sehr, dass ich ihn floh und ward ihm gram, bis er mich wieder zu sich gewöhnte". Ein andermal, auch in seinen Tischreden: ,,Ich bin einmal in der Mansfelder Schule fünfzehnmal hintereinander gestrichen worden". Erasmus Alberus, der deutsche Aesop († 1555), schrieb: ,,Zu der Zeit, da ich in die Schule ging, habe ich oft gesehen, wie man so greulich mit den armen Kindern umging, da stieß man ihnen die Köpfe wider die Wände, und zwar hat man es mir auch nicht gespart .
„Under andern kan ich selbsten, nicht allein mit Wortzeichen gut Zeugniß geben, allda ich von dergleichen einem (Schultyrannen) mit einer geisel, so drey liderne dicke schneidende Riemen gehabt, nicht ein, zwey, zehn oder zwantzig, sondern wol über die 50 mahl im sibenden und achten (damit ich deß sechsten geschweige) Jahr meiner Kindheit dermaßen gegeiselt worden, dass mir tieffe Löcher in das fleisch hineingehawen und auß meinem Hemmet zerhawnen fleisch und underfloßnen Blut ein Zelten worden und in einander gebacken, dass ich noch gehen noch sitzen können, welche Zeichen und Malen ich noch heut an meinem Leib trage". — ,,Ist aber das nicht bekannter grober Unverstand und unschambarer Greuel vieler deren Pedanten, zu denen beyder Geschlechts Jugend, Knaben und Mägdlein, in die Schul gehn, dass sie die Knaben vor den Mägdlein und die Mägdlein vor den Knaben entblösen und abstreichen?" erzählt aus seinen Jugenderinnerungen Hippolyt Guarinonius um 1600 13).
10) Jhs. Janssen, Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters. Freiburg 'Breisgau, 15. und 14. Aufl., 1903, VII, S. 58.
11) Fr. Koldewey, Schulordnungen der Stadt Braunschweig vom Jahre 1251 — 1828 (in Kehrbach, Monumenta I. Band). Berlin 1886, S. 123ff.
12) Janssen, I. Band, 69.
13) Janssen, VII, S. 58.
Und mit welch sadistischer Grausamkeit bedienten sich die Jugendbildner der Rute!
Melanchthon erhielt für jeden Lateinfehler einen Streich. ,,Also machte er einen Grammaticus aus mir", lobte er seinen Lehrer.
Im achtzehnten Jahrhundert waren diese Strafen manchmal zu festen Taxen geworden.
,,Als Heinrich (Zeller) zum ersten Mal in die zweite Lateinschule zu Ludwigsburg kam, bemerkte er linker Hand beim Eintritt eine kleine schwarze Tafel, auf der, nach Art der Fleisch- und Brottaxen an den Metzger- und Bäckerläden, die Zahl der Stecken- und Rutenhiebe verzeichnet stand, die als Strafen auf die verschiedenen Hauptfehler gegen die lateinische Grammatik gesetzt waren" 11).
Obgleich Luther nichts gegen Züchtigung hatte, eiferte er doch gegen deren Missbrauch. ,,Wie vor dieser Zeit die Schulmeister gewesen sind, da die Schulen rechte Kerker und Höllen, die Schulmeister aber Tyrannen und Stockmeister waren, denn da wurden die armen Kinder ohne Maß und ohne edles Aufhören gestäupt, lernten mit großer Arbeit und unmäßigem Fleiß, doch mit wenigem Nutzen" 12). Den Kindern wurde die Schule zum Fegefeuer, in dem sie ,,gemartert wurden über den Casualibus und Temporalibus, da sie doch nichts lernten durch so viel Stäupen, Zittern, Angst und Jammer" sagt er weiter.
Dann einmal: ,,Man soll die Kinder nicht zu hart stäupen; denn mein Vater stäupte mich einmal so sehr, dass ich ihn floh und ward ihm gram, bis er mich wieder zu sich gewöhnte". Ein andermal, auch in seinen Tischreden: ,,Ich bin einmal in der Mansfelder Schule fünfzehnmal hintereinander gestrichen worden". Erasmus Alberus, der deutsche Aesop († 1555), schrieb: ,,Zu der Zeit, da ich in die Schule ging, habe ich oft gesehen, wie man so greulich mit den armen Kindern umging, da stieß man ihnen die Köpfe wider die Wände, und zwar hat man es mir auch nicht gespart .
„Under andern kan ich selbsten, nicht allein mit Wortzeichen gut Zeugniß geben, allda ich von dergleichen einem (Schultyrannen) mit einer geisel, so drey liderne dicke schneidende Riemen gehabt, nicht ein, zwey, zehn oder zwantzig, sondern wol über die 50 mahl im sibenden und achten (damit ich deß sechsten geschweige) Jahr meiner Kindheit dermaßen gegeiselt worden, dass mir tieffe Löcher in das fleisch hineingehawen und auß meinem Hemmet zerhawnen fleisch und underfloßnen Blut ein Zelten worden und in einander gebacken, dass ich noch gehen noch sitzen können, welche Zeichen und Malen ich noch heut an meinem Leib trage". — ,,Ist aber das nicht bekannter grober Unverstand und unschambarer Greuel vieler deren Pedanten, zu denen beyder Geschlechts Jugend, Knaben und Mägdlein, in die Schul gehn, dass sie die Knaben vor den Mägdlein und die Mägdlein vor den Knaben entblösen und abstreichen?" erzählt aus seinen Jugenderinnerungen Hippolyt Guarinonius um 1600 13).
10) Jhs. Janssen, Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters. Freiburg 'Breisgau, 15. und 14. Aufl., 1903, VII, S. 58.
11) Fr. Koldewey, Schulordnungen der Stadt Braunschweig vom Jahre 1251 — 1828 (in Kehrbach, Monumenta I. Band). Berlin 1886, S. 123ff.
12) Janssen, I. Band, 69.
13) Janssen, VII, S. 58.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sittengeschichte des deutschen Studententums
Luther und Melanchthon beim Übersetzen der Bibel
Melanchthon, Philipp (1497-1560) Philologe, Philosoph, Humanist, Theologe
005 Herrscherin Rute. Das Standessymbol des LehrersJPG
005 Herrscherin Rute. Lehrer mit drei StudentenJPG
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